Was folgt auf den Bruch der Ampelkoalition? Welche Folgen hat das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl? Am heutigen Donnerstag soll im Bundestag die Antisemitismus-Resolution verabschiedet werden.
Themen des Tages
Bruch der Ampel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundespräsidenten gebeten, Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu entlassen. Letzter Anlass war die Weigerung Lindners, die Lücke im Haushalt 2025 durch zusätzliche Kredite zu schließen. Scholz hatte vorgeschlagen, mit Blick auf die Situation in der Ukraine die Schuldenbremse auszusetzen, was Lindner jedoch ablehnte. Nach der Entlassung Lindners kündigte die FDP an, auch ihre übrigen Minister (darunter Justizminister Marco Buschmann) werden nun die Bundesregierung verlassen. SPD und Grüne bilden damit zunächst eine Minderheitsregierung. Kanzler Scholz will erst am 15. Januar die Vertrauensfrage stellen. Neuwahlen könnten im März nächsten Jahres stattfinden. Bis dahin will Scholz auch mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) über eine punktuelle Zusammenarbeit bei der Gesetzgebung für Wirtschaft und Verteidigung verhandeln. Es berichtet u.a. LTO. Mögliche Wege zu Neuwahlen schildern spiegel.de, zdf.de (Daniel Heymann) und LTO.
USA – Präsidentschaftswahl: LTO (Markus Sehl/Franziska Kring) und spiegel.de gehen der Frage nach, welche Auswirkungen Donald Trumps Wahlsieg auf die gegen ihn laufenden Strafverfahren und seine bereits erfolgte Verurteilung haben könnte. So ist umstritten, ob sich Trump als nächster Präsident selbst begnadigen könnte. Rechtsprofessor Franz C. Mayer legt auf LTO in einem Gastbeitrag dar, was Trumps Wahlsieg nicht nur für die Demokratie in den USA und weltweit, sondern auch für den US-Supreme Court bedeutet und warum auf der Justiz dennoch Hoffnung liegen könnte. LTO (Stefan Schmidbauer) befasst sich mit der Frage, welche Auswirkungen Trumps Wahlsieg auf Beratungsfelder und die Geschäftsentwicklung von Wirtschaftskanzleien haben könnte.
Stefan Kornelius (SZ) hält es für möglich, dass sich Trump an einer neuen Verfassung versuchen werde. Andernfalls werde er womöglich "immer und immer wieder" die derzeitige Verfassung brechen, "allein weil er es kann und weil er keinen Widerstand durch Parlament und Oberstes Gericht fürchten muss". Bernd Pickert (taz) befürchtet, dass Trump "unzählige" rechte Bundesrichter:innen ernennen und sein Sieg auf die autoritäre Rechte weltweit ausstrahlen werde. Er prognostiziert: "Und obendrein sicherte ihm der Oberste Gerichtshof nahezu absolute Immunität für alle Amtshandlungen zu. Das sind denkbar düstere Aussichten."
Rechtspolitik
Antisemitismus: Der Bundestag will am heutigen Donnerstag eine lange verhandelte Resolution gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens beschließen. Streitpunkt ist und war in erster Linie die Definition von Antisemitismus. Es berichten FAZ (Heike Schmoll), taz (Baha Kirlidokme), Zeit (Ijoma Mangold) und Welt (Boris Pofalla). Die SZ (Ronen Steinke) weist darauf hin, dass die JHRA-Definition von Antisemitismus, die auch israelbezogenen Antisemitismus einbezieht, nur noch "maßgeblich" sein soll und nicht mehr "zugrunde gelegt" werden soll. Dies sei eine Abschwächung und damit ein Kompromiss. Die Soziologieprofessorin Paula-Irene Villa Braslavsky bedauert im Interview mit der taz (Frederik Eikmanns), dass sich die Bundestags-Resolution nur auf eine bestimmte Definition von Antisemitismus beziehe und nicht mehrere Definitionen nebeneinanderstelle.
