Nancy Faeser äußerte sich vor dem Innenausschuss des Bundestags zur Schönbohm-Affäre. CDU-CSU mit 12 Forderungen zur Asyl-Verschärfung. Verteidigung des Warburg-Bankiers Christian Olearius fordert Freispruch.
Thema des Tages
Faeser/Schönbohm: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat doch noch vor dem Innenausschuss des Bundestags ihr Verhalten in der Affäre um die Abberufung von Jörg Schönbohm als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) rechtfertigt. Wiederholt war ihr vorgeworfen worden, den damaligen BSI-Chef Schönbohm im Herbst 2022 nach einem kritischen Fernsehbeitrag von Jan Böhmermann ohne triftigen Grund von seinen Aufgaben entbunden zu haben. Laut Faeser sei es ihr Hauptziel gewesen, "Schaden vom BSI abzuwenden". Den Verfassungsschutz habe sie nicht instrumentalisiert, sondern nur einmal angefragt. Aus Sicht der Opposition sind damit noch nicht alle Vorwürfe ausgeräumt. Grüne und FDP kritisierten, dass Faeser dem Ausschuss erst jetzt Auskunft zu den von der Union erhobenen Vorwürfen gibt. Schönbohm verlangt Schadensersatz wegen seiner Abberufung. FAZ (Helene Bubrowski), SZ (Nicolas Richter), taz (Konrad Litschko), Hbl (Martin Greive/Dietmar Neuerer), Welt (Nikolaus Doll), LTO und spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) berichten. Die SZ (Constanze von Bullion/Gianna Niewel) beschäftigt sich in einer Seite 3-Reportage nicht nur mit Faesers Aussage vor dem Innenausschuss, sondern auch mit ihrem Vertrauensverlust, der auch Auswirkungen auf die anstehenden Wahlen in Hessen haben dürfte, bei denen Faeser kandidiert.
Reinhard Müller (FAZ) meint, Faeser hätte dem Parlament umgehend Rede und Antwort stehen müssen, da in diesem Fall nicht der Eindruck entstanden wäre, "sie nähme die Volksvertretung nicht ganz so ernst".
Rechtspolitik
Asyl: Nach Bericht der SZ (Robert Roßmann) will die CDU/CSU am morgigen Freitag einen Antrag "Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik" in den Bundestag einbringen. Die darin enthaltenen 12 Forderungen beinhalten unter anderem die Erweiterung der Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten um Georgien, Moldawien, Indien, Tunesien, Marokko und Algerien. Darüber hinaus verlangt die Union unter anderem, dass Abschiebungshaft unabhängig von Asylanträgen möglich sein soll, auch bei Folgeanträgen. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen ein eigenständiger Haftgrund sein, die Grenzkontrollen sollen verstärkt werden. Das Individualrecht auf Asyl wird nicht in Frage gestellt, auch eine Obergrenze von Asylanerkennungen wird nicht gefordert.
Dokumentation der Hauptverhandlung: Am heutigen Donnerstag befasst sich der Bundestag mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur audiovisuellen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung. Dieser sieht vor, dass die Inhaltsdokumentation der erstinstanzlichen Hauptverhandlungen an Land- und Oberlandesgerichten mindestens durch eine Tonaufzeichnung erfolgt, die automatisiert transkribiert wird. Wie spiegel.de (Alexander Preker) schreibt, sprechen sich insbesondere Strafverteidiger:innen für die geplante Aufzeichnung aus, während viele Richter:innen das Vorhaben kritisieren.
Rechtsanwalt Stephan Beukelmann erklärt auf LTO, warum er die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, die im EU-Ausland bereits gängige Praxis ist, für längst überfällig hält.
Strafgefangenen-Entlohnung: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juni zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht gegeben hatte, die gegen ihre niedrige Vergütung geklagt hatten, möchte Thüringen die gesetzlichen Grundlagen für die Beschäftigung in Justizvollzugsanstalten "in den nächsten zwei Jahren" entsprechend anpassen, berichtet LTO. Eine vom Strafvollzugsausschuss der Länder eingesetzte Arbeitsgruppe werde noch in diesem September einen ersten internen Bericht vorlegen. Die Karlsruher Richter hatten Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger bei der Beschäftigung in Haftanstalten für verfassungswidrig erklärt, sofern dahinter kein wirksames Konzept zur Resozialisierung der Betroffenen steht.
