Das BVerwG setzte den Vollzug des Verbots der Compact-Magazin GmbH aus. Das thailändische Verfassungsgericht setzte Premierminister Srettha Thavisin ab. Laut einem Gutachten gilt das Neutralitätsgebot nicht für staatlich geförderte NGOs.
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BVerwG zu Compact-Verbot: Das Bundesverwaltungsgericht setzte im Eilverfahren den Vollzug des von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Juli verfügten Verbots der Compact-Magazin GmbH aus, die das rechtsextremistische Magazin Compact herausgibt. Zwar gebe es Anhaltspunkte für "eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen", allerdings sei zweifelhaft, ob das Verbot in Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit verhältnismäßig ist, denn die Compact-Beiträge, die die Menschenwürde verletzen, seien möglicherweise für das Magazin nicht prägend. Eine endgültige Entscheidung erfolgt erst im Hauptsacheverfahren. Es berichten FAZ (Marlene Grunert), FAZ (Michael Hanfeld), Welt (Tim Daldrup), sz.de (Wolfgang Janisch), LTO (Markus Sehl/Joschka Buchholz), beck-aktuell (Maximilian Amos), tagesschau.de (Max Bauer), taz-blogs (Detlef Georgia Schulze), zeit.de (Tilman Steffen), focus.de und bild.de (Nils Heisterhagen/Nadja Aswad). spiegel.de (Rasmus Buchsteiner) gibt die kritischen Reaktionen von FDP- und CDU-Politiker:innen zu Faesers Verbot wieder.
Reinhard Müller (FAZ) meint, die "Regierung sieht vor lauter Verbotszonen das Grundgesetz nicht mehr". Christian Rath (taz) findet es – "bei aller Ablehnung der Inhalte von Compact" – "gut, dass es für Medienverbote besonders hohe Hürden" gibt. Markus Sehl (LTO) begrüßt, dass das BVerwG in einer derart demokratierelevanten Frage so schnell entschieden hat. Wenn das BVerwG vor einem Totalverbot erst die Prüfung von Einzelmaßnahmen verlange, ermögliche dies den Gerichten auch eine bessere Vorabkontrolle. Hugo Müller-Vogg (focus.de) weist darauf hin, dass Faeser "sich scharf kritisierter Tricks bediente". Mit ihrem fehlerhaften Vorgehen "liefert sie denen Argumente frei Haus, die vom Rechtsstaat ohnehin nichts halten". Auch Julian Röpcke (bild.de) betont, dass Faeser "diejenigen stärkt, die sie eigentlich schwächen wollte: Radikale am rechten Rand".
Rechtspolitik
DDR/Entschädigung: Das Bundeskabinett beschloss laut beck-aktuell und spiegel.de einen Gesetzentwurf zur Errichtung eines Härtefallfonds mit einem Volumen von einer Million Euro, durch den Opfer des SED-Regimes entschädigt werden sollen.
Wohnungsdurchsuchungen: Nun schreiben auch sz.de (Markus Balser), Welt, netzpolitik.org (Constanze Kurz) und spiegel.de über den Referentenentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der dem Bundeskriminalamt die Befugnis zu heimlichen Wohnungsdurchsuchungen zur Terrorabwehr geben will. Kritiker:innen sehen rechtsstaatliche Probleme.
Gesichtserkennung: Nun nimmt auch Holger Stark (Zeit) zum Referentenentwurf von Innenministerin Faeser Stellung, öffentlich zugängliche Fotos aus dem Internet für einen biometrischen Abgleich mit Fahndungsfotos zu nutzen. Er meint, dass das "neue Gesetz die Polizei endlich in die Gegenwart katapultieren würde". Statt über das "Ob" des Einsatzes zu diskutieren, müssten vielmehr die Modalitäten festgelegt werden, um "unbescholtene Bürger" zu schützen.
Messer: Das von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geplante Verbot von Messern mit einer Klinge von mehr als sechs Zentimetern beschäftigt weiterhin die Medien. Laut Zeit (Julia Kanning/Simon Langemann) ist der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) skeptisch, weil auch Messer mit einer Klinge von sechs Zentimetern töten können und Menschen trotz Verbots illegale Waffen bei sich tragen. Ein Verbot könnte der Bevölkerung fälschlicherweise suggerieren, das Problem sei gelöst. Im Interview mit spiegel.de (Swantje Unterberg) spricht sich der Hamburger Polizeigewerkschafter Lars Osburg für die Einrichtung von Waffenverbotszonen aus. Laut bild.de (Lena Glöckner) begründet Faeser die geplante zulässige Länge damit, dass "sechs Zentimeter okay ist. Das ist ein kleines Obstmesser".
Klaudia Lagozinski (taz) findet, dass "Faeser sich realitätsblind" zeige, weil Menschen, die andere verletzen wollen oder traumatisiert sind, weiterhin mit anderen Mitteln Wege finden werden. Sie meint, dass "niedrigschwellige psychologische Angebote" und "Kurse zu gewaltfreier Kommunikation an Schulen" nachhaltiger wirken als der Versuch Faesers, "ein weitreichendes Problem mit einer einfachen Lösung abzuspeisen".
