Die juristische Presseschau vom 6. Juni 2024: BSW darf an Wahl-Dis­kus­sion teil­nehmen / Dier­lamm legt Wire­card-Mandat nieder / Jumiko gegen Reform des Jura­stu­diums

06.06.2024

Die Wagenknecht-Partei siegte vor dem OVG NRW gegen den WDR. Alfred Dierlamm will nicht mehr Wahlverteidiger von Markus Braun sein. Die Justizministerkonferenz sieht wohl keinen Reformbedarf für die juristische Ausbildung.

Thema des Tages

OVG NRW zu BSW-Teilnahme an Wahlsendung: Anders als noch das VG Köln hat nun das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass das "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) gegen den Willen der WDR-Redaktion an der ARD-Wahlsendung "Wahlarena 2024 Europa" teilnehmen darf, die am heutigen Donnerstag ausgestrahlt wird. Zur Begründung verwies das OVG auf das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit für die politischen Parteien. Es sei zudem nicht erkennbar, dass das BSW im Vergleich zu FDP und Linken "hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Bedeutung einen derart großen Abstand aufweist, der ihren Ausschluss von der Sendung rechtfertigen könnte". Es berichten FAZ (Reiner Burger), LTO, spiegel.de, bild.de (Peter Poensgen/Daniel Puskepeleitis) und beck-aktuell.

Rechtspolitik

Jumiko: Bei der zweitägigen Justizministerkonferenz, die am heutigen Donnerstag endet, geht es u.a. um die Absicherung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gegen verfassungsfeindliche Angriffe. Auch über schärfere Strafen für "Sachbeschädigungen oder Beleidigungen, die aus demokratiefeindlichen Motiven heraus begangen werden", wird gesprochen. Zudem steht das Thema Verfahrensbeschleunigung, vor allem im Asylrecht, auf der Tagesordnung. LTO gibt einen Überblick über die Themen der Beratungen. 

Zivilrechtliche Zuständigkeit: Das Bundeskabinett hat jetzt den Gesetzentwurf zur Stärkung der Amtsgerichte beschlossen. Danach soll die Streitwertgrenze für die Zuständigkeit der Amtsgerichte von 5000 Euro auf 8000 Euro angehoben werden. beck-aktuell berichtet. 

Genossenschaften: Nach einem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, über den das Hbl (Heike Anger) berichtet, soll es künftig möglich werden, eine Genossenschaft rein digital zu gründen. Bislang dauere die Eintragung ins Genossenschaftsregister "sehr viel länger" als die Registereintragung einer GmbH. Zudem soll nun unter anderem die Suche eines passenden genossenschaftlichen Prüfungsverbandes erleichtert und das Gründungsgutachten standardisiert werden.

Greenwashing/Nachhaltigkeit: Im Interview mit der FAZ (Katja Gelinsky) erläutert Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), warum er der geplanten EU-Richtlinie gegen Greenwashing nicht zustimmen will. Außerdem beklagt er unter anderem mit Blick auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung eine "Bürokratiemaschine" in Brüssel.

Justiz

LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun/von Erffa: Alfred Dierlamm, der Wahlverteidiger des früheren Wirecard-Chefs Marcus Braun, hat sein Mandat niedergelegt, weil er von der Manager-Haftpflichtversicherung seines Mandanten kein Geld mehr bekommt. Der Topf der Versicherung belief sich auf mehrere Millionen Euro, die nun aufgebraucht seien. Braun bleiben drei Pflichtverteidiger. Derweil hat der Vorsitzende Richter Markus Födisch die Bedingungen für einen möglichen Deal mit dem Angeklagten Stephan von Erffa konkretisiert. Bei einem Geständnis sei eine Freiheitsstrafe von sechs bis acht Jahren denkbar. Die Verteidigung von Erffas strebt eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren an. Es berichten SZ (Stephan Radomsky), FAZ (Marcus Jung/Henning Peitsmeier), Hbl (René Bender u.a.), LTO und spiegel.de

EuG zu "Big Mac"-Marke: Das Gericht der Europäischen Union entschied, dass McDonald's die 1996 eingetragene Unionsmarke "Big Mac" für Geflügelprodukte verliert. Das Unternehmen habe nicht nachgewiesen, diese Marke ernsthaft für Geflügelprodukte zu nutzen. Geklagt hatte die kleine irische Fastfood-Kette "Supermac's". Nach Angaben von McDonald's berührt die Entscheidung allerdings nicht das Recht, die Marke "Big Mac" für Burger mit Rindfleisch weiter zu verwenden. Die FAZ (Marcus Jung), LTO und spiegel.de berichten.

