Als Verfassungsfeind im Referendariat?
Aufschluss darüber, wie es um die Verfassungstreue von Brian E. steht, könnte möglicherweise auch sein nackter Oberkörper bringen. Ein Foto, gepostet auf Facebook, soll den Hobby-Kampfsportler zeigen: mit geballter Faust und in Siegerpose, mit nackter Brust und einem aufwendigen Tattoo darauf. Der Verdacht: In die verwinkelten Linien sollen auch mehrere Hakenkreuze integriert sein.
Doch um das Tattoo des Rechtsreferendars ging es am Dienstag vor dem Landgericht (LG) Leipzig nur am Rande. Denn E. steht vor Gericht, weil er vom Amtsgericht (AG) Leipzig Ende 2018 wegen schweren Landfriedensbruchs zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Dagegen legte er Berufung ein.
Dem 27-Jährigen wird vorgeworfen, sich am Überfall von Neonazis und Hooligans auf den Leipziger Stadtteil Connewitz im Januar 2016 beteiligt zu haben. An jenem Abend waren hunderte Rechtsradikale, zum Teil mit Schlagstöcken und Holzlatten bewaffnet, durch Connewitz gezogen. Dabei entstand laut Staatsanwaltschaft ein Sachschaden von über 100.000 Euro.
Bei rechtskräftiger Verurteilung droht das Ende des Referendariats
Der Mann ist als Referendar dem LG Chemnitz zugeordnet, für seine Einstellung ist das Oberlandesgericht (OLG) Dresden verantwortlich. Dort wurde er auch zum Referendariat zugelassen – obwohl bekannt war, dass gegen ihn ein entsprechendes Verfahren läuft. Die Justizverwaltung hatte sich dennoch entschieden, ihn in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen.
Für die Behörde ist es eine Sache der Abwägung. Sie hat das Ausbildungsmonopol und wenn sie einem angehenden Juristen das Referendariat verweigert, versperrt sie ihm damit den Weg zum Volljuristen. Er könnte dann nicht als Richter, Staatsanwalt, oder als Rechtsanwalt arbeiten. Solange das Urteil gegen E. noch nicht rechtskräftig ist, gilt zu seinen Gunsten die Unschuldsvermutung.
§ 34 der sächsischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen lässt sich entnehmen, dass E. vom Referendariat ausgeschlossen werden müsste, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt werden würde.
Sächsische Referendare schicken Stellungnahme ans OLG
Bereits im Juli 2019 hatte eine Gruppe sächsischer Referendare sich mit einer schriftlichen Stellungnahme an ihr Ausbildungsgericht, das OLG Dresden, gewandt. Sie wiesen darauf hin, dass jeder Referendar vor Antritt des Referendariats eine Erklärung zur Verfassungstreue unterzeichnet habe - und zitieren eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2017 zu verfassungsfeindlichen Tätowierungen eines Polizisten.
Die Leipziger Richter stellten damals fest, dass mit dem Tragen einer verfassungsfeindlichen Tätowierung eine besonders plakative Kundgebung verbunden sei, die ein "dauerhaftes Bekenntnis" darstelle. Die Entfernung aus dem Staatsdienst sei gerechtfertigt. Die Unterzeichner sorgen sich, "dass in der Öffentlichkeit manchmal der Eindruck entsteht, einige Repräsentanten des Freistaates würden nicht auf dem Boden unserer Verfassung stehen." Sie bitten das OLG, den Sachverhalt aufzuklären.
Die Ausbildungsleiterin am OLG antwortete den Referendaren auf ihr Schreiben im August 2019. Sie verwies darauf, dass wegen der Fotos Anzeige erstattet worden sei. In dem Antwortschreiben wird darauf verwiesen, dass die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung auch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz (GG) zugunsten des Referendars zu berücksichtigen habe.
Sie verweist auch auf einen wesentlichen Unterschied zwischen diesem Fall und jenem, den das BVerwG 2017 zu entscheiden hatte. "Erheblich wird ferner sein, dass für einen Vorbereitungsdienst außerhalb eines Beamtenverhältnisses nicht die gleichen Anforderungen an die Gewähr der Verfassungstreue gestellt werden dürfen, wie für einen Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis auf Widerruf", heißt es in dem Antwortschreiben, das LTO vorliegt.
Anwalt von E.: "Gesinnungsprüfung" vor Gericht?
Wegen der Tätowierung ermittelt nach Informationen des MDR derweil die österreichische Staatsanwaltschaft der Stadt Wels, denn in ihrem Zuständigkeitsbereich soll das Foto aufgenommen worden sein. In Deutschland ist das Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen nach § 86a Strafgesetzbuch strafbar, bei Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Angesprochen auf das Foto soll E. im Prozess am Dienstag laut dem Bericht des Leipziger Kreuzer gefragt haben: "Wollen Sie jetzt die Tätowierung über meine persönliche Gesinnung stellen?". Sein Verteidiger Jürgen Schäfer soll zusätzlich gefragt haben, ob das nun auf eine "Gesinnungsprüfung" hinauslaufen solle. "Wir haben hier einen Rechtsreferendar und der muss um jeden Preis zur Räson gebracht werden", soll Schäfer zu Prozessbeginn gesagt haben.
Eine Entscheidung gab es am Dienstag bis zum Erscheinen dieses Textes noch nicht, für den 27. November ist noch ein weiterer Verhandlungstag terminiert.
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2019 M11 12
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