Die juristische Presseschau vom 18. Oktober 2024: Ini­tia­tive für AfD-Verbot kommt später / Gesetz­ent­wurf zu § 218 StGB / EuGH zu Cheat-Soft­ware

18.10.2024

Initiator:innen eines AfD-Verbotsantrags wollen diesen frühestens Mitte November einbringen. Mehrere Organisationen legten Gesetzentwurf zur Legalisierung von Abtreibungen vor. Cheat-Software verstößt nicht automatisch gegen Urheberrecht.

Thema des Tages

AfD-Verbot: Die Befürworter:innen eines AfD-Verbotsverfahrens im Bundestag haben ihren Entwurf eines Verbotsantrags öffentlich gemacht und suchen weitere Unterstützer:innen. Federführend sind die Abgeordneten Marco Wanderwitz (CDU), Carmen Wegge (SPD), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Linke) und Stefan Seidler (SSW). Sie wollen den Gruppenantrag frühestens Mitte November in den Bundestag einbringen. Die Initiator:innen hoffen auf eine neue Dynamik für die Verbotsforderung durch ein neues AfD-Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz, das in den nächsten zweieinhalb Monaten veröffentlicht werden soll. Möglicherweise wird der Verfassungsschutz die AfD-Bundespartei als gesichert extremistische Bestrebung einstufen. SZ (Markus Balser/Roland Preuß), taz (Konrad Litschko/Sabine am Orde) und LTO (Joschka Buchholz) berichten. 

Die taz (Christian Rath) beschreibt Ablauf, Hürden und Maßstäbe eines Parteiverbotsverfahrens. Dieses sei kein unverbindliches "Prüfverfahren".

Ronen Steinke (SZ) plädiert für einen Parteiverbotsantrag. Man müsse jetzt das Bundesverfassungsgericht "auf den Verdacht blicken lassen". Roland Preuß (SZ) warnt vor einem Verbotsantrag. Bis zur Entscheidung könne die AfD alle Wahlen als “letzte freie Wahlen" darstellen. Gareth Joswig (taz) kommentiert, das Verbot einer verfassungswidrigen Partei sei keine politische Frage, sondern "ein grundsätzlicher Schutzmechanismus unserer Verfassung als eine direkte Lehre aus der faschistischen NS-Diktatur". Dieser Schutzmechanismus sei "ein Gebot".

Rechtspolitik

Schwangerschaftsabbruch: Ein Bündnis von 26 Organisationen (u.a. Pro Familia und der Deutsche Frauenrat) hat einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vorgelegt. Abtreibungen sollen bis zur 22. Schwangerschaftswoche straffrei möglich sein. Ein Rechtsanspruch auf Beratung für ungewollt Schwangere soll die bisherige Pflichtberatung für abtreibungswillige Frauen ersetzen. An dem Entwurf waren die Rechtsprofessorinnen Friederike Wapler, Liane Wörner und Maria Wersig beteiligt. Der Vorschlag stimmt mit den Empfehlungen einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission überein, die sich ebenfalls für eine umfassende Liberalisierung ausgesprochen hatte. SZ (Wolfgang Janisch), taz (Dinah Riese) und LTO berichten.

Asyl/GEAS: Beim EU-Gipfel zur Migration sprach sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unter anderem für eine Umsetzung der europäischen Asylrechtsreform vor 2026 und eine Erleichterung von Abschiebungen aus. Von Rückkehrzentren für abgelehnte Asylsuchende in Drittstaaten distanzierte er sich jedoch; im Gegensatz zu den meisten anderen Staats- und Regierungschefs. Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte den Entwurf für eine verschärfte EU-Rückführungsrichtlinie an. Es berichten SZ (Jan Diesteldorf/Josef Kelnberger), FAZ (Thomas Gutschker) und Welt (Stefan Beutelsbacher/Christoph B. Schiltz).

Daten über Strafverfahren: Wie LTO schreibt, sollen künftig aussagekräftige Daten für verschiedene Abschnitte des Strafverfahrens erfasst und veröffentlicht werden. Dies sieht ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Strafrechtspflegestatistikgesetz (StrafStatG) vor, der nun den Ländern und Verbänden zur Prüfung zugeleitet wurde. Die Statistik soll unter anderem als Datenquelle für die kriminologische Forschung dienen.

Sicherheitspaket: An diesem Freitag soll im Bundestag das so genannte Sicherheitspaket verabschiedet werden. Nun stellt es auch die FAZ (Mona Jaeger) in einem Frage-Antwort-Format vor.

BGH-Leitentscheidungsverfahren: Am heutigen Freitag wird der Bundesrat über das vom Bundestag im September beschlossene Gesetz zur Einführung von BGH-Leitentscheidungsverfahren beraten, das unter anderem vorsieht, dass der Bundesgerichtshof ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren per Beschluss zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen kann. Der Rechtsanwalt Michael Zoller stellt auf beck-aktuell das Verfahren vor.