BGH zu Abschiebehaft: Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Abschiebungshaft eines Algeriers im bayerischen Hof rechtswidrig war, weil sie sich nicht ausreichend von der normalen Strafhaft unterschied. Dass der Mann von 19 bis 9 Uhr in seiner Zelle eingeschlossen war, sei rechtswidrig. Der Zwang in einer Abschiebungshaft dürfe nur so streng sein, wie es für ein wirksames Rückkehrverfahren absolut nötig ist. LTO berichtet.

OVG Berlin-BB – Gerhard Schröders Büro: Am heutigen Donnerstag verhandelt das OVG Berlin-Brandenburg über die Mittel für das Büro von Altkanzler Gerhard Schröder. beck-aktuell (Maximilian Amos) gibt einen Überblick über die rechtlichen Hintergründe. Eine explizite gesetzliche Regelung für die Finanzierung der Büros der Altkanzler:innen gebe es nicht.

OLG Frankfurt/M. – Umsturzpläne/Reuß: Im Strafprozess gegen die Verschwörergruppe um Prinz Reuß wurden BKA-Kommissare als Zeugen vernommen, die über Reuß' persönliche Verhältnisse berichteten. In seinen Privaträumen hätten sie unter anderem Auszüge aus dem volksverhetzenden Hörbuch "Wahrheit sagen, Teufel jagen" des Schweizer Holocaustleugners Gerard Menuhin gefunden. spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet.

OLG Hamburg zu Online-Bewertungen: Arbeitgeber haben gegen Online-Bewertungsportale einen Löschungsanspruch, wenn die Echtheit der Bewertung in Frage steht und das Portal den Bewertenden nicht hinreichend individualisiert, um eine Überprüfung der Echtheit zu ermöglichen. Über das Urteil von Februar schreibt nun auch Rechtsanwältin Anna Hellmann im Expertenforum Arbeitsrecht.

LG Karlsruhe – Radio Dreyeckland: Am heutigen Donnerstag wird im Strafverfahren um die Unterstützung der verbotenen Plattform linksunten.indymedia durch einen Link auf das Archiv der Plattform das Urteil erwartet. netzpolitik.org (Martin Schwarzbeck) schreibt über die Bedeutung des Verfahrens für die Pressefreiheit.

LG Berlin II – Löschung antisemitischer Tweets: Mit Unterstützung der Organisationen HateAid und European Union of Jewish Students klagt Avital Grinberg gegen den Konzern X, nachdem dieser eindeutig antisemitische und rassistische Tweets nicht löschte. Sie beruft sich auf ihren Nutzerinnenvertrag. Die Zeit (Eva Ricarda Lautsch) berichtet über die Verhandlung am Dienstag, in der es auch um die Frage ging, ob das LG für die Klage gegen X überhaupt zuständig ist.

VG Berlin - Waffenexporte nach Israel: Die FAZ (Marlene Grunert) setzt sich mit den drei Verfahren zu deutschen Waffenexporten nach Israel auseinander, in denen Anfang nächster Woche mit einer Entscheidung über die Eil-Anträge gerechnet wird. Während die in Gaza lebenden Antragssteller davon ausgehen, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit die Bundesregierung auch ihnen gegenüber binde, bestreitet die Bundesregierung eine verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit und warnt vor einer Lähmung ihrer Außenpolitik.

Spülmaschinentab-Test: Welche Spülmaschine hat die Stiftung Warentest zu nutzen, wenn sie Spülmaschinentabs testet? Diese Frage werfen die Anwälte des Tab-Herstellers Reckitt in ihrer Klageschrift gegen die Stiftung auf. 2025 wird darüber vor einem nicht genannten Gericht verhandelt, berichtet die SZ (Nils Wischmeyer)

Recht in der Welt

IStGH: Als zeitlos interessant und aktuell lobt die Zeit (Thomas Assheuer) den Dokumentarfilm "War and Justice" über die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes. Die beiden Filmemacher zeigten unter anderem, dass Attacken auf den IStGH aus westlichen Demokratien nicht ungewöhnlich seien.