Eine Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Tikvah-Instituts befasst sich mit der Frage, ob der Kampf gegen Antisemitismus auch im Grundgesetz verankert werden sollte. Diskutiert wurden Staatsziele und neue Schranken für Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio geht davon aus, dass das Grundgesetz auch ohne Verfassungsänderung Eingriffe gegen Antisemitismus rechtfertige. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag ist nicht in Sicht, da die CDU/CSU-Fraktion eine entsprechende Verfassungsänderung ablehnt. Tsp (Jost Müller-Neuhof) und LTO (Christian Rath) berichten.
Wehrdienst: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Zustimmung des Bundeskabinetts zu seinem Gesetzentwurf erhalten, der vorsieht, dass alle jungen Männer, die vom kommenden Jahr an 18 Jahre alt werden, in einem digitalen Fragebogen Auskunft über ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit zum Militärdienst geben müssen. Für junge Frauen ist das Ausfüllen optional. Das Vorhaben ist ein Baustein, um im Ernstfall 460.000 Soldaten unter Waffen zu haben. Es berichten FAZ (Peter Carstens), Hbl (Frank Specht) und LTO.
Reinhard Müller (FAZ) nennt das Vorhaben sinnvoll, findet es aber befremdlich, warum Frauen nicht verpflichtend erfasst werden sollen. Denn es gehe nicht in erster Linie darum, "zwangsweise einen hohlen Dienst für ein ungeliebtes System zu verrichten – sondern jeden nach seinen Fähigkeiten so einzusetzen, dass jeder weiter frei und gut leben kann".
Asyl/GEAS: Das Kabinett beschloss am Mittwoch zwei Gesetzentwürfe von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Anpassung des deutschen Rechts an das Gemeinsame Europäische Asylsystem. Nach Darstellung der taz (Frederik Eikmanns) gehen die Gesetzentwürfe über das Erforderliche hinaus. So sollen etwa die sogenannten Grenzverfahren unter Haftbedingungen für Geflüchtete aus Ländern mit einer Schutzquote unter 20 Prozent an deutschen Flughäfen durchgeführt und die Grenzverfahren auch auf weitere Fälle ausgeweitet werden. Die Verfahren sollen noch vor Inkrafttreten der GEAS-Reform 2026 beginnen. Zudem soll die Möglichkeit ausgeweitet werden, die Bewegungsfreiheit von Geflüchteten einzuschränken. Menschenrechtler:innen kritisieren die Pläne scharf.
Sicherheitspaket/Gesichtserkennung: Im Interview mit beck-aktuell (Monika Spiekermann) spricht der Rechtsprofessor Hartmut Aden über den Fortgang beim sogenannten Sicherheitspaket. Die geplante polizeiliche biometrische Gesichtserkennung anhand aller Fotos im Internet, der der Bundesrat nicht zugestimmt hat, sieht er kritisch. So müsse bei Befugnissen von Sicherheitsbehörden stets bedacht werden, dass Folgemaßnahmen für die Betroffenen sehr weitreichende Konsequenzen haben und solche Software auch zu Verletzungen der Privatsphäre verwendet werden und "möglicherweise sogar Stalking oder Mobbing erleichtern" könnte.
Gewalt gegen Frauen: Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat einen Gesetzentwurf für ein Gewalthilfegesetz vorgelegt, das den Zugang zu Schutz und Beratung in Fällen von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen garantieren soll. Bislang gibt es keine einheitliche Vorgabe zur Finanzierung von Gewaltschutzmaßnahmen. Mit dem neuen Gesetz soll der Bund an den Kosten der Länder beteiligt werden. Die FDP reagierte verhalten auf den Entwurf. Es berichten taz (Patricia Hecht) und spiegel.de (Milena Hassenkamp).
Batterien: Wie die FAZ (Katja Gelinsky) berichtet, tritt im August die EU-Batterieverordnung in Kraft, die in einem einzigen Rechtsakt über die gesamte Wertschöpfungskette regelt, was für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft erforderlich ist. Händler:innen müssen so demnächst u.a. sicherstellen, dass Batterien eine verpflichtende Kennzeichnung haben, die die Konformität mit den neuen Anforderungen bescheinigt. Die Pläne stießen in der deutschen Autoindustrie auf Kritik.