Bürokratieabbau: Am heutigen Freitag wird der Bundesrat über das Bürokratie-Entlastungsgesetz IV abstimmen, das der Bundestag Ende September beschlossen hat. Laut spiegel.de hat die Bürgerbewegung Finanzwende die Bundesländer aufgefordert, Widerstand gegen das Vorhaben zu leisten, das unter anderem vorsieht, Buchungsbelege und Rechnungen nur noch acht statt zehn Jahre aufzubewahren. Der Verein befürchtet, dass die Pläne die Aufklärung schwerer Steuerdelikte wie Cum-Ex und Cum-Cum-Aktiendeals, bei denen Belege wichtige Beweise seien, vereiteln könnte. 

Quick Freeze: Über den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums, mit dem das Quick-Freeze-Verfahren in § 100g der Strafprozessordnung eingeführt werden soll, berichtet nun auch die taz (Christian Rath).

Menschenhandel: Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert Verfahren, um sicherzustellen, dass Opfer von Menschenhandel in Deutschland schneller Zugang zu ihren Rechten erhalten. Hieran mangele es derzeit nach einem von dem Institut vorgestellten Bericht, der erstmals alle verfügbaren Daten zu diesem Thema zusammenfasst. Die Bundesregierung kündigte die Verabschiedung eines Aktionsplans gegen Menschenhandel im kommenden Frühjahr an. Damit soll der Schutz Betroffener verbessert und die Strafverfolgung effizienter werden. Es schreibt LTO.

Mutterschutz bei Fehlgeburt: Die Soziologin Julia Böcker fordert auf dem Verfassungsblog eine gesetzgeberische Regelung des Mutterschutzes bei Fehlgeburten nach dem gestaffelten Modell des Bundesrats und erläutert Hintergründe und Herausforderungen eines solchen Schritts.

Im Leitartikel kritisiert Verena Töpper (spiegel.de), dass Frauen, die vor dem sechsten Schwangerschaftsmonat ein Kind verlieren, nicht als Mutter gelten und damit auch keinen Anspruch auf Mutterschutz haben. Dies sei "herzlos" und ein "weiterer Beleg für die gescheiterte Familienpolitik der Ampelregierung".

Justiz

EuGH zu Cheat-Software für Konsolen: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das Anbieten von Cheat-Software, die das Schummeln bei Computerspielen erlaubt, nicht automatisch gegen das Urheberrecht verstößt. Cheat-Software ist zulässig, wenn sie nur temporär Daten im Arbeitsspeicher einer Konsole verändert. Der PlayStation-Hersteller Sony hatte in einer Cheat-Software einen unzulässigen Eingriff in das Urheberrecht an seiner Spiel-Software gesehen und Schadensersatz gefordert. Die endgültige Entscheidung über den Fall liegt nun beim BGH, der die Frage dem EuGH vorgelegt hatte. Es berichten tagesschau.de (Christoph Kehlbach), beck-aktuell (Claas Oehler) und LTO.

VGH BaWü zu Grabskulptur: Nun berichtet auch LTO über ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, wonach eine bunte Grabskulptur gegen die Friedhofssatzung verstoße und den Ort entwürdige. 

OLG Saarbrücken zu Wiederaufnahme trotz drohender Einweisung: Auch wenn statt sechsjähriger Freiheitsstrafe ein Freispruch und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus möglich sind, ist die Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten zulässig. Dies entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken und sah in dem Wiederaufnahmeverfahren keine Verschlechterung der Situation des Verurteilten. beck-aktuell berichtet.

LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: spiegel.de berichtet über den Fortgang des Wirecard-Prozesses vor dem Landgericht München I, bei dem ein Mitarbeiter der Unternehmensberatung FTI Andersch nun aussagte, dass aus dem Kapital von Wirecard zwischenzeitlich etwa zehn Millionen Euro pro Woche verschwunden seien.

StA Darmstadt – Rapper Haftbefehl: Wie die FAZ (Sebastian Eder) berichtet, hat der Rapper Haftbefehl gegenüber den Ermittlungsbehörden eingeräumt, Ende Januar am Steuer eines Autos gesessen zu haben, das die Glasfront eines Cafés in Darmstadt durchbrochen hatte, und sich anschließend unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hatte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen den 38-jährigen Musiker eingeleitet. Er habe ausgesagt, zur Tatzeit wegen einer Krankheit unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden zu haben.

Intensivtäter:innen in Regensburg: Die Welt (Per Hinrichs) schreibt über ein bei der Staatsanwaltschaft Regensburg eingerichtetes Referat, in dem Intensivstraftäter:innen verfolgt werden, die zu großen Teilen aus Tunesien stammen.