USA – Glyphosat: Nachdem eine Geschworenenjury den Konzern Bayer im Januar zu 2,25 Milliarden Dollar Schadensersatz verurteilt hatte, senkte die zuständige Richterin die Summe nun auf 400 Millionen Dollar, davon 350 Millionen Dollar Straf-Schadensersatz. Geklagt hatte ein Mann, dessen Non-Hodgkin-Lymphom aus Sicht des Gerichts auf den Einsatz des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup zurückzuführen ist. Bayer will Berufung einlegen. Es berichten SZ (Elisabeth Dostert), FAZ (Jonas Jansen) und spiegel.de.

Italien – Amanda Knox: Ein Gericht in Florenz hat die US-Amerikanerin Amanda Knox wegen Verleumdung zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Sie habe in einer Vernehmung zum bis heute nicht restlos aufgeklärten Mord an Meredith Kercher zu Unrecht den Barmann Patrick Lumumba beschuldigt. Knox hatte argumentiert, sie sei von der Polizei gedrängt worden. Da Knox in Italien bereits vier Jahre in Untersuchungshaft saß, muss sie wohl nicht erneut ins Gefängnis. Knox war zunächst wegen Mordes an Kercher verurteilt, später aber freigesprochen worden. FAZ (Matthias Rüb), SZ und zeit.de berichten.  

Juristische Ausbildung

Jumiko – Jurastudium: Die Justizminister:innen sehen derzeit keinen Reformbedarf beim Jurastudium. Wie beck-aktuell (Denise Dahmen) berichtet, empfehlen die Berichterstatter Berlin und NRW der Justizministerkonferenz die Formulierung: "Die Justizministerinnen und Justizminister […] sind sich einig, dass grundlegender Reformbedarf nicht besteht."

OVG Berlin-BB – Referendariat für Rechtsextremist: Ein hoher Funktionär der Partei "Die Heimat" (Ex-NPD) wurde vom Land Brandenburg zu Recht nicht in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Die in der Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen schlössen es aus, dass der Staat diejenigen ausbilde, die die Verfassungsordnung zerstören wollen. beck-aktuell berichtet.

Sonstiges

Abschiebung nach Afghanistan: Wie die SZ (Daniel Brössler/Constanze von Bullion) berichtet, unterstützt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Forderung nach Wiederaufnahme von Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan. Rechtliche Fragen zu Abschiebungen nach Afghanistan beantwortet tagesschau.de (Kolja Schwartz).

Max Ferstl (SZ) sieht das Sicherheitsgefühl im Land beschädigt. Die Forderung nach Messerverbotszonen oder Abschiebungen nach Afghanistan hätten in der Praxis zwar nur einen überschaubaren Effekt, seien aber trotzdem richtig. "Sie geben der Bevölkerung zumindest das Gefühl, dass Ängste ernst genommen werden." Ulf Poschardt (Welt) befürwortet Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Die Abschiebungen müssten "mit einer neuen, scharfen Konsequenz schnell durchgeführt werden". Jacques Schuster (Welt) fordert, dass auch mit der Taliban eine Gesprächsebene gefunden werden müsse, "wenn dadurch Straftäter in ihre Heimatländer abgeschoben werden können." 

DAT: Die FAZ (Marcus Jung) blickt auf den Deutschen Anwaltstag, bei dem in dieser Woche Legal-Tech-Themen im Vordergrund stehen. "Wer sich jetzt nicht ernsthaft mit dem Einsatz von KI beschäftigt, wird als Rechtsberater bald abgehängt sein", so der Autor.

Sylt-Video/Lied: Der Rechtsanwalt Thomas Bausch beschreibt auf LTO die urheberrechtlichen Möglichkeiten von Gigi D'Agostino, gegen die rechtsextreme "Entstellung" seines Liedes "L'amour toujours" gem. § 14 UrhG vorzugehen.

Meinungsfreiheit: Die Zeit (Eva Ricarda Lautsch/Heinrich Wefing) interviewt im Rahmen ihres Titelthemas Meinungsfreiheit den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio über den Schutz der Meinungsfreiheit. Unter anderem geht es um seinen Blick auf das Sylt-Video, die Verurteilung Björn Höckes und die Parole "From the river to the sea, Palestine will be free".


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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pna/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Juni 2024: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54710 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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