Die juristische Presseschau vom 26. April 2024: Poli­zei­kosten vor dem BVerfG / Heil­mann schei­terte am BVerfG / Wein­stein-Pro­zess wird neu auf­ge­rollt

26.04.2024

Das BVerfG verhandelte über die Verfassungsbeschwerde der DFL wegen der Auferlegung von Polizeikosten. CDU-MdB Heilmann scheiterte mit Eilantrag gegen das Klimaschutzgesetz. Die Verurteilung von Harvey Weinstein wurde aufgehoben.

Thema des Tages

BVerfG – Polizeikosten bei Hochrisikospielen: Das Bundesverfassungsgericht verhandelte über die Verfassungsbeschwerde der Deutschen Fußballliga (DFL) gegen die Auferlegung der Polizeikosten für ein sogenanntes Hochrisikospiel zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV durch das Land Bremen. Es sollen allerdings nur die Mehrkosten für Veranstaltungen, bei denen zusätzliche Polizeikräfte erforderlich sind, ersetzt werden. Die DFL bemängelt das Gesetz als zu unbestimmt. Vor allem die Höhe der Gebühr lasse sich im Vorfeld nicht berechnen. Bremen argumentiert, dass die Gebühren eine gerechte Lastenverteilung für Hochrisikospiele darstellen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird in einigen Monaten erwartet. Die FAZ (Katja Gelinsky) und tagesschau.de (Kolja Schwartz) berichten. 

Reinhard Müller (FAZ) meint, es sei "kein Schlag gegen den Fußball, sondern im öffentlichen Interesse", die Klubs stärker in die Pflicht zu nehmen. Zwar dürfe der Staat die Kosten für die Erfüllung seiner Aufgaben nicht abwälzen. Jedoch könnten Veranstalter in Anspruch genommen werden, wenn es regelmäßig zu Ausschreitungen komme. 

Rechtspolitik

Bayerischer Landtag: Der bayerische Landtag möchte Störungen während Sitzungen künftig stärker sanktionieren. Dafür soll das bayerische Abgeordnetengesetz geändert und statt der bisherigen Rügen ein dreistufiges Verfahren eingeführt werden. Nach einem Ordnungsruf werden Störungen mit einem Ordnungsgeld von bis zu 2.000 Euro, bei Wiederholungstätern bis zu 4.000 Euro geahndet. Ultima ratio soll der Sitzungsausschluss sein. Einen entsprechenden gemeinsamen Entwurf haben die Landtags-Fraktionen von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD vorgelegt, so LTO. Grund für die zunehmende Anzahl an Störungen sei laut Entwurf die AfD, die von den 26 Rügen in der vergangenen Legislatur die große Mehrheit erhalten hat.  

Justiz

BVerfG zu Klimaschutzgesetz/Parlamentsrechte: Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag des CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann auf Verschiebung der Abstimmung über Änderungen am Klimaschutzgesetz abgewiesen. Heilmann hatte argumentiert, dass er als Abgeordneter nicht ausreichend Zeit gehabt habe, sich wissenschaftlich zum Inhalt des Gesetzes beraten zu lassen. Der endgültige Änderungsantrag war erst am 19. April vorgelegt worden. Somit kann das Klimaschutzgesetz wie geplant am heutigen Freitag verabschiedet werden. Das BVerfG begründete seine Ablehnung der beantragten eA damit, auch Heilmanns Antrag in der Hauptsache sei unzulässig. LTO und  spiegel.de berichten.   

EuGH – Werbung nach sexueller Orientierung: Der österreichische Oberste Gerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof einen Rechtsstreit zwischen dem Datenschutzaktivisten Max Schrems und dem Facebook-Konzern Meta vorgelegt. Schrems hatte vor den österreichischen Gerichten gegen Meta geklagt, da ihm nach eigener Aussage Werbung, die auf homosexuelle Personen abgezielt habe, sowie Einladungen zu Veranstaltungen, die Homosexuelle adressierten, angezeigt worden waren, obwohl er auf Facebook keine Angaben zu seiner sexuellen Orientierung gemacht habe. Der EuGH soll nun klären, ob nach der DSGVO ein Netzwerk wie Facebook personenbezogene Daten, über die es verfügt, ohne zeitliche Einschränkung für Zwecke der zielgerichteten Werbung analysieren und verarbeiten darf. beck-aktuell berichtet.

EuGH zu Verlust der Staatsbürgerschaft: Der Europäische Gerichtshof hat nach Meldung von beck-aktuell bestätigt, dass es rechtmäßig ist, wenn Eingebürgerte automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie ihre alte Staatsbürgerschaft wieder annehmen. Zwischen dem Staat und seinen Staatsangehörigen bestehe eine besondere Verbundenheit und Loyalität sowie eine Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten, deren Schutz legitim sei. Erlösche die Unionsstaatsbürgerschaft gleichzeitig, müsse jedoch sichergestellt sein, dass der Verlust auf seine Verhältnismäßigkeit überprüft werden könne. 

