Muss die Kanzlei Höcker das AfD-Mandat niederlegen, weil Ex-BfV-Präsident Maaßen dort Of-Counsel war? Ob der Rundfunkbeitrag bar bezahlt werden kann, ist nach EuGH-Entscheidung weiterhin offen. OVG untersagt Abschiebungen nach Griechenland.
Thema des Tages
VG Köln – AfD und Verfassungsschutz: In dem beim Verwaltungsgericht Köln anhängigen Verfahren zu einer möglichen Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird die von der Partei mandatierte Kanzlei Höcker auf die Dienste ihres bisheriges Of-Counsels Hans-Georg Maaßen verzichten. Der frühere BfV-Präsident habe erklärt, sein ohnehin geplantes Ausscheiden einige Monate nach vorn zu ziehen, schreibt LTO (Pia Lorenz). Er sei bislang mit dem Fall "nicht anwaltlich betraut" gewesen und somit auch "nicht gehindert, als Zeuge auszusagen". Gleichwohl wolle er einen auf seiner nun früheren Arbeitgeberin lastenden "negativen Beigeschmack" verhindern, so Maaßen in einer von der Kanzlei veröffentlichten Mitteilung. Die zuständige Rechtsanwaltskammer Köln wolle den Sachverhalt gleichwohl berufsrechtlich überprüfen. Diese Dimension des Falls ergründet der Akademische Rat David Markworth auf LTO. Ginge man von einem Verstoß gegen § 45 Bundesrechtsanwaltsordnung aus, weil Maaßen in seinem früheren Beruf zumindest mit dem Thema des jetzigen Verfahren vertraut war, würde das hieraus zu folgernde Tätigkeitsverbot gemäß Abs. 3 der Norm auch die Kanzlei betreffen, sie wäre also verpflichtet, das Mandat sofort niederzulegen. An diesem Ergebnis änderten weder die konkrete Berufsbezeichnung Maaßens noch seine jetzige Erklärung etwas.
In einem parallel betriebenen Eilverfahren hat die AfD das Verwaltungsgericht Köln nicht von der Notwendigkeit überzeugen können, dem BfV per Hängebeschluss vorläufig untersagen zu lassen, die Mitgliederanzahl des sogenannten Flügels zu nennen. Nach einer gerichtlichen Folgenabwägung sei die Nennung der Zahl 7.000 mit allenfalls "geringen" Nachteile für die Partei verbunden. Die Zahl befinde sich im Übrigen auch im Verfassungsschutzbericht 2019. Es berichten spiegel.de (Severin Weiland) und faz.net (Helene Bubrowski).
Rechtspolitik
GWB-Digitalisierung: Die jüngst in Kraft getretene Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird nun auch von Nicolas Kredel und Jan Kresken auf LTO vorgestellt. Die Rechtsanwälte konzentrieren sich in ihrer Darstellung auf Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf. Zu begrüßen seien die nun geltende bußgeldmindernde Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen in betroffenen Unternehmen und die höheren umsatzbezogenen Schwellenwerte bei der Fusionskontrolle. Ob sich hingegen der neue § 19a GWB bewährt, der das Bundeskartellamt ermächtigt, großen Plattformbetreibern bestimmte Verhaltensweisen zu untersagen, müsse die Rechtsprechung erweisen.
Staatssekretäre Berlin: spiegel.de (Lydia Rosenfelder) berichtet über Kritik an einem Berliner Entwurf für ein "Gesetz zur Einführung eines Rückkehrrechts für Staatssekretärinnen und Staatssekretäre". Diese sollten nach Ende ihrer Amtszeit automatisch in ein früheres Beamtenverhältnis zurückkehren und dabei ein "Endgrundgehalt" beanspruchen können.
Verjährung Steuerhinterziehung: Die zum Ende des vergangenen Jahres verabschiedete Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfrist für die besonders schwere Steuerhinterziehung auf 15 Jahre wird in einem Gastbeitrag im Recht und Steuern-Teil der FAZ von den Rechtsanwälten Heiko Hoffmann und Philipp Schiml detailliert vorgestellt.
Umsetzung EU-Urheberrecht: Die CDU/CSU-Fraktion hat kurzfristig den für den heutigen Mittwoch geplanten Kabinettsbeschluss zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie blockiert, berichtet euractiv.de (Philipp Grüll) und stellt zugleich den Inhalt des nun verhinderten Gesetzentwurfs vor.