Prostitution: Die Zeit (Mariam Lau) gibt einen Überblick über die zunehmende Forderung nach einem Sexkaufverbot, für das sich vor allem die Abgeordneten Dorothee Bär (CSU) und Leni Breymaier (SPD) einsetzen. Bei Prostitution gehe es nicht um Sex, sondern um Macht.
Nach einer INSA-Umfrage für bild.de spricht sich nur jede:r Fünfte in Deutschland für ein Sexkauf-Verbot in Deutschland aus (21 Prozent). Ein Drittel (34 Prozent) ist dagegen. Ein weiteres Drittel (33 Prozent) gibt an, es sei ihnen egal.
Justiz
LG Bonn – Cum-Ex/Christian Olearius: Im Cum-Ex-Prozess gegen den Miteigentümer der Privatbank M.M. Warburg, Christian Olearius, hat die Verteidigung den Vorwurf der besonders schweren Steuerhinterziehung zurückgewiesen. Olearius habe von den vorgeworfenen Cum-Ex-Manipulationen nichts gewusst. Tagebucheinträge aus den Jahren 2005 bis 2011, in denen er notiert habe, dass die rechtliche Zulässigkeit der Geschäfte sorgfältig geprüft werden müsste, seien entlastend. Am 16. Oktober will sich Olearius selbst zu den Vorwürfen äußern. Bislang sind 28 Verhandlungstage bis März 2024 terminiert. FAZ (Marcus Jung), Hbl (René Bender/Sönke Iwersen/Martin Müller/Volker Votsmeier), LTO und spiegel.de berichten.
BVerfG – Cum-Ex-U-Ausschuss Bundestag: Nun berichtet auch die FAZ (Marcus Jung/Manfred Schäfers) über die Organklage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen die Weigerung der Bundestags-Ampelmehrheit, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, in dem u.a. die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Hamburger Bürgermeister bei der zögerlichen Rückforderung von illegal an die Warburg-Bank erstatteten Steuern aufgeklärt wird.
BGH zu rechtlichem Gehör in der Berufung: LTO (Max Kolter) stellt einen Beschluss des Bundesgerichtshofs von Anfang August vor, in dem ein Urteil des Landgerichts München II wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgehoben wurde. Hintergrund des Falls war die zunächst vor dem Amtsgericht Wolfratshausen behandelte Frage, ob der Eigentümer eines vermieteten Hausgrundstücks den Mietern zulässig wegen Eigenbedarf gekündigt hatte. Das LG als Berufungsgericht hatte keine eigene Beweisaufnahme durchgeführt und sich mit den gegen die Glaubhaftigkeit der Eigenbedarfskündigung vorgetragenen Bedenken der Mieter inhaltlich gar nicht erst auseinandergesetzt. Damit habe es sich zu Unrecht wie ein Revisionsgericht verhalten. Es liege eine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs vor.
BGH zur Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Der Bundesgerichtshof hat in einem jahrelangen Rechtsstreit um die Umstellung der Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter:innen im öffentlichen Dienst entschieden, dass die jüngste VBL-Übergangsregelung von 2018 nicht – wie zwei frühere Fassungen - gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Der mehr als 20 Jahre währende Rechtsstreit über die 2001 erfolgte Umstellung bei der Zusatzversorgung hat damit ein Ende gefunden. FAZ (Katja Gelinsky) und zeit.de berichten.