Antisemitismus: Ijoma Mangold (Zeit) befasst sich mit der vom Bundestag geplanten Resolution gegen Antisemitismus. Man solle "die Macht der Symbole nicht unterschätzen". Er meint, dass "es angesichts eines so aufgeladenen gesellschaftlichen Konflikts" keine optimale Lösung geben kann, "würdigt" aber "das Ringen" des Bundestages um den Inhalt der komplizierten Resolution.
Cybersicherheit: Im Interview mit beck-aktuell (Monika Spiekermann) gibt der IT-Rechtsanwalt Stephan Schmidt einen Überblick über den Stand der Cybersicherheit in Deutschland und ordnet aktuelle Regulierungsvorhaben ein. Mitte Juli stellte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der zweiten EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit vor, der Mindestanforderungen im Bereich Cybersicherheit vorschreibt. Schmidt bemängelt, dass der Gesetzentwurf an vielen Stellen noch zu unkonkret sei.
Justiz
OLG Düsseldorf zu Umsturzplänen/Vereinte Patrioten: Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den 50-jährigen Installateur Marc G. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Er war Mitglied der rechtsextremen "Kaiserreichsgruppe", die aus der Chatgruppe "Vereinte Patrioten" hervorging. Die Gruppe plante weit reichende Stromausfälle, die Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) und einen Umsturz. G. hatte ein Geständnis abgelegt und auch im Hauptverfahren vor dem OLG Koblenz gegen andere Mitglieder der Gruppe ausgesagt. Bereits im vergangenen Oktober wurde der Haftbefehl gegen G. unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt; die Verteidigung beantragte nun, die Reststrafe im offenen Vollzug verbüßen zu lassen. Es berichten FAZ (Reiner Burger), LTO, beck-aktuell und spiegel.de.
OVG Berlin-BB zu Verkauf von Pille danach: Auf dem JuWissBlog setzt sich Marcel Bodewig mit dem Ende Juni ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg auseinander, wonach ein selbstständiger Apotheker nicht unter Berufung auf die Gewissensfreiheit die Ausgabe der "Pille danach" verweigern darf. Der Apotheker hatte Kund:innen Zettel mit seinen christlichen Überzeugungen gegen Schwangerschaftsabbrüche zugesteckt, anstatt seiner aus § 1 Apothekengesetz folgenden Pflicht zur "ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung" nachzukommen und das Verhütungsmittel bereitzustellen. Bodewig begrüßt das Urteil, das sicherstellt, dass "gesetzliche Regelungen zur Versorgung der Gesellschaft nicht ausgehöhlt werden".
LG Leipzig zu Gil Ofarim: Nach Informationen von spiegel.de und bild.de (Stephan Kürthy) hat der Sänger Gil Ofarim die im Verfahren wegen falscher Verdächtigung gegen ihn verhängte Geldauflage in Höhe von 10.000 Euro doch noch bezahlt.
LG Osnabrück - Steuerhinterziehung in der Gastronomie: spiegel.de (Torsten Kleinz) schildert anhand von Verfahren vor dem Landgericht Osnabrück, wie Gastwirte seit Inkrafttreten des Kassengesetzes 2020 mit Hilfe professioneller Software ihre Umsätze und damit ihre Steuerpflicht illegal reduzieren. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg sei bundesweit führend bei der Aufdeckung solcher Praktiken.
GBA – Sprengung von Nord-Stream-2: Polen hat von der Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl gegen Wolodymyr Z. erhalten, der der Mitwirkung an der Sprengung der Nord-Stream-2-Pipeline verdächtigt wird. Bereits im Juni erließ der Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen den bis dato in Polen lebenden ukrainischen Tauchlehrer, der sich mittlerweile in die Ukraine abgesetzt haben soll. Es berichten FAZ (Marlene Grunert), taz (Konrad Litschko), Hbl (Dana Heide u.a.), Welt (Dirk Banse u.a.), Zeit (Luisa Hommerich u.a.), LTO, spiegel.de (Jörg Diehl u.a.) und bild.de.
Reinhard Veser (FAZ) betitelt die Ermittlungsergebnisse als "politischen Sprengstoff". Er befürchtet Probleme im deutsch-ukrainischen und deutsch-polnischen Verhältnis und mahnt deshalb zu Geschlossenheit: "Das russische Regime kann nur durch gemeinsames Handeln gestoppt werden". In einem separaten Beitrag meint Dirk Banse (Welt), dass der Fall mit Erlass des Europäischen Haftbefehls "keinesfalls gelöst ist", sondern "noch zu viele Ungereimtheiten und offene Fragen" bleiben.
GenStA Frankfurt/M. zu Documenta 15: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. bestätigte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Kassel, mangels Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat kein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche und Künstler:innen der Documenta 15 einzuleiten. Den Organisator:innen und Künstler:innen wurde wegen antisemitischer Darstellungen Volksverhetzung und Beleidigung vorgeworfen, so die FAZ.