Justiz
EuGH zu Rundfunkbeitrag/Barzahlung: Der EuGH hat auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) europarechtliche Vorfragen zur Frage geklärt, ob der Rundfunkbeitrag auch in bar bezahlt werden darf. So dürfe ein EU-Staat einerseits ein Barzahlungsrecht bei Leistungen an öffentliche Stellen beschließen, er dürfe aber auch eine Barzahlung ausschließen, wenn dies zu unangemessen hohem Aufwand führt. Die Folgerungen muss nun wieder das BVerwG ziehen. Das BVerwG ging in seiner Vorlage 2019 davon aus, dass § 14 Bundesbankgesetz ein Barzahlungsrecht vorsehe und höherrangig sei als die Satzung des Hessischen Rundfunks, die ein Barzahlungsrecht ausschließt. Die Kläger sehen sich als Verteidiger des Bargelds, weil es die Privatsphäre schütze, berichtet die taz (Christian Rath). Auch LTO und swr.de (Gigi Deppe) berichten über die Entscheidung.
OVG NRW zu Abschiebung nach Griechenland: Weil ihnen in Griechenland derzeit eine Situation "extremer materieller Not" droht, dürfen zwei Flüchtlinge, die in Griechenland bereits als Schutzberechtigte anerkannt wurden, nicht dorthin abgeschoben werden. Dies entschied nach Berichten von wdr.de (Philip Raillon), FAZ (Helene Bubrowski) und LTO das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Woche. Reinhard Müller (FAZ) hält die Feststellungen des Gerichts zu den Zuständen in Griechenland für bemerkenswert angesichts der Behauptung eines "europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts". Nun gelte es, das europäische Asylsystem der Wirklichkeit anzupassen und "wetterfest" zu machen.
BVerfG – Parteienfinanzierung: Am gestrigen Dienstag und am heutigen Mittwoch wollte das Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Anhebung der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung verhandeln. Nachdem die Termine nun coronabedingt aufgehoben wurden, legen Rechtsanwalt und Rechtsreferendar Christofer Lenz und Simon Gollasch auf Verfassungsblog vertieft dar, dass sich eine absolute Obergrenze jedenfalls nicht aus der Verfassung ergebe.
BVerfG zu elektronischer Patientenakte: Zu Beginn des Jahres erging ein nun veröffentlichter Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts, durch den eine Verfassungsbeschwerde gegen die mit der elektronischen Patientenakte verbundene Datenverarbeitung verworfen wurde. Weil die Nutzung der Akte freiwillig sei, könne der Beschwerdeführer keine Verletzung eigener Rechte geltend machen, so LTO.
BGH zu Thermofenstern: Der bloße Einsatz sogenannter Thermofenster, bei denen bei bestimmten Außentemperaturen die PKW-Abgasreinigung automatisch abgeschaltet wird, ist nach Einschätzung des Bundesgerichtshofs noch nicht sittenwidrig und nicht mit der VW-Betrugssoftware vergleichbar, bei der die Abgassteuerung auf Prüfständen anders funktionierte also auf der Straße. Der BGH verwies das Verfahren aber wegen Verletzung rechtlichen Gehörs an das OLG Köln zurück. Dort muss geklärt werden, ob der beklagte Autobauer Daimler im Zulassungsverfahren unrichtige Angaben über die Arbeitsweise der Software gemacht hat, was für die Klärung der Sittenwidrigkeit relevant sein könne, berichtet tagesschau.de (Claudia Kornmeier). Der BGH hatte ohne mündliche Verhandlung per Beschluss entschieden, weil andere Kläger aus unbekannten Gründen kurzfristig die Revision zurückgenommen hatten und so bisher eine Entscheidung des BGH verhinderten. Auch die FAZ (Susanne Preuß) berichtet.
BGH zu Netzbetreibern: Anders als das Oberlandesgericht Düsseldorf hat der Bundesgerichtshof nun die Berechnungsmethode der Bundesnetzagentur bei der Bestimmung sogenannter Netzentgelte für rechtmäßig erklärt. Die FAZ (Helmut Bünder) schreibt in ihrem Unternehmens-Teil, dass die von den Betreibern angegriffene Methode nach Ansicht des Gerichts mit der gebotenen Sorgfalt geprüft und das der Behörde eingeräumte Ermessen sachgerecht ausgeübt worden sei.