BVerfG – Bundestags-Wahlrecht: Nach den beiden Verhandlungstagen am Dienstag und Mittwoch liegt eine Beanstandung der Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition aus dem März 2023 durch das Bundesverfassungsgericht nahe, so spiegel.de (Dietmar Hipp) und LTO (Christian Rath). Zwar sei am ausführlichsten über die Kappung von Wahlkreismandaten jenseits der Zweitstimmendeckung diskutiert worden. Die Richter:innen werden jedoch wohl eher den Wegfall der Grundmandateklausel für verfassungswidrig erklären, weil hiervon vor allem die CSU betroffen sein könnte.

BVerwG zu Rügener LNG-Terminal: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen von Umweltverbänden gegen die Ostsee-Anbindungsleitung des umstrittenen Rügener Flüssigerdgas-Terminals abgewiesen, da die Leitung als Beitrag zur Bewältigung einer Gasversorgungskrise gerechtfertigt sei. Laut LTO bemängeln Kritiker, dass das Terminal überflüssig sei und Umweltschäden verursache, während die Bundesregierung es zur Sicherstellung der Energieversorgung verteidigt. Obwohl das Gerichtsverfahren entschieden ist, planen sowohl die Gemeinde Binz als auch die Deutsche Umwelthilfe, weiter gegen das Projekt vorzugehen. 

BVerwG zu Daseinsvorsorge/Großmarkt: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage eines Großhändlers gegen die Auflösung des Düsseldorfer Großmarkts abgewiesen, da dieser nicht mehr als Einrichtung der Daseinsvorsorge betrachtet wird. Die Stadt Düsseldorf sei gemäß dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nicht verpflichtet, den Betrieb des Großmarkts fortzuführen, und könne daher die entsprechende Satzungsänderung umsetzen. Diese Entscheidung steht im Gegensatz zu einem früheren Urteil des BVerwG aus dem Jahr 2009, das einer Stadt die Privatisierung eines Weihnachtsmarkts aufgrund dessen kommunalpolitischer Bedeutung untersagte. beck-aktuell berichtet. 

BGH zu nicht geringer Cannabis-Menge: Auf dem De legibus-Blog kritisiert Olivier García die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur nicht geringen Menge Tetrahydrocannabinol (THC). Der Senat habe keinen Grenzwert "festgesetzt", da er für den konkreten Sachverhalt irrelevante und aus Sicht des Autors nicht entscheidungserhebliche Ausführungen getätigt habe. Es handele sich daher um ein obiter dictum, von dem keine Bindungswirkung ausgehe. 

OLGe Stuttgart/Frankfurt/M./München – Umsturzpläne/Reuß: Die SZ (Annette Ramelsberger/Benedikt Warmbrunn) berichtet über die drei vor den Oberlandesgerichten Stuttgart, Frankfurt am Main und München beginnenden Prozesse gegen die Verschwörer:innen um Prinz Reuß. Derzeit seien im Zusammenhang mit der Prinz-Reuß-Gruppe bundesweit 26 Personen angeklagt. Am Montag beginnt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der erste der drei Prozesse. Kompliziert sei der Gleichlauf der Prozesse vor den Gerichten und dass Zeug:innen und Angeklagte teilweise vor allen drei Gerichten aussagen müssen. Auch sei es möglich, dass die Prozesse zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. 

In Frankfurt wird der Prozess in einem Hochsicherheits-Gerichtszelt stattfinden. Die Leichtbau-Halle soll 20 Meter breit und 55 Meter lang sein, berichtet bild.de (Claudia Detsch/Vincenzo Mancuso).

LG Bamberg – Automatensprenger: Vor dem Landgericht Bamberg findet ein bedeutender Prozess gegen Geldautomatensprenger statt, mit 16 Angeklagten aus den Niederlanden und Belgien. Die Anklage umfasst schweren Bandendiebstahl, Sprengstoffexplosionen, Zerstörung von Gebäuden und schwere Körperverletzung. Die Verteidigung stellte Aussetzungsanträge wegen der umfangreichen Prozessunterlagen, was zu einer vorläufigen Aussetzung der Verhandlung bis zum 8. Mai führte. Die FAZ (Jannis Holl) berichtet. 

GBA – China-Spionage durch AfD-Mitarbeiter: Die SZ erklärt im "aktuellen Lexikon" den Begriff der Vorermittlung im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah. Derzeit prüfe die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, ob ein Anfangsverdacht wegen strafbaren Verhaltens besteht. Erst wenn dies der Fall sei, würde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Diese Trennung sei juristisch allerdings umstritten. 

OStAin Anne Brorhilker: Auch Heribert Prantl (SZ) schreibt nun über die Kündigung der Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker. Diese habe aus Frust gekündigt und der Fall zeige die Kluft zwischen Staatsanwaltschaft und Politik auf. Verbesserung bei der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft, die auch der Europäische Gerichtshof fordere, gebe es nicht.

