"Ist das examensrelevant?"
Für alle, die gerade das Referendariat absolvieren oder es bald beginnen: Hier ein kleiner Überblick, mit wem ihr es in den nächsten zwei Jahren zu tun haben werdet. Wir zeigen euch, an welchen typischen Sätzen ihr die unterschiedlichen Typen von Referendaren erkennt und was aus ihnen später mal werden könnte. Viel Spaß dabei!
1. Die ewige Studentin
Das macht sie aus: Die ewige Studentin kann ihr Glück kaum fassen: Nach der endlosen Plackerei des Examens und dem ständigen Knausern kommt jetzt die ersehnte Belohnung: die Unterhaltsbeihilfe. Endlich raus aus dem Dispo, endlich auch am Ende des Monats noch ein paar Kröten auf dem Konto haben. Sie macht erstmal eine ausgedehnte Tour zu IKEA, um ihr WG-Zimmer neu einzurichten. Zeit hat die ewige Studentin ja genug: Zur AG muss sie nur einmal die Woche, an den anderen Tagen schläft sie aus. Eng wird's nur manchmal, wenn sie die Arbeiten für ihre Ausbilder mal wieder in der letzten Nacht vor der Abgabe schreiben muss. Aber was soll's: Hat bei den Hausarbeiten im Studium ja auch immer super geklappt. Fürs zweite Examen lernen? Och ja, später. Erstmal muss sie recherchieren, wo man auf der AG-Fahrt am besten Party machen kann. Typischer Satz: "Wie, du musst freitags noch zu deinem Ausbilder? Da ist doch schon Wochenende!" Bestellt in der Gerichtskantine: Nichts. Sie geht stattdessen einfach weiter in die Uni-Mensa, getreu dem Motto: never change a winning team! Wird später mal: Mitarbeiterin in der Studienberatung der örtlichen Universität. Das Referendariat hat sie dann doch kurz vor dem zweiten Examen geschmissen – einfach zu stressig.
2. Der Staranwalt
Das macht ihn aus: Feiner Zwirn, edle Aktentasche, gutes Elternhaus und Einzelrepetitorium: Die Karriere des Staranwalts ist vorprogrammiert. Für ihn gibt es nur ein Gas – Vollgas. Er verteilt fleißig seine Visitenkarten ("Kontakte, Kontakte, Kontakte!") und hat am Ende jeder Stunde noch eine Menge wichtiger Fragen an den AG-Leiter. Nebenbei ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer renommierten Großkanzlei und Vorsitzender bei der örtlichen Jungen Union (mehr Kontakte!). Die Gespräche der AG-Kollegen sind ihm schnell zu popelig – interessiert ihn doch nicht, wo die AG-Fahrt hingehen soll, er war eh schon überall. Typischer Satz: "Sorry, gestern doch noch etwas länger mit dem Kunden die M&A-Strategy bei einem Gläschen Champagner gefeiert. Naja, gehört halt auch dazu." Bestellt in der Gerichtskantine: Nur einen doppelten Espresso oder ausnahmsweise mal den gedünsteten Lachs. Aber meistens isst er sowieso mit den Kanzlei-Kollegen im Chinese-Fusion-Food-Restaurant. Wird später mal: Erst Associate, nach drei Jahren Partner. Mit 45 dann Scheidung, Burn-Out, Jakobsweg.