BVerwG zur LNG-Pipeline Rügen: Das Bundesverwaltungsgericht hat auch den Antrag des Naturschutzbundes (Nabu) auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bau einer 50 Kilometer langen Rohrleitung abgelehnt, die ein LNG-Terminal auf der Ostseeinsel Rügen mit einem Gasleitungsknotenpunkt in Lubmin verbinden soll. Die Begründung entspreche laut Gericht in wesentlichen Teilen der Begründung der Ablehnung des Antrags der Deutschen Umwelthilfe (DHU) in der vergangenen Woche. Der Bedarf für die Leitung sei durch das LNG-Beschleunigungsgesetz gesetzlich festgestellt worden und der Planfeststellungsbeschluss gehe zu Recht davon aus, dass die Gasversorgungskrise in den kommenden Heizperioden fortbestehe. Der Nabu hatte den Baustopp beantragt, um insbesondere Baggerarbeiten an gesetzlich geschützten Riffen zu verhindern. spiegel.de berichtet.
LG Dortmund – geplanter islamistischer Giftanschlag: Vor dem Landgericht Dortmund hat am Mittwoch der Prozess gegen einen iranischen Staatsbürger aus Castrop-Rauxel begonnen, der einen islamistischen Anschlag mit einer Giftbombe geplant haben soll. Nach Überzeugung der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf plante der 26 Jahre alte Jalal J., mittels Rizin und Cyanid eine möglichst große Zahl von arg- und wehrlosen Menschen zu töten. Der 32 Jahre alte Bruder von J. geriet zunächst ebenfalls ins Visier der Ermittler:innen. Das Verfahren gegen ihn wurde aber eingestellt, weil keine Hinweise gefunden werden konnten, dass er in die Anschlagspläne von Jalal J. eingebunden war. Die FAZ berichtet.
LG Koblenz zur Entlassung von Klaus Bräunig: Die taz (Marion Mück-Raab) berichtet über die nunmehr rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Koblenz, wonach die lebenslange Haftstrafe des wegen Doppelmordes verurteilten Klaus Bräunig, der seit mehr als 53 Jahren im Gefängnis sitzt, doch noch zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der heute 79-Jährige wurde 1972 in einem umstrittenen Indizienprozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, bestreitet die Tat aber bis heute. Eine Entlassung scheiterte bisher, da die Koblenzer Richter von einer Rückfallgefahr ausgegangen waren. Im März 2023 hob das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des LG Koblenz auf. Dieses musste sich daher erneut mit der Entlassung von Bräunig befassen. Dabei ergab ein psychiatrisches Gutachten, dass von Bräunig keine Gefahr ausgehe. Bräunig fordert weiterhin eine Wiederaufnahme seines Verfahrens.
LG Paderborn - "Horrorhaus von Höxter"/Wilfried W.: Wie spiegel.de schreibt, besteht laut einem forensischem Gutachter bei Wilfried W., der in einem Haus in Höxter zusammen mit seiner ebenfalls verurteilten Ex-Frau über Jahre mehrere Frauen gequält und dadurch den Tod zweier Frauen verursacht hatte, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und eine hohe Rückfallgefahr. Wilfried W. war 2018 zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Da er als vermindert schuldfähig eingestuft worden war, kam er in die Psychiatrie. Nachdem Zweifel an seiner eingeschränkten Steuerungsfähigkeit aufgekommen waren, hob das Landgericht Münster diese Entscheidung 2020 auf. Seitdem sitzt der heute 53-Jährige im regulären Strafvollzug. In dem nun laufenden Prozess muss das Landgericht Paderborn entscheiden, ob Wilfried W. nach Verbüßen seiner Haftstrafe in Sicherungsverwahrung kommt.
AG Köln zu falscher Verdächtigung/Vergewaltigung: Die Zeit (Luisa Hommerich) berichtet über den Prozess vor dem Amtsgericht Köln gegen William Gensee aus Liberia, der seinen Ex-Freund beschuldigt hatte, ihn vergewaltigt zu haben und daraufhin selbst wegen falscher Verdächtigung angeklagt wurde. Auch dieses Verfahren wurde nunmehr eingestellt. Wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen sei die Wahrheitsfindung oft schwierig. Es stelle sich daher die Frage, was ein solches Verfahren mit Opfern von Sexualstraftaten mache und wer sich noch traue, eine Vergewaltigung anzuzeigen, sofern er im Gegenzug fürchten müsse, sich strafbar zu machen.
