Der Bundesfinanzminister hat die Haushaltssperre auf fast den gesamten Bundeshaushalt ausgeweitet. Wirtschaftsminister Habeck spricht sich für wirtschaftsfreundliche KI-Regulierung aus. Tim Wiese prozessiert gegen Stadionverbot in Bremen.
Thema des Tages
Schuldenbremse: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse hat das Bundesfinanzministerium nun die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfügte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt für das Jahr 2023 ausgeweitet. Bestehende Verbindlichkeiten würden erfüllt. Es dürften aber keine neuen eingegangen werden. spiegel.de und welt.de berichten. Bereits davor hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mitgeteilt, dass nach seiner Auffassung auch andere staatliche Fonds von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts betroffen sind, insbesondere der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit über 200 Milliarden Euro, der die Energiepreisbremsen finanziert.
Auch Mittelzufluss und -abfluss beim WSF könnten gegen das Jährlichkeitsprinzip verstoßen. tagesschau.de (Klaus Hempel) berichtet.
Die FAZ (Katja Gelinsky/Julia Löhr/Manfred Schäfers) und LTO geben einen Überblick über die politische Aufarbeitung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts und stellen die Meinung des Bundesrechnungshofes sowie von Wirtschafts(rechts-)expert:innen zur Verfassungsmäßigkeit der Bundeshaushalte für 2023 und 2024 dar.
Wirtschaftspolitikprofessor Lars P. Feld rekapituliert in der FAZ das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und gibt Ausblick auf die Folgen für die Haushalte von Bund und Ländern. Für 2023 solle der Bundestag einen Nachtragshaushalt beschließen und sich dabei auf die Notlagen-Klausel der Schuldenbremse berufen. Erhöhte Darlegungspflichten für den Bundestag könnten erst ab 2024 gelten. Eine Reform der Schuldenbremse sei nicht erforderlich, vielmehr solle der Staat angebotsorientierte Wirtschaftspolitik betreiben.
Rechtspolitik
Künstliche Intelligenz: Beim Digital-Gipfel der Bundesregierung in Jena warnte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einer zu strengen Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI) und betonte die Bedeutung einer "vernünftigen" KI-Verordnung der EU, um Innovation und Sicherheit zu wahren. Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland habe laut Habeck noch Defizite, die es zu überwinden gelte. Ein Positionspapier der Bundesregierung, gemeinsam mit Italien und Frankreich, fordert eine risikobasierte KI-Regulierung, die sich auf die Anwendung, nicht jedoch auf die Technologie selbst konzentriert. LTO berichtet.
Die FAZ (Hendrik Kafsack) berichtet eingehend über das ihr vorliegende Positionspapier, das Einfluss auf die EU-Verhandlungen zum AI-Act nehmen soll. Danach fordern die drei Staaten, dass KI-Entwickler:innen sog. "Model Cards" erstellen, die alle relevanten Informationen zur Funktionsweise eines Programms enthalten, um Transparenz sicherzustellen.
Bürokratieabbau: Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat seinen diesjährigen Jahresbericht vorgestellt und rät der Bundesregierung zum Abbau von Bürokratie, da die aus dem Bundesrecht herrührende Belastung von Unternehmen, Behörden und Bevölkerung stark angestiegen sei. Der NKR sieht den größten Kostentreiber im Gebäudeenergiegesetz, das "wahnsinnig kompliziert aufgesetzt worden" sei. Dem Bundesinnenministerium wirft der NKR außerdem fehlende Transparenz in Bezug auf die von ihm zu verantwortende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen vor. Positiv hob der NKR-Vorsitzende Goebel das Bürokratieentlastungsgesetz und das Wachstumschancengesetz hervor. Kritik gibt es auch vom Deutschen Richterbund (DRB), der das geplante Cannabisgesetz als "Bürokratiemonster" kritisiert. SZ (Constanze von Bullion), FAZ (Manfred Schäfers) und LTO berichten.
Grundbuch: Das Bundesjustizministerium will die Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung (GBV) ändern. Wie das Hbl (Alexander Pradka) berichtet, soll Unternehmen mit berechtigtem Interesse die Einsicht in das Grundbuch erleichtert werden. Von der Änderungen sollen vor allem Unternehmen profitieren, die eine Telekommunikationsanlage oder eine Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien errichten wollen und für ihre Vorhaben Informationen aus dem Grundbuch benötigen.