3. Die Aktivistin
Das macht sie aus: In ihrem WG-Zimmer hängen Bilder von Gandhi, Nelson Mandela, Aung San Suu Kyi und auch ein ganz kleines von George Clooney. Die Aktivistin weiß: Mit einer guten Ausbildung und viel Wissen kann man ganz schön was bewegen und die Welt ein bisschen besser machen. Am Anfang ist sie noch Feuer und Flamme für alle Fälle, die sie bearbeiten muss, und will für absolute Gerechtigkeit sorgen. Leider will das aber sonst niemand so recht und mit der Zeit hängen ihre Dreadlocks immer trauriger herunter. Dagegen hilft nur: Augen zu und durch, die innere Mitte wiederfinden und auf die wichtigen Dinge fokussieren. Den Staranwalt und seine perversen Großkanzleifantasien verachtet sie, die übrigen AG-Kollegen versucht sie zur Mitgliedschaft in der örtlichen Amnesty-International-Gruppe zu motivieren. Zu abendlichen Treffen steuert sie Quinoa-Wodka aus den Anden und selbstgemachte Falafel bei. In ihrer Freizeit hilft sie bedürftigen Menschen bei rechtlichen Problemen – natürlich pro bono. Typischer Satz: "Wusstest du, dass in China jedes Jahr fast 2000 Menschen hingerichtet werden? Und wir sitzen hier und müssen Verkehrsunfallsachen bearbeiten!" Bestellt in der Gerichtskantine: Nur die Beilagen, Fleisch isst sie ja schon seit 15 Jahren nicht mehr. Vorher hat sie natürlich das Küchenpersonal ins Kreuzverhör genommen: "Ist das wirklich bio? Oder wenigstens regional?" Zum Nachtisch einen Apfel, aber niemals die Bananen, sie will sich ja nicht ihren CO2-Fußabdruck versauen. Wird später mal: Menschenrechtsexpertin in einer internationalen NGO. Oder doch Associate in einer Großkanzlei – schließlich kann sie so locker drei Viertel ihres sechsstelligen Jahreseinkommens spenden.
4. Der Witzbold
Das macht ihn aus: Während seines Studiums hat er einen nicht unbeträchtlichen Teil der Zeit damit verbracht, hübschen Kunstgeschichtestudentinnen die "lustigen" Paragraphen über den Bienenschwarm im BGB vorzulesen. Leider regelmäßig nur mit geringem Erfolg. Macht aber nichts, die Juristinnen in seiner AG haben sicher alle sowieso mehr Humor. Vor dem ersten Tag des Referendariats geht er noch mal seine gesammelten Juristenwitze durch und freut sich diebisch auf die Reaktionen. Was er jedoch am nächsten Tag erntet: höflich-gequältes Grinsen und peinliches Schweigen. Das hindert den Witzbold aber nicht daran, weiter seine Witze abzuspulen, zur Not erzählt er sie auch zwei- oder dreimal hintereinander. Spätestens in der dritten Woche sind alle genervt von ihm, was er aber nicht merkt, weil er bereits emsig damit beschäftigt ist, das in der AG frisch Gelernte auf sein Witzpotential zu überprüfen. Typischer Satz: "Garantenstellung? Kann ich, hahaha!" Bestellt in der Gerichtskantine: "Einmal das jüngste Gericht, bitte!" oder "SchniPo-Schranke und eine Fanta." Wird später mal: Wald- und Wiesen-Anwalt mit "Zum Schmunzeln"-Rubrik auf seiner Homepage und 1. Vorsitzender im Recht kurios e.V.
5. Die Ängstliche
Das macht sie aus: Better safe than sorry: Am ersten Tag des Referendariats ist die Ängstliche vorsichtshalber schon zwei Stunden vor Beginn der Einführungsveranstaltung da. Am Morgen schon die erste große Krise: Was, wenn sie das alles nicht schafft? Wie schnell wird man eigentlich aus dem Referendariat geworfen? Auf jeden Fall immer den Dienstweg einhalten, das ist sehr, sehr wichtig. Zum Glück hat sie schon vor drei Tagen ihr Kostüm rausgelegt und die Zugverbindung fünfzehnmal überprüft. In der AG kennt sie alle Tricks, um nicht drangenommen zu werden: Die Nase schnäuzen oder eifrig was aufschreiben. Wenn sie doch mal aufgerufen wird, ist sie so damit beschäftigt, nicht rot zu werden, dass sie die Frage vergisst. Vor ihrer ersten Sitzungsvertretung in der Staatsanwaltschaft kann sie eine Woche lang nicht schlafen und auch wenn ihre Eltern am Sitzungstag zur Unterstützung im Zuschauerraum sitzen – sie zittert wie Espenlaub beim Verlesen der Anklageschrift und ihr Atem wird immer flacher. Als sie im Zimmer der Sekretärin wieder zu sich kommt, ist der Angeklagte schon längst verurteilt. Er sende ihr aber die besten Genesungswünsche und das mit der von ihr beantragten Strafe ginge schon in Ordnung. Typischer Satz: "Oh nein, oh nein, ich hab immer noch keine Wahlstation gefunden, dabei ist das doch schon in anderthalb Jahren!" Bestellt in der Gerichtskantine: Immer das, was der vor ihr in der Schlange auch bestellt hat. Bloß keine Experimente. Wird später mal: Sachbearbeiterin in einer großen Versicherung. Hauptsache nicht so viel mit Menschen zu tun haben.
