Welche Konsequenzen werden aus den Angriffen auf Einsatzkräfte an Silvester gezogen? Frankfurts Ex-OB wehrt sich gegen seine Verurteilung. Bei der Einstellung in die Justiz werden die Anforderungen zunehmend abgesenkt.
Thema des Tages
Angriffe auf Einsatzkräfte: Nachdem in der Silvesternacht in Berlin 33 Polizist:innen und Feuerwehrleute mit Böllern und Raketen angegriffen, behindert und verletzt wurden, wird intensiv über ein generelles Böllerverbot und Strafrechtsverschärfungen diskutiert. So forderte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) ein bundesweites Verkaufsverbot, denn lokale Böllerverbotszonen seien nur mit viel Aufwand zu kontrollieren. Dagegen hält Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, ein auf bestimmte Orte und Zeiten beschränktes Verbot für vernünftig. Auch der Berliner CDU-Landeschef Kai Wegener sprach sich gegen ein allgemeines Böllerverbot aus. Ihm zufolge handele es sich um ein gesellschaftliches Problem, das mit "Anerkennung und Respekt für die Berufe von Polizei und Feuerwehr" sowie mit der "Durchsetzung geltenden Rechts" behoben werden müsste. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies darauf hin, dass die Strafvorschriften zum Schutz von Einsatzkräften bereits 2017 verschärft wurden. Eine erneute Gesetzesänderung sei nicht notwendig, dafür aber eine konsequente Strafverfolgung umso wichtiger. Es berichten SZ, FAZ (Helene Bubrowski/Markus Wehner), taz (Sabine am Orde/Bert Schulz), LTO, tagesschau.de (Kolja Schwartz) und spiegel.de.
Georg Ismar (SZ) hält die Diskussion um ein Böllerverbot für verfehlt, denn die Angriffe auf Einsatzkräfte seien kein "reines Silvesterproblem". Viele junge Menschen sähen den Staat als "Feindbild" und griffen daher dessen Vertreter an. Er schlägt vor, Kameras an Feuerwehrfahrzeugen anzubringen, um Taten dokumentieren zu können. Für kleinere Delikte sollten Ersatzstrafen wie ein befristete Führerscheinentzug verhängt werden. Außerdem sollten Schulen den Wert öffentlicher Institutionen besser verdeutlichen.
taz (Christian Rath), und zdf.de (Jan Henrich) erläutern, welche Taten im Zusammenhang mit den Vorkommnissen der Silvesternacht heute schon strafbar sind. Es gehe um Körperverletzung, tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel. In der Sprengstoff-Verordnung sei bereits ein Böllerverbot enthalten, für das es nur an Silvester Ausnahmen gebe. Örtliche Behörden könnten aber auch lokale Verbote an Silvester anordnen. In einem Interview mit spiegel.de (Guido Kleinhubbert) spekuliert Thomas Feltes, emeritierter Rechtsprofessor und Kriminologe, über die Beweggründe von Tätern, die Einsatzkräfte attackieren. Ihm zufolge könne ein Gefühl des Ausgeschlossenseins die Ursache sein. "Und wenn dann auch noch Alkohol dazukommt, brechen bei einigen alle Dämme." Außerdem biete Silvester viele Tatmöglichkeiten.
Rechtspolitik
Containern: Nun berichtet auch spiegel.de über die Forderung von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Containern nicht mehr zu bestrafen.
Justiz
LG Frankfurt/M. zu Ex-OB Peter Feldmann: Der abgewählte Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hat nach seiner Verurteilung durch das Landgericht Frankfurt/M. Revision eingelegt. Das Gericht hatte ihn im Dezember zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 175 Euro wegen Vorteilsannahme verurteilt. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden. Es schreiben LTO und spiegel.de.
BFH in 2022: LTO (Stefan Schmidbauer) fasst zehn wichtige BFH-Entscheidungen aus dem Jahr 2022 zusammen. So hat der Bundesfinanzhof unter anderem die steuerrechtliche Unzulässigkeit von Cum-Ex-Geschäften festgestellt und sich mit Themen wie der steuerlichen Absetzbarkeit von Arbeitskleidung im Bestattungsgewerbe, der Gemeinnützigkeit von betriebsnahen Kitas sowie Steuerprivilegierungen für Sportvereine beschäftigt.
OLG Düsseldorf zu Gewehr-Patent: Nun berichtet auch die FAZ (Peter Carstens) über die erneute Niederlage des thüringischen Waffenherstellers Haenel im Patentstreit gegen die Konkurrenzfirma Heckler & Koch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
LG Traunstein – Ex-Papst Benedikt XVI.: Vor dem Landgericht Traunstein läuft das Feststellungsklage-Verfahren gegen Papst Benedikt XVI. wegen möglicher Vertuschung von Missbrauch in der Kirche trotz seines Todes am Silvestermorgen weiter. Der Verstorbene wurde von der Kanzlei Hogan Lovells als Prozessbevollmächtigte vertreten, die bislang aber keine Unterbrechung des Verfahrens beantragt hat. In diesem Fall wird § 239 ZPO, nach dem das Verfahren grundsätzlich aufgrund des Todes einer Partei unterbrochen wird, nicht angewandt. Ein Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens ist solange möglich, bis geklärt ist, wer die Erben des Papstes sind. Es berichtet LTO.
AG Weinheim – unrichtige Maskenbefreiung: Vor dem Amtsgericht Weinheim haben am Montag etwa 100 Anhänger:innen der Querdenker-Bewegung