BVerwG – Überstellungsfrist: In zwei von LTO berichteten Beschlüssen hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die sechsmonatige Überstellungsfrist nach der Dublin-III-Verordnung unterbrochen wird, wenn die Vollziehung von Überstellungsentscheidungen aufgrund der Corona-Pandemie von der Behörde selbst ausgesetzt worden ist.
OLG Frankfurt/M. – Mord an Walter Lübcke: Im Verfahren zur Tötung Walter Lübckes plädierten die Verteidiger des mitangeklagten Markus H. für einen Freispruch ihres Mandanten. Dieser bekunde keine Reue, weil er "nichts zu bereuen" habe, zitiert spiegel.de (Julia Jüttner) aus dem Schlussvortrag. Eine Radikalisierung des Hauptangeklagten Stephan E. durch H. habe nicht stattgefunden und E. sich tatsächlich auch nie wirklich von der rechtsextremen Szene entfernt. Demgegenüber zeichne sich H. als "Musterbeispiel einer ganz legalen Lebensführung" aus. In einem letzten Wort wandte sich E. erneut an die Familie des Getöteten und drückte Bedauern über seine Tat aus. Das Urteil wird am morgigen Donnerstag verkündet. Von der Verhandlung berichten auch FAZ (Marlene Grunert) und SZ (Matthias Drobinski).
KG Berlin – Ibiza-Video: Julian H., als Privatdetektiv mutmaßlicher Urheber des sogenannten Ibiza-Videos, befindet sich derzeit in Untersuchungshaft in Berlin, wo am Kammergericht über seine Auslieferung nach Österreich wegen verschiedener Vorwürfe, unter anderem einer versuchten Erpressung des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache, entschieden wird. In einem Interview mit der SZ (Cathrin Kahlweit/Sven Röbel) äußert sich H. zu den Beweggründen für die Video-Produktion, seiner Methode und bezeichnet die gegen ihn jetzt erhobenen Vorwürfe als "falsch".
OLG Düsseldorf zu IS-Helfer: Zu sieben Jahren Haft hat das Oberlandesgericht Düsseldorf einen 30-jährigen Tadschiken verurteilt. Gemeinsam mit Landsleuten hatte der weitgehend geständige Mann als Teil einer Zelle des sogenannten IS im Frühjahr 2019 mehrere Anschläge geplant, schreibt die Welt (Ibrahim Naber). Sein Fall offenbare die internationale Vernetzung islamistischer Terroristen.
LAG Köln zu Mitbestimmung/Corona: Die konkrete Ausgestaltung des Besuchskonzepts eines Krankenhauses während der aktuellen pandemischen Lage unterliegt der betriebsrätlichen Mitbestimmung, entschied nach Meldung von community.beck (Markus Stoffels) das Landesarbeitsgericht Köln in der vergangenen Woche. Anders als etwa bei einer konkreten ordnungsbehördlichen Regelung eröffne die auf Empfehlungen beruhende Konzeption des Besucherverkehrs einen Gestaltungsspielraum. Dieser eröffne das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
LG Bonn – Cum-Ex/Hanno Berger: LTO und Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier) berichten, dass das Landgericht Bonn nun Anklage gegen den Steuerrechtsanwalt Hanno Berger wegen dessen mutmaßlicher Verstrickung in Cum-Ex-Deals zugelassen hat. Dem seit Jahren in der Schweiz lebenden Berger und weiteren Angeklagten werfe die zuständige Staatsanwaltschaft Köln drei Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vor. Ob die mutmaßliche Schlüsselfigur der fragwürdigen Steuerkonstruktion am Prozess teilnehme, sei fraglich, weil die Schweiz wegen Steuerdelikten grundsätzlich nicht ausliefere.
LG Bonn – Masken-Kauf: Aktuell sind beim Landgericht Bonn 58 Klagen mit einem Gesamtstreitwert von rund 142 Millionen Euro anhängig, in denen Händler und Zulieferer von Covid-19-Schutzausrüstungen das vom Bund benutzte Verfahren beim Kauf der Utensilien angreifen. Dies meldet die FAZ (Marcus Jung) und beruft sich auf eine Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion.