6. Der Verlegenheitsjurist
Das macht ihn aus: Für Medizin zu faul, für mathematische Philosophie zu blöd – dann halt Jura, in der Studienberatung haben sie damals gesagt, dass man damit alles machen könne. Nur was bloß genau? Egal, erstmal machen, es wird sich schon was finden. Der Verlegenheitsjurist bewundert die Aktivistin für ihre Begeisterung und den Staranwalt für seinen Ehrgeiz. Bei seinen Ausbildern bemüht er sich, Interesse an den Verfahren vorzutäuschen, was natürlich sofort auffällt – immerhin haben diese Menschen beruflich mit Lügnern zu tun. Aber wie kann man denn auch bloß diesen ganzen Paragraphen so viel abgewinnen? Er findet, dass der AG-Stoff vor allem eins ist: wahnsinnig ermüdend. Aber hilft ja nichts, da muss er jetzt durch. Und wenn er das zweite Examen dann endlich geschafft hat, atmet er mal ganz tief durch und überlegt, welchen Beruf er er denn jetzt damit ausüben könnte. Vielleicht kann die ewige Studentin ihm ja helfen – die macht doch jetzt irgendwas mit Berufsberatung, oder? Typischer Satz: "Verwaltungsstation im Ausland? Och ja, mal gucken, ne? Oder ich mach' das einfach im Kreiswehrersatzamt Ulm." Bestellt in der Gerichtskantine: Kann sich nicht entscheiden zwischen Menü 1 und 2, nimmt dann einfach irgendwas und bekommt noch das von der Aktivistin liegen gelassene Schnitzel dazu. Wird später mal: Jurist in der Gemeindeverwaltung seines Heimatdorfs. Das ist zwar echt langweilig, aber immerhin hat er eine 35-Stunden-Woche und größtenteils seine Ruhe.
7. Der Streber
Das macht ihn aus: Für den Streber ist Ordnung das ganze Leben, wenn seine Post-Its leer sind, wird er nervös. Er will alles richtig machen, deshalb hat er schon in der ersten Woche des Referendariats die Angebote der örtlichen Repetitorien ausgewertet und meldet sich umgehend bei einem Rundum-Sorglos-Kurs an. Jeden Morgen steht er um Punkt 5:30 Uhr auf, nur am Sonntag genehmigt er sich ein wenig Müßiggang, da darf er bis acht Uhr schlafen. Der Streber weiß so viel und so vieles besser, dass sogar der AG-Leiter irgendwann genervt ist von ihm. Außerdem lässt er sich zum Kurssprecher wählen, terrorisiert die anderen anschließend mit Organisations-E-Mails wegen der AG-Fahrt und wäre insgeheim gern so lässig wie der Staranwalt. Den fragt er dann auch, ob sie eine gemeinsame Lerngruppe bilden (was der Staranwalt aber ablehnt – keine Zeit für so einen Schnickschnack!). Während der AG-Klausuren schaut der Streber die ewige Studentin nur lange und vorwurfsvoll an, die hat nämlich schon wieder verschämt ihre Mitschriften und Skripten ausgepackt, damit sie die Klausuren überhaupt irgendwie lösen kann. Typischer Satz: "Ist das examensrelevant?" Bestellt in der Gerichtskantine: Ein Käsebrötchen und einen schwarzen Kaffee, alles andere dauert zu lange und er muss ja noch Zwangsvollstreckungsrecht wiederholen. Wird später mal: Fleißiger, aber wenig beliebter Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei, der bei Beförderungen regelmäßig leer ausgeht. Grund: Hat in seinem Unsympathentum mehrfach die Chefsekretärin über ihre Arbeit belehrt.
