Das ArbG Frankfurt/M. erklärte den heutigen Warnstreik der GDL für rechtmäßig. Ein Amerikaner, der zwei Touristinnen angriff, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Verband kämpft gegen die Nutzung von Stimmen durch KI-Anwendungen.
Thema des Tages
ArbG Frankfurt/M. zu GDL-Streik: Der Warnstreik der GDL an diesem Dienstag ist "nicht unverhältnismäßig". Dies entschied das Arbeitsgericht Frankfurt/M. und lehnte einen Eilantrag des Arbeitgeberverbands AGV Move ab, der für die Bahn verhandelt. Der Verband hatte argumentiert, dass der Streik viel zu kurzfristig angekündigt worden war und deshalb unverhältnismäßig sei. Die GDL hatte den Streik erst 22 Stunden vor Beginn angekündigt, um der Bahn die Erstellung von Ersatzfahrplänen zu erschweren. Doch Richterin Stephanie Lenze hielt den Ausstand für rechtmäßig. Der AGV Move will nun Rechtsmittel beim Hessischen Landesarbeitsgericht einlegen, über die noch an diesem Dienstag entschieden werden soll. Es berichten hessenschau.de und tagesschau.de.
Rechtspolitik
Plattformarbeit: Der EU-Ministerrat hat doch noch dem Kompromiss bei der EU-Richtlinie zu Plattformarbeit zugestimmt, der mit dem Europäischen Parlament ausgehanndelt worden war. Nachdem bei einer ersten Abstimmung Mitte Februar die erforderliche Mehrheit noch nicht zustandekam, votierten diesmal 25 von 27 Regierungen für das Projekt, nur Deutschland und Frankreich enthielten sich. Die Richtlinie will Plattformarbeiter:innen (etwa Fahrer:innen von Uber und Deliveroo) grundsätzlich mit klassischen Beschäftigten gleichstellen. Die FAZ (Hendrik Kafsack) berichtet.
Künstliche Intelligenz: Neben dem AI-Act der EU entsteht auch im Europarat ein Regelwerk für Künstliche Intelligenz. Eine KI-Konvention soll nicht nur die 46 Staaten des Europarats, sondern auch weitere Staaten wie die USA und Japan binden. Die Regulierung soll weniger ins Detail gehen wie der AI-Act und sieht ebenfalls große Ausnahmen für die nationale Sicherheit vor. Die taz (Svenja Bergt) berichtet vor der letzten Verhandlungsrunde.
Cyberkriminalität: Die Verhandlungen über eine UN-Konvention gegen Cyberkriminalität wurden vorläufig unterbrochen, weil die Staaten noch in vielen Punkten uneinig sind. Im Interview mit netzpolitik.org (Constanze Kurz) informiert, die NGO-Vertreterin Tanja Fachathaler über den Verhandlungsstand. Die Menschenrechtlerin befürchtet, dass in der Konvention am Ende "keine Balance zwischen sehr weitreichenden Ermittlungsmöglichkeiten und internationaler Kooperation bzw. Austausch von Daten für elektronische Beweismittel bestehen" wird.
Schrottimmobilien: An diesem Mittwoch wird die Bundesregierung voraussichtlich den Gesetzentwurf für ein Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz beschließen. Darin soll das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung geändert werden. Justizminister Marco Buschmann (FDP) will ändern, dass kriminelle Geschäftemacher:innen, die eine Immobilie ersteigern, nur eine geringe Sicherheitssumme bezahlen müssen das Haus aber bereits vermieten können. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Kommunen solche Häuser unter staatliche Verwaltung stellen können, bis der volle Kaufpreis bezahlt wurde. Es berichten FAZ (Katja Gelinsky) und beck-aktuell.
In einem separaten Kommentar unterstützt Katja Gelinsky (FAZ) das Vorhaben, das allerding nur ein "Reförmchen" sei.
Strafprozess: Die Anwältin Gabriele Heinecke fordert auf LTO eine Reform des Strafprozesses, bei der anerkannt wird, dass es vor Gericht um "Wahrheitssuche" geht, nicht um Wahrheitsfindung. Die Gerichte müssten das Misstrauen gegen engagierte Strafverteidiger:innen ablegen und mit ihnen offen kommunizieren.
Behinderte: Die Anwältin Emma Huber stellt im Expertenforum Arbeitsrecht, das Gesetz für einen inklusiven Arbeitsmarkt vor, das im Juni 2023 verkündet wurde. Es sieht u.a. eine erhöhte Ausgleichsabgabe für Unternehmen vor, die keine einzige schwerbehinderte Person beschäftigen.
Justiz
LG Kempten zu Mord an Neuschwanstein-Touristinnen: Das Landgericht Kempten hat den US-Amerikaner Troy B. wegen Mordes, Vergewaltigung und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. B. hatte im Juni 2023 am Schloss Neuschwanstein zwei US-Touristinnen angegriffen, die eine von ihnen vergewaltigt und zu Tode stranguliert, nachdem er ihre Freundin in Tötungsabsicht einen Abhang hinuntergestoßen hatte. Das Gericht stellte jetzt die besonder Schwere der Schuld fest, verhängte jedoch keine Sicherungverwahrung, da ein Gutachter keinen Hang zu Straftaten feststellen konnte. Es berichten FAZ (Karin Truscheit), SZ (Florian Fuchs) und spiegel.de.
OVG NRW – Verdachtsfall AfD: Nun bringen auch FAZ (Friederike Haupt), spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) und BadZ (Christian Rath) Vorberichte zur am heutigen Dienstag beginnenden Verhandlung am Oberverwaltungsgericht Münster. Die AfD klagt gegen ihre Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfalls durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Es wird überwiegend mit einer Niederlage der AfD gerechnet.