LG Dortmund zu Mord: bild.de (Markus Brekenkamp/Michael Engelberg) beschreibt einen "Justiz-Irrsinn" am Landgericht Dortmund. Dort wurde am Montag ein Leistungsempfänger wegen eines 1994 begangenen Mordes zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Weil der Mann am Verfahren auch ohne Untersuchungshaft teilgenommen hatte, habe das Gericht keine Veranlassung gesehen, ihn bis zur Rechtskraft der jetzigen Entscheidung in Haft zu nehmen.
LG Berlin zu Raser: Das Landgericht Berlin hat einen 35-Jährigen wegen mehrfachem Diebstahl in einem besonders schweren Fall sowie Fahren ohne Führerschein zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt, die Strafe aber unter Vorbehalt einer mehrjährigen Entzugstherapie ausgesetzt. Der zunächst im Mittelpunkt des Interesses gestandene spektakuläre Unfall des Mannes, bei dem ein von ihm gesteuertes, gestohlenes Auto im Eingangsbereich eines U-Bahnhofs landete, war zwischenzeitlich eingestellt worden, schreibt spiegel.de (Wiebke Ramm). Das Gericht habe dem Angeklagten nun "eine letzte" Chance geben wollen, drogen- und straffrei zu leben.
LG Köln – Bayer-Anleger: Die Übernahme des US-Unternehmens Monsanto könnte für den Bayer-Konzern auch hierzulande ein juristisches Nachspiel haben. In einer dem Hbl (Bert Fröndhoff/Volker Votsmeier) vorliegenden, beim Landgericht Köln anhängig gemachten Klage fordert eine Investmentfirma 37 Millionen Euro Schadensersatz für Kurseinbrüche infolge der Prozessniederlagen Bayers in den USA. Wegen unzureichender Abbildung der durch den Monsanto-Kauf übernommenen Prozessrisiken in den jeweiligen Geschäftsberichten Bayers fordere auch ein weiterer Investor – ebenfalls am Landgericht Köln – eine Entschädigung.
Recht in der Welt
Liechtenstein – Amtsmissbrauch: Vor dem Kriminalgericht des Fürstentums Liechtenstein muss sich die von 2009 bis 2019 als Ministerin für Äußeres, Justiz und Kultur amtierende Aurelia Frick verantworten. Ihr und einem Mitarbeiter würden weit überhöhte Ausgaben für persönliche Coachings vorgeworfen, schreibt die SZ (Uwe Ritzer).
USA – Impeachment: Mit der Übergabe der Anklageschrift an den Senat ist das Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump nunmehr formell eingeleitet, schreibt die FAZ (Majid Sattar). Der Verfahrensbeginn wurde auf den 9. Februar festgelegt, mit der Leitung Patrick Leahy, der dienstälteste Senator der demokratischen Mehrheitsfraktion, betraut. Als Ankläger fungiert Jamie Raskin. Der Abgeordnete, lange als Professor für Verfassungsrecht tätig, wird von der SZ (Alan Cassidy) porträtiert.
Sonstiges
Heino und das Recht: Aus Anlass des nun 50-jährigen Bühnenjubiläums der "deutschen Kultfigur" Heino widmet sich Rechtsprofessor Antonio Miras im FAZ-Einspruch dem überraschend großen Beitrag des Schlagersängers "zum Kanon der deutschen Rechtswissenschaft". Mitte der achtziger Jahre stritt sich Heino erfolgreich mit einem "Wahren Heino" über das Recht zur Benutzung seines Namens, erst jüngeren Datums sind hiergegen die Auseinandersetzungen über sein Recht, die Werke jüngerer Pop-Kollegen zu covern. "Fast zu schön, um wahr zu sein" sei für nach anschaulichen Beispielen suchenden Lehrende jedoch Heinos Streit mit einer Versicherung über Ausgleichszahlungen für eine 2007 geplatzte Tournee.
Das Letzte zum Schluss
Unter Kollegen: In der vergangenen Woche verhaftete die Berliner Polizei den mutmaßlichen Räuber eines Smartphones an einem S-Bahnhof der Hauptstadt. Eine besondere Note erhält die von bild.de gemeldete Nachricht durch den Beruf des Festgesetzen: Der Mann ist bayerischer Polizist und seit längerem krankgeschrieben.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 27. Januar 2021: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44099 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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