Wirecard/Managementhaftpflichtversicherung: Nach Informationen des Hbl (René Bender/Volker Votsmeier) müssen insgesamt 17 ehemalige Wirecard-Führungskräfte voraussichtlich die seit Frühjahr 2024 anfallenden Kosten, darunter Anwaltskosten und mögliche Schadenersatzzahlungen, selbst übernehmen, weil die Managerhaftpflichtversicherungen die Zahlung verweigern. Die Deckungssumme von Markus Brauns Grundversicherer Chubb ist nun aufgebraucht und andere Versicherungen sehen sich nicht in der Pflicht. Vor dem Landgericht Frankfurt/M. und dem Landgericht Düsseldorf sind bereits jeweils Klagen gegen die Versicherer eingereicht.
Recht in der Welt
Thailand – Verfassungsgericht vs. Regierungschef: Das thailändische Verfassungsgericht setzte den Ministerpräsidenten Srettha Thavisin ab, weil er einen im Rahmen eines Bestechungsskandals vorbestraften Politiker zum Minister ernannte. Damit habe Thavisin nach Ansicht von fünf der insgesamt neun Richter:innen gegen allgemeine ethische Grundsätze verstoßen. Es berichten FAZ (Till Fähnders), taz, Hbl (Mathias Peer), spiegel.de (Maria Stöhr), zeit.de und bild.de.
Irland – X-Mitarbeiter: Ein Gericht in Dublin sprach einem ehemaligen X/Twitter-Angestellten eine Entlassungsentschädigung in Höhe von mehr als 550.000 Euro zu, weil seine Kündigung unwirksam war. Der Mitarbeiter hatte Ende 2022 nicht auf einen von dem neuen Twitter-Eigner Elon Musk via Mail geforderten indirekten Treueschwur geklickt – unter anderem, weil er dachte, dass es sich dabei um eine Spam-Mail handle. Drei Tage später erhielt er eine Mail, die eine Bestätigung über sein angebliches "Angebot der freiwilligen Trennung" enthielt, wie spiegel.de die Umstände wiedergibt.
Uganda – LRA-Kommandeur: Das Hohe Gericht in Uganda verurteilte den ehemaligen Kommandeur der Lord's Resistance Army (LRA) Thomas Kwoyelo nach einem 13-jährigen Prozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zuvor hatte Kwoyelo, der als Jugendlicher zwangsrekrutiert worden war und anschließend in die oberen Führungsebenen der LRA aufstieg, erfolglos eine Amnestie beantragt. Das Urteil ist das erste ugandische gegen ein ranghohes LRA-Mitglied, wie die FAZ (Anna Nowaczyk) schreibt.
Sonstiges
Neutralitätsgebot bei NGOs: Die taz (Christian Rath/Dinah Riese) berichtet über ein Gutachten des Rechtsprofessors Friedhelm Hufen, wonach zivilgesellschaftliche Organisationen auch dann die AfD kritisieren dürfen, wenn sie staatlich gefördert werden. Damit kontert Hufen Ausführungen des sächsischen Landesrechnungshofs, der im März 2024 in einem Sonderbericht mahnte, dass Ministerien ihre Pflicht zur politischen Neutralität nicht durch die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte umgehen dürfen, die sich auf eine Weise äußern, die dem Ministerium verwehrt ist. Hufen kritisiert zunächst, dass der Rechnungshof nicht für die Auslegung des Neutralitätsgebots zuständig ist. Hufen widerspricht aber auch inhaltlich. So wende der Rechnungshof das Neutralitätsgebot zu formal an und ignoriere andere Verfassungswerte, wie etwa das Prinzip der wehrhaften Demokratie.
Cannabis/Berlin: Laut LTO streitet sich Berlin weiter über die Zuständigkeit für die Prüfung von Anträgen von Cannabis-Anbauvereinigungen, innerhalb derer der Anbau von Cannabis legal ist. SPD-Innenpolitiker Martin Matz benennt zwei möglicherweise zuständige Stellen: die räumlich näheren jeweiligen Bezirksämter oder ein zu schaffendes spezialisiertes Referat im Landesamt für Gesundheit und Soziales.
Datenhandel: Die Juniorprofessorin Hannah Ruschemeier setzt sich auf dem Verfassungsblog mit rechtlichen Fragestellungen zum milliardenschweren Datenhandel auseinander, dessen Geschäftsmodell darin besteht, mit (nicht-)/personenbezogenen Daten zu handeln. Datenhandel ist Ruschemeier zufolge problematisch, weil er "die massive informationelle Machtasymmetrie in der digitalen Sphäre katalysiert" und ein hohes Missbrauchsrisiko birgt. Ruschemeier schlägt vor, eine Registrierungspflicht für Data Broker ähnlich einer bereits existierenden kalifornischen Regelung zu schaffen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/lh/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 15. August 2024: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55214 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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