Justiz
BGH zu Online-Drogenshop Candylove: Nun berichtet auch der wissenschaftliche Mitarbeiter Roman Fiedler auf LTO über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, mit der dieser das Urteil gegen den als Kinderzimmer-Dealer bekannt gewordenen Maximilian Schmidt aufhob. Das Landgericht Leipzig habe eine Verurteilung wegen bandenmäßiger Begehung nicht erörtert. Außerdem unterfalle der vom Urteil umfasste Handel mit Haschisch nach erfolgter Cannabislegalisierung nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz, sondern unter das KCanG. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch bestehen. Schmidt war wegen seines zweiten Online-Drogenshops "Candylove" im Mai vom Landgericht Leipzig zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
BGH zu Kündigung durch Genossenschaftsbank: Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine Genossenschaftsbank auch die Verträge solcher Kund:innen kündigen darf, die selbst Mitglied der Genossenschaft sind oder waren. Gesetzliche Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen stünden dem ebenso wenig entgegen wie das Genossenschafts- oder das Zahlungskontengesetz. beck-aktuell (Joachim Jahn) berichtet.
LAG München zu technischer Ausrüstung für Betriebsrat: Die Rechtsanwältin Ramona Segler stellt im Expertenforum Arbeitsrecht einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts München von Ende letzten Jahres vor, wonach der Betriebsrat vom Arbeitgeber zur Ermöglichung der Video-Teilnahme seiner Mitglieder an Betriebsratssitzungen die Überlassung von je einem Tablet oder Notebook je Betriebsratsmitglied verlangen kann. Dies setze jedoch voraus, dass sich der Betriebsrat eine Geschäftsordnung gegeben hat, die u.a. regelt, unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitglieder virtuell an einer Betriebsratssitzung teilnehmen können.
VG Weimar – Sonderurlaub für Mitarbeit in AfD: Weil er keinen unbezahlten Sonderurlaub für seine Mitarbeit in der AfD-Landtagsfraktion erhielt, erhob ein Polizist Klage gegen das Thüringer Innenministerium vor dem Verwaltungsgericht Weimar, so spiegel.de. Das Ministerium habe seine Entscheidung damit begründet, dass die Thüringer AfD vom Verfassungsschutz inzwischen als erwiesen rechtsextrem eingestuft werde. Zuvor – in den Jahren 2015 und 2019 – war dem Mann für die Arbeit bei der AfD-Fraktion noch Sonderurlaub genehmigt worden.
LG Frankfurt/M. - "Sommermärchen" und Steuerhinterziehung: Die SZ (Johannes Aumüller u.a.) berichtet ausführlich über Hintergründe, Verdachtslage und laufende Prozesse vor dem Landgericht Frankfurt/M. gegen den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger sowie den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt.
GBA – Messerattacke in Mannheim: Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen den 25-jährigen Afghanen Suleiman A. u.a. wegen Mordes sowie fünffachem versuchten Mordes erhoben, meldet LTO. A. hatte im Mai in Mannheim fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung "Pax Europa" mit einem Messer angegriffen und den eingreifenden Polizisten Rouven L. tödlich verletzt. Laut GBA hege A. Sympathien für den IS und teile dessen Ideologie.
GBA – Sächsische Separatisten: Über die vom Generalbundesanwalt veranlasste Festnahmen von acht Beschuldigten in Sachsen wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung, darunter drei Mitglieder der AfD, berichten nun ausführlich auch die Zeit (Christian Fuchs/Astrid Geisler u.a.) und spiegel.de (Maik Baumgärtner/Ann-Kathrin Müller u.a.). Die AfD-Führung wolle die Parteimitglieder ausschließen, so die FAZ (Friederike Haupt/Stephan Löwenstein).
StA Augsburg – JVA Gablingen: Nach den Berichten über Misshandlungen von Häftlingen in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen hat die Staatsanwaltschaft Augsburg die strafrechtlichen Ermittlungen nun ausgeweitet, so spiegel.de. Es gebe Hinweise darauf, dass nach der ersten Razzia in der Haftanstalt Unterlagen geschreddert wurden. Inzwischen werde daher nicht mehr nur gegen zehn, sondern gegen 16 Beschuldigte ermittelt.