8. Das Legally-Blonde-Girl
Das macht sie aus: Lange Mähne, makellose Figur und ganz viel Bling-Bling: Das Legally-Blonde-Girl wird seit jeher unterschätzt. Tatsächlich ist sie ein echter Jura-Crack, was man spätestens in dem Moment merkt, in dem sie den AG-Leiter auf die neueste BGH-Rechtsprechung hinweist – natürlich mit einem charmanten Lächeln. Sie weiß alles über die circa 500 Theorien zum Erlaubnistatbestandsirrtum, die herrschende Meinung zu den Waschanlagenfällen und die neuesten Fitnesstrends. Den Annäherungsversuchen des Staranwalts zeigt sie die kalte Schulter, der ist ihr nämlich eine Spur zu minderbemittelt. Einmal in der Woche trifft sie sich mit ihren Freundinnen aus der Schule zum Mädelsabend mit Prosecco und Germany’s Next Topmodel. Typischer Satz: "Können wir das mit der forderungsentkleideten Hypothek und dem gutgläubigen Zweiterwerb vielleicht morgen besprechen? Ich hab jetzt noch einen Termin im Nagelstudio und später muss ich noch ins Gym!" Bestellt in der Gerichtskantine: Am wöchentlichen Cheat Day das Jägerschnitzel mit Pommes, sonst nur einen Salat und stilles Wasser. Wird später mal: Die schönste Staatsanwältin im ganzen Oberlandesgerichtsbezirk.
9. Der Coole
Das macht ihn aus: Seine Erkennungszeichen sind Skinny Jeans, Jutebeutel sowie ab und an T-Shirts von Bands, die keiner kennt. Am ersten Tag des Referendariats postet er ein stark gefiltertes Foto vom Gerichtsgebäude auf Instagram, Hashtags: #newjob #instalawyers #ilawyou. Eigentlich wäre er lieber Geisteswissenschaftler geworden, so wie seine vielen Freunde, die jetzt alle Praktika in Museen oder Werbeagenturen machen. Aber naja, was "Richtiges" ist vielleicht dann doch besser. Die anderen in der AG findet er schrecklich öde und spießig, die haben ja auch noch nie was von seinen ganzen Lieblingsbands oder diesem einen amerikanischen Autor gehört, der so wahnsinnig intensiv über Drogenexzesse schreibt. Mit seinen coolen Freunden spricht er nur selten über Jura und nur einmal war er ein bisschen stolz auf sein gesammeltes Wissen: Nämlich als er ihnen diese Sache mit der Staatsaffäre um Jan Böhmermann mal ganz genau erklären konnte. Typischer Satz: "Trinken wir nachher noch einen Cold Brew in der neuen Kaffeebar am anderen Ende der Stadt? Machen so Freunde von mir." Bestellt in der Gerichtskantine: Das Tomate-Mozzarella-Rucola-Ciabatta. Aber nur, weil es keine Pastrami-Sandwiches gibt. Wird später mal: Fachanwalt für Musik- und Medienrecht mit Gästelistenplatzgarantie auf den Konzerten seiner Mandanten. Die Autorin Christina Witte absolviert zurzeit ihr Referendariat in Nordrhein-Westfalen. Sie kann jedem der Typen etwas Sympathisches abgewinnen – nur bei den Bienenschwarm-Witzen nimmt sie regelmäßig Reißaus.
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2016 M07 27
Jurastudium
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