Justiz BaWü: Laut einer Umfrage, die die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) am Dienstag vorstellte, empfinden 59 Prozent der Befragten die Dauer der Gerichtsverfahren in BaWü als zu lang. 41 Prozent halten die Justiz insgesamt für "überfordert". Immerhin 38 Prozent halten die Justiz für "gerecht". LTO berichtet.

Recht in der Welt

USA – Präsidentschaftswahlen/Georgia: Richter Thomas Cox aus dem Fulton County hat im Bundesstaat Georgia die umstrittene Handauszählung der US-Präsidentschaftswahl als "verfassungswidrig" gestoppt. Die staatliche Wahlkommission von Georgia, die die Regeln mit einer republikanischen Mehrheit verabschiedet hatte, sei nicht dazu befugt gewesen. Demokrat:innen und Bürgerrechtsorganisationen hatten geklagt. LTO berichtet.

USA – Mexikos Ex-Sicherheitsminister: Laut FAZ (Christiane Heil) und spiegel.de wurde der ehemalige mexikanische Sicherheitsminister Genaro García Luna wegen seiner Zusammenarbeit mit einem Drogenkartell in New York zu mehr als 38 Jahren Haft verurteilt. Der zuständige Richter verhängte zudem eine Geldstrafe von rund zwei Millionen US-Dollar. 

Großbritannien – Sterbehilfe: Die taz (Daniel Zylbersztajn-Lewandowski) schreibt über den Gesetzentwurf der britischen Labour-Abgeordneten Kim Leadbeater zur Sterbehilfe. Sie schlägt vor, Menschen, deren Lebenserwartung aufgrund einer Krankheit im Endstadium nicht mehr als ein halbes Jahr beträgt, die Sterbehilfe zu ermöglichen. Dies soll jedoch nicht für Menschen mit Behinderung, psychischen Krankheiten oder hohem Alter gelten. Am 29. November soll im Unterhaus über den Gesetzentwurf diskutiert und abgestimmt werden. Die Mehrheit der Brit:innen sprach sich für das Gesetzesvorhaben aus.

Italien – Leihmutterschaft: Das italienische Verbot der Leihmutterschaft galt bislang nur im Inland, soll nun jedoch auf die Inanspruchnahme einer Leihmutter im Ausland erweitert werden - selbst wenn die Leihmutterschaft dort legal ist. Die SZ (Marc Beise) berichtet. 

Chantalle El Helou (taz) hält das Verbot der Leihmutterschaft im Ausland auch in Deutschland für sinnvoll und konstatiert: "Es gibt kein Recht auf ein Kind und keins auf die Benutzung des Körpers eines anderen Menschen."

Juristische Ausbildung

Examensanmeldung Hessen: LTO-Karriere (Marcel Schneider) berichtet über die Pläne des Landesjustizministeriums Hessen, die Anmeldung zum juristischen Staatsexamen verbindlicher zu machen, um zu verhindern, dass diese kurzfristig zurückgenommen wird und dadurch ein hoher, aber vermeidbarer Verwaltungsaufwand entsteht. Vorgesehen ist, dass Prüflinge ihre Anmeldungen nach verstrichener Meldefrist nicht mehr zurückziehen können und dass die Anmeldung zurückgewiesen wird, sollten Unterlagen fehlen. Jurafachschaften der hessischen Universitäten kritisieren die Pläne und berufen sich auf ein "Recht auf Flexibilität und Prüfungsfreiheit".

Sonstiges

Informationen zum Ukrainekrieg: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet über die Vorwürfe des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter, wonach der Bundesnachrichtendienst bewusst pessimistische Lagebilder zur Situation der Ukraine verbreite. Damit solle suggeriert werden, dass eine weitere Unterstützung der Ukraine nichts mehr bringe. Das Instrument, das der BND dafür nutze, seien sogenannte Hintergrundgespräche mit Journalist:innen. Auch das Bundeskanzleramt solle sich daran beteiligt haben, Informationen zum Ukrainekrieg über vertrauliche Kontakte zu "streuen".

Abschiebungen nach Syrien: In einem Frage-Antwort-Format analysiert die SZ (Raphael Geiger) Abschiebungen nach Syrien nur schwer zu realisieren und rechtlich zweifelhaft wären. Die Türkei habe es leichter, dorthin geflüchtete Syrer:innen, in ihre Heimat zurückzuschicken. 

Das Letzte zum Schluss

Honigspur: Der Einbruch in eine Schule in Hemsbach bei Mannheim war schnell aufgeklärt. Der Täter war auf der Suche nach Wertgegenständen auf Honiggläser gestoßen, die er dann mitnehmen wollte, aber fallen ließ. Die süß-klebrige Spur führte zu einem benachbarten Wohnhaus. Der Mannheimer Morgen berichtet. 

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/bo/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Oktober 2024: . In: Legal Tribune Online, 18.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55660 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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