AG Berlin-Tiergarten zu Klimaprotest/Beschmieren des Kanzleramts: Ein Klimaaktivist der "Letzten Generation" ist vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt worden, weil er sich an Straßenblockaden beteiligt und außerdem "Wo ist Olaf" auf die Fassade des Bundeskanzleramts geschrieben hatte. spiegel.de berichtet.
Recht in der Welt
Indonesien – Blasphemie-Urteil: Laut spiegel.de wurde eine 33-jährige Frau in Indonesien zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie auf Tiktok ein Video veröffentlicht hatte, in dem sie ein muslimisches Gebet vor dem Genuss von Schweinefleisch gesprochen hatte. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Gesetz.
USA – Hunter Biden: Wie spiegel.de schreibt, möchte der wegen falscher Angaben beim Kauf einer Waffe im Jahr 2018 angeklagte Sohn von US-Präsident Joe Biden, Hunter Biden, auf "nicht schuldig" plädieren und beim nächsten Gerichtstermin nicht persönlich erscheinen, sondern sich per Videokonferenz äußern. Zuvor war ein Deal zwischen Biden und der Staatsanwaltschaft geplatzt.
Juristische Ausbildung
Studiendauer: LTO-Karriere stellt die aktuelle Ausbildungsstatistik des Bundesamts für Justiz vor. Diese hat ergeben, dass Jurastudierende im Jahr 2021 durchschnittlich 10,9 Semester studiert haben und damit fast ein Semester länger als im Jahr 2020. Am schnellsten waren die Studierenden aus Nordrhein-Westfalen, knapp dahinter landeten die Studierenden aus Baden-Württemberg.
Polizeischicht im Referendariat: Der Rechtsreferendar und wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Hübner schreibt auf LTO- Karriere über eine Schicht bei der Polizei, die er im Rahmen seiner Strafstation absolviert hat.
Sonstiges
Parodie-Accounts: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Hinderks setzt sich auf dem Verfassungsblog mit Accounts in den sozialen Netzwerken auseinander, die staatliche Amtsträger parodieren. Zwar genieße die Parodie grundrechtlichen Schutz, das Problem beginne allerdings dort, wo die Parodie den Eindruck erweckt, es handele sich tatsächlich um einen Account der parodierten Person. In einem solchen Fall müssten die parodierten Entscheidungsträger zumindest verlangen können, dass die parodistische Natur des Accounts deutlich klargestellt wird.
"Employer of Record": Die Rechtsanwälte Stefan Middendorf und Gracjan Modrzyk stellen im Expertenforum Arbeitsrecht das Geschäftsmodell des "Employer of Record" vor. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass einem in Deutschland ansässigen Unternehmen ein im Ausland lebender und bei einem dort ansässigen Vertragsarbeitgeber angestellter Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen wird. Aufgrund des Territorialitätsprinzips bedarf der Vertragsarbeitgeber keiner Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, genauso wenig wie der Geschäftsbesorger, der bloß Vermittler ist; dies zumindest dann, wenn der Tätigkeitsort des Leiharbeitnehmers in Gänze außerhalb Deutschlands liegt.
Missbrauch in der katholischen Kirche: Rechtsprofessor Josef Isensee befasst sich im "Staat und Recht"-Teil der FAZ mit der Missbrauchskrise in der katholischen Kirche und konstatiert, dass diese mittlerweile eine Bischofskrise nach sich gezogen hat. Nach Auffassung des Autors stießen allerdings die legitimen Forderungen der Opfer an Grenzen. Zu diesen Grenzen gehöre die Achtung, die die Kirche sich selbst schulde, sowie die Pietät, die sie ihren verstorbenen Amtsträgern zu wahren hat. Vor diesem Hintergrund spricht sich der Autor gegen eine diözesane Vergangenheitsbewältigung mittels Schuldtafeln oder Umbettungen aus.
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LTO/bo/chr
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Die juristische Presseschau vom 21. September 2023: . In: Legal Tribune Online, 21.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52751 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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