Recht in der Welt
USA – Schwangerschaftsabbruch: Zeitgleich mit den US-Präsidentschaftswahlen wurde in zehn US-Bundesstaaten darüber abgestimmt, ob das Recht auf Abtreibungen in die Landesverfassung aufgenommen werden sollte. Die Abstimmung ist Folge der Entscheidung aus 2022, mit der der US-Supreme Court sein Urteil Roe versus Wade kippte. Seitdem sind die einzelnen Bundesstaaten für die Gesetzgebung zuständig. FAZ (Sara Wagener), taz (Carolina Schwarz) und spiegel.de geben einen Überblick über die Ergebnisse der Abstimmung in den jeweiligen Bundesstaaten. In sieben von zehn Staaten hatten die liberalen Initiativen Erfolg.
Schweiz – Verhüllung: In der Schweiz gilt ab dem 1. Januar 2025 ein Verbot zur Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum. Dies hat der Schweizer Bundesrat laut spiegel.de beschlossen. Das Gesetz geht auf eine Volksabstimmung aus dem Jahr 2021 zurück. Wer das Verbot missachtet, muss mit einer Geldbuße von umgerechnet rund 1000 Euro rechnen. Das Verbot beinhalte nicht nur religiöse Gesichtsschleier, sondern gelte etwa auch für Hooligans oder gewalttätige Demonstrierende, die sich vermummen.
Japan – Fahrrad und Smartphones: In Japan trat laut Hbl (Martin Kölling) am 1. November ein Gesetz in Kraft, das das Radfahren mit dem Handy in der Hand oder in Sichtweite mit Geldstrafen von umgerechnet rund 600 Euro oder Freiheitsstrafen bestraft. Drei Jahre Haft drohen bei Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss. Auch eine Handyhalterung am Lenker schütze grundsätzlich nicht mehr vor Strafe.
Juristische Ausbildung
Jura-Bachelor BaWü: Die baden-württembergische Regierungskoalition von Grünen und CDU möchte laut spiegel.de das Landeshochschulgesetz ändern, damit Universitäten den Jura-Bachelor einführen können, der verhindern soll, dass Jurastudierende, die das erste Staatsexamen endgültig nicht bestehen, ohne Abschluss dastehen. Auch andere Bundesländer wie Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland planen ein entsprechendes Angebot.
Sonstiges
Körperschmuck und Arbeitsrecht: Die Welt (Isabel Fisch) gibt einen Überblick darüber, wie Arbeitgeber auf Tattoos und Piercings bei ihren Beschäftigten reagieren können, und legt dar, in welchen Fällen sogar eine Kündigung infrage kommt.
Organisierte Kriminalität: Im Interview mit der Zeit (Fritz Zimmermann) spricht der scheidende Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock über die Gefahren organisierter Kriminalität, über die Geldsumme, die diese im Schnitt jährlich durch das Finanzsystem schleust und über Wege und Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Marine-Hauptquartier: Der Rechtsprofessor Heiko Meiertöns und der Wissenschaftler Sebastian Bruns erläutern auf dem Verfassungsblog, warum die Einrichtung des neuen maritimen taktischen Hauptquartiers CTF Baltic in Rostock nicht gegen die Klausel im Zwei-plus-Vier-Vertrag verstößt, dass keine ausländischen Nato-Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert werden dürfen. Die Einbindung einzelner Verbindungsoffiziere aus anderen NATO-Mitgliedstaaten in eine deutsche Dienststelle verstoße nicht gegen die Stationierungsklausel.
Das Letzte zum Schluss
Süßes Diebesgut: Nachdem bereits im September in ihrem Leipziger Restaurant eingebrochen worden war, installierte eine Gastronomin eine Überwachungskamera. Und tatsächlich erfolgte ein zweiter Einbruch. Während die Polizei ermittelt, bot die Restaurantinhaberin an, den Einbrechern abends einige Portionen Tiramisu auf die Fensterbank zu stellen, sofern sie rechtzeitig Bescheid sagten. Dies könnte tatsächlich die Lösung sein, denn bis auf etwa zehn Portionen des italienischen Desserts wurde bei den Einbrüchen nichts gestohlen. spiegel.de (Peter Maxwill) berichtet.
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LTO/bo/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 7. November 2024: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55807 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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