Beschäftigtendatenschutz: Rechtsanwalt Daniel Wasser erläutert im Expertenforum Arbeitsrecht den aktuellen Stand in der Debatte um eine Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes in Deutschland. Wie das Beschäftigtendatenschutzgesetz zukünftig ausgestaltet sei, sei im Moment nicht geklärt und auch die Veröffentlichung eines Entwurfes nicht absehbar.
Justiz
LG Bremen – Tim Wiese: Vor dem Landgericht Bremen hat der Zivilprozess von Ex-Fußballtorhüter Tim Wiese gegen seinen ehemaligen Verein Werder Bremen begonnen. Der Verein hatte Wiese ein Stadionverbot erteilt, nachdem er eine schwarze Servicekraft im Stadion rassistisch beleidigt haben soll. Wiese wies die Vorwürfe zurück und klagt nun gegen das Stadionverbot. Am ersten Prozesstag wurden Zeug:innen gehört. Das Gericht will am 13. Dezember mitteilen, wie es weitergeht. Die SZ (Thomas Hürner) und spiegel.de berichten.
BGH - Wandern im Walde: Ein Mann, der beim Wandern im Harz von einem umstürzenden Baum schwer verletzt wurde und seither querschnittsgelähmt ist, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Stadt Thale, zu deren Gebiet der Wald gehört. Das Wandern im Wald erfolge auf eigene Gefahr, entschied nun auch der Bundesgerichtshof, der die Vorinstanzen bestätigte. beck-aktuell berichtet.
OLG Schleswig/OLG Hamm – Eon: Die FAZ (Katja Gelinsky) berichtet, dass der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Preisanstiege beim Fernwärmeanbieter Eon als "enorm und intransparent" kritisiert und deswegen kollektive Abhilfeklagen gegen Eon bei den Oberlandesgerichten in Schleswig und Hamm einreicht. Der VZBV strebt mit Hilfe des kürzlich geschaffenen Instruments die direkte Rückerstattung für betroffene Kunden an.
LG Berlin – DUH vs. Meta: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat den Facebook-Konzern Meta vor dem Landgericht Berlin auf Schließung zweier Facebook-Gruppen verklagt, in denen es nach Angaben der DUH in der Vergangenheit zu Gewaltaufrufen gegen Mitarbeiter:innen der DUH, insbesondere gegen Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch gekommen war. Laut Bericht der SZ (Thomas Hummel/Sina-Maria Schweikle) erklärte Meta, alle rechtswidrigen Kommentare gelöscht zu haben und begründete seine weitere Untätigkeit mit der Meinungsfreiheit.
LG Bochum - Werner Mauss: Die FAZ (Jochen Zenthöfer) berichtet über das derzeit ausgesetzte Steuerstrafverfahren gegen den ehemaligen Geheimagenten Werner Mauss vor dem Landgericht Bochum. Nachdem der Bundesgerichtshof ein mildes erstinstanzliches Urteil aufgehoben hatte, hatte das Landgericht für die Klärung, ob das Mauss von ausländischen Staaten zur Finanzierung seiner Agententätigkeit zur Verfügung gestellte Geld als Betriebsvermögen oder als Privatvermögen zu qualifizieren sei, das Verfahren ausgesetzt. Experten können die Aussetzung aufgrund der klaren Vorgaben des BGH nicht nachvollziehen.
LG München I - Bushido vs. Fler: Die gerichtliche Fehde zwischen den Rappern Bushido und Fler geht in die nächste Runde. Bushido klagt vor dem Landgericht München I seine Markenrechte an dem Albumtitel "Carlo Cokxxx Nutten" ein, nachdem Fler neben T-Shirts und CDs auch eine Lederjacke mit einer Aufschrift des Albumnamens über das Internet verkauft. Bushido verlangt nun Unterlassung, Schadensersatz und Rückruf sowie Vernichtung der Fanartikel, wie bild.de berichtet.
VG Düsseldorf zu Masernimpfung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass bei berechtigten Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit eines ärztlichen Zeugnisses über medizinische Kontraindikationen gegen die Masernimpfung das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung anordnen kann. Allerdings dürfe die Untersuchung nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Falls die Anordnung nicht befolgt werde, könne ein Betretensverbot verhängt werden, so das Gericht. In dem zugrundeliegenden Fall hatte das Gesundheitsamt Zweifel an der Richtigkeit eines ärztlichen Attests für einen siebenjährigen Schüler, der von Impfungen freigestellt worden war. beck-aktuell berichtet.