Jost Müller-Neuhof (Tsp) kritisiert den BfV-Präsidenten Thomas Haldenwang, der gegenüber der AfD zu aktivistisch agiere und "damit Stoff für die Erzählung liefert, hier würde eine staatliche Behörde benutzt, um eine aufstrebende Oppositionspartei zu unterdrücken"
LG München I zu gefälschten Impfnachweisen: Das Landgericht München I hat eine Apotheken-Mitarbeiterin zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie während der Corona-Pandemie über tausend Impfnachweise gefälscht hatte. Ihr Komplize, der die Impfnachweise im Darknet verkaufte und damit über 130.000 Euro einnahm, wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Der BGH hatte eine erste Verurteilung aus dem November 2022 beanstandet, weil sie auch von einer tateinheitlich begangenen Fälschung technischer Aufzeichnungen ausging. beck-aktuell berichtet.
LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: Die ehemalige Sekretärin von Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sagte aus, dass sie bei Wirecard nicht viel zu tun hatte, dass aber Braun und der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek täglich miteinander telefonierten. Zur Sprache kam, dass Braun und die Sekretärin eine mehrmonatige Affäre hatten. In dieser Zeit hatte sie die Erkenntnis gewonnen, dass Braun "gut lügen" könne. Die SZ (Johannes Bauer) berichtet.
Recht in der Welt
Frankreich – Sterbehilfe: Der französische Präsident Emmanuel Macron will einen Gesetzentwurf vorlegen, der aktive Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Demnach sollen erwachsene, voll zurechnungsfähige Menschen mit einer unheilbaren und kurz- oder mittelfristig lebensbedrohlichen Krankheit, deren Schmerzen sich nicht lindern lassen, um Sterbehilfe bitten dürfen. Innerhalb von zwei Wochen sollen sie eine Antwort erhalten. Die tödlichen Medikamente sollen sie sich, wenn möglich, selbst verabreichen. Aber auch die Verabreichung durch medizinisches Personal, also aktive Sterbehilfe, soll ausnahmsweise möglich sein. LTO berichtet.
Frankreich – Schwangerschaftsabbruch: Rechtsanwalt Georg Dietlein erläutert im FAZ-Einspruch, dass die jüngst in die Verfassung aufgenommene "garantierte Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch" kein Grundrecht sei und im Abschnitt "die Beziehungen zwischen Parlament und Regierung" steht. Ein ausdrückliches "Recht auf Abtreibung" sei 2022 abgelehnt worden.
Ungarn – Präsident: Tamás Sulyok, der bisherige Präsident des ungarischen Verfassungsgerichts, wurde Ende Februar vom ungarischen Parlament zum Präsidenten Ungarns gewählt. Seine Amtszeit am Verfassungsgericht galt als Beleg dafür, dass Premierminister Victor Orban das Gericht unter Kontrolle hat. Es gebe keine Anzeichen, dass Sulyok als Präsident unabhängiger agieren werde, schreibt Viktor Z. Kazai auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache).
Sonstiges
KI/Stimme: Die SZ (Andrian Kreye) schildert den Kampf des Verbands deutscher Sprecher:innen (VDS), der Synchron-, Werbe- und Off-Sprecher:innen vertritt, gegen die Verwendung der Stimmen zum Training von Künstlicher Intelligenz. Dies verletzte u.a. das Persönlichkeitsrecht und das Leistungsschutzrecht der Sprecher:innen. Wer entsprechende Verbotsklauseln in seinen Verträgen verankern will, bekomme allerdings keine Aufträge mehr. So könne das Recht auf die eigene Stimme nicht mehr durchgesetzt werden. Bei manchen KI-Anwendungen reichten Stimmproben unter einer Minute, um dem Bot das Sprechen mit dieser Stimme beizubringen.
AfD-Verbot: Christian Rath (LTO) empfiehlt, erst dann ein AfD-Verbotsverfahren einzuleiten, wenn es handfeste Belege für verfassungsfeindliche Bestrebungen gebe, etwa weil die AfD in Bundesländern regiere und dort z.B. andere Parteien behindert. In dieser Konstellation könne ein Verbotsverfahren deutlich schneller durchgeführt werden, als wenn es nur auf puzzleartig begründeten Prognosen beruht. Außerdem sei es dann auch überzeugender und richte weniger Schaden an der Demokratie an. Notfalls könne das Bundesverfassungsgericht auch per einstweiliger Anordnung ein Betätigungsverbot gegen die AfD aussprechen und die Bundesregierung könne dann mit dem Bundeszwang AfD-Landesregierungen steuern.
Internet: Die Bundesnetzagentur hat erstmals einen Internetprovider verpflichtet, einen Kunden mit einer schnellen und bezahlbaren Internetverbindung zu versorgen. Der Verbraucher aus Niedersachsen hatte sich beschwert, dass der Internet-Anschluss in seiner Kommune zu teuer angeboten wurde. beck-aktuell berichtet.
Die FAZ (Katja Gelinsky) schildert die Hürden, die bei einer Beschwerde über Schlechtleistung, zu überwinden sind.
Anzeigen erstatten: Die Welt (Frédéric Schwilden) hat den 18-jährigen Auszubildenden Niclas Matthei interviewt, der sich "Anzeigenhauptmeister" nennt und dessen Hobby es ist, Gesetzesverstöße anzuzeigen. Im Interview erklärt er u.a.: "Ich setze bloß das durch, was das Gesetz will", "Was anderes außer Recht, Gesetz und Medizin interessiert mich nicht" und "So was wie die Stasi sollte es schon geben".
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LTO/chr
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Die juristische Presseschau vom 12. März 2024: . In: Legal Tribune Online, 12.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54080 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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