Recht in der Welt

USA – Harvey Weinstein: Der Supreme Court von New York hat die Verurteilung von Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen zu 23 Jahren Haft aufgehoben, da unzulässige Beweismittel zugelassen wurden. Das erstinstanzliche Gericht habe Aussagen von Frauen, die nicht Teil der Anklage gewesen seien und nicht angeklagte Straftaten gegen diese Frauen in seine Bewertung einbezogen. Weinstein bleibt jedoch inhaftiert, da er in einem separaten Prozess in Los Angeles schuldig gesprochen und zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der Fall hatte eine Schlüsselrolle in der #MeToo-Bewegung, mit mehr als 80 Frauen, die Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen haben. FAZ, spiegel.de und LTO berichten. 

USA – Trump/Immunität: Der Supreme Court der USA verhandelte über die Frage, ob der ehemalige US-Präsident Donald Trump Immunität für seine Handlungen im Amt genießt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol und dem mutmaßlichen versuchten Wahlbetrug. Trump und seine Anwälte argumentieren, dass all seine Amtshandlungen von der Immunität abgedeckt sind und eine Strafverfolgung daher unzulässig ist. Laut spiegel.de (Rene Pfister) lehnten alle neun Richter:innen eine unbeschränkte Immunität ab. Die konservative Mehrheit will jedoch nur private Straftaten von der Immunität ausnehmen. LTO berichtete vorab.. 

USA – Verdacht des Wahlbetrugs: Der US-Bundesstaat Arizona hat 18 Personen wegen Wahlbeeinflussung angeklagt, darunter elf Republikaner, die sich während des Versuchs, Donald Trump trotz seiner Niederlage 2020 ins Präsidentenamt zu bringen, illegitim zu Wahlleuten Trumps erklärten. Unter den Angeklagten sind laut FAZ bekannte Persönlichkeiten wie Trumps früherer Anwalt Rudy Giuliani und der Juraprofessor John Eastman. Die Anklage wirft den Angeklagten Betrug, Fälschung und Verschwörung vor, wobei die Höchststrafen zwischen zweieinhalb und zwölfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe liegen. 

Iran – Rapper Toomaj Salehi: Der inhaftierte Rapper Toomaj Salehi wurde in Iran zum Tode verurteilt, angeblich wegen "Korruption auf Erden", was auch den Aufruf zu Unruhen umfasst. Das Gericht verhängte zusätzlich ein Verbot künstlerischer Betätigung und ein zweijähriges Ausreiseverbot. Die FAZ berichtet.

Großbritannien – Asyl in Ruanda: Rechtsprofessor Daniel Thym spricht im Interview mit LTO über die Einstufung von Ruanda als sicherer Drittstaat durch das britische Parlament. Die rechtliche Beurteilung des Vorhabens hänge von der konkreten Situation in Ruanda ab. Zweifel am dortigen Asylverfahren hatte der Oberste Gerichtshof in London bereits geäußert. Für den Fall, dass die britischen Gerichte das Gesetz billigten, käme noch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Betracht. 

Sonstiges

Abschiebung/Anwält:innen: Die Anwälte Peter Fahlbusch und Rolf Stahmann touren durch 22 Städte, um Anwält:innen zu motivieren, sich als Pflichtanwalt:in für Menschen in Abschiebehaft zu engagieren. Nach dem "Rückführungsverbesserungsgesetz" der Ampel-Koalition haben Personen in Abschiebehaft jetzt Anspruch auf einen Pflichtanwalt. Die taz (Christian Jakob) berichtet.

Hintergrundgespräche mit Journalist:innen: Das Bundeskanzleramt hat bestätigt, dass am 18. Januar 2024 ein vertrauliches Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Journalist:innen stattgefunden hat. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) wirft aufgrund der zeitlichen Nähe des Treffens zu den Enthüllungen der Rechercheplattform "Correctiv" die Frage auf, ob es bei dem Treffen auch um den Umgang mit der AfD ging und rekapituliert drei Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, die den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse bezüglich amtlich organisierter Hintergrundgespräche mit der Presse gestärkt haben. Nach der Rechtsprechung beziehe sich der Auskunftsanspruch auch auf Wissen von Scholz und seinen Mitarbeitern. Ob entsprechende Abfragen durchgeführt worden seien, habe das Bundeskanzleramt jedoch offengelassen.. 

Ernst-Joachim Mestmäcker: Die FAZ (Werner Mussler) widmet sich in einem Nachruf Ernst-Joachim Mestmäcker, einem der einflussreichsten Kartellrechtler und liberalen Rechtsphilosophen. Sein akademisches Wirken und politisches Engagement prägten das deutsche und europäische Kartellrecht sowie die Wirtschaftsordnung maßgeblich. Mestmäcker verstarb am Sonntag im Alter von 97 Jahren. 


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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/lkh/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. April 2024: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54426 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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