FG Hessen zu Kindergeldantrag per beA: Das Hessische Finanzgericht hat entschieden, dass ein per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (beA) eingereichter Kindergeldantrag nicht der Schriftform genügt. Der Senat begründete seine Auffassung mit der Vergleichbarkeit von beA-Verkehr zum Verkehr per E-Mail, außerdem mit einer sonst drohenden Bevorzugung der Anwaltschaft in privaten Angelegenheiten, so LTO.
StA Kiel - Untreue von Anwalt: Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt gegen den Kieler Anwalt Alexander Viktor F. wegen gewerbsmäßiger Untreue. Der Anwalt soll in seiner Rolle als Berufsbetreuer 240.000 Euro von sieben Personen veruntreut haben. bild.de (Jan-Henrik Dobers) berichtet.
Recht in der Welt
Italien – ’Ndrangheta-Prozess: Im größten Prozess seit Jahrzehnten gegen die Mafia in Italien wurden in Lamezia Terme die Urteile verkündet. Das Gericht verurteilte unter anderen den für die Mafia arbeitenden Politiker Giancarlo Pittelli (Forza Italia) zu elf Jahren und zwei Bosse der ’Ndrangheta zu 30 Jahren Haft. Auch ehemalige Polizisten und korrupte Beamte wurden zu Haftstrafen verurteilt. Insgesamt wurden gegen rund 200 Personen Gefängnisstrafen von einigen Monaten bis zu 30 Jahren verhängt. Die SZ (Marc Beise), FAZ (Matthias Rüb), spiegel.de und tagesschau.de berichten.
Spanien – Shakira: Die kolumbianische Popsängerin Shakira hat am Landgericht von Barcelona Steuerhinterziehung in Höhe von 14,5 Millionen Euro eingeräumt, nachdem sie bislang ihre Unschuld betont hatte. Shakira entkam mit dem Eingeständnis einer Haftstrafe von acht Jahren und zwei Monaten, muss jedoch die Steuern nachzahlen und eine Geldstrafe in Höhe mehrerer Millionen Euro erbringen. Die SZ (Anna Fischhaber), FAZ (Hans-Christian Rößler) und LTO berichten.
Großbritannien - Asylverfahren in Ruanda: Die Rechtsprofessorinnen Cathryn Costello und Catherine Briddick diskutieren auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) über das Urteil des UK-Supreme Courts von vergangener Woche, das die Eigenschaft von Ruanda als sicherer Drittstaat verneinte. Sie kritisieren auch die aus ihrer Sicht "problematische" Reaktion der britischen Politik, die gegenläufige Notgesetzgebung ankündigte oder sogar vorschlug, das Urteil zu ignorieren und Asyl-Antragsteller:innen dennoch nach Ruanda zu verbringen.
Sonstiges
BNetzA – Netzausbau: Die Bundesnetzagentur hat "wegen schuldhafter nicht rechtzeitiger vollständiger Erfüllung der Versorgungsauflagen" ein Bußgeldverfahren gegen die Mobilfunkbetreiber Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone eingeleitet. Wie FAZ, spiegel.de und LTO berichten, hatten sich die Unternehmen beim Erwerb von Lizenzen zur Erfüllung bestimmter Vorgaben zur Netzabdeckung verpflichtet, dies bisher allerdings nicht umgesetzt. Die Unternehmen berufen sich auf Ausnahmeregelungen, da ihnen der Ausbau an bestimmten Orten tatsächlich unmöglich gewesen sei.
Nachhaltigkeitsberichterstattung: Wie sich Versicherungsunternehmen in den letzten Jahren auf die am 1. Januar in Kraft tretende "Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD) vorbereitet haben, beschreibt die FAZ (Philipp Krohn).
In einem separaten Kommentar kritisiert Philipp Krohn (FAZ) zwar, dass der "Brüsseler Gesetzgeber mit manchen Anforderungen übers Ziel hinausgeschossen" sei, es sei jedoch sinnvoll, "dass auch kleinere und mittelgroße Unternehmen über wesentliche ökologische Folgen ihres Handelns berichten."
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LTO/lkh/chr
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Die juristische Presseschau vom 21. November 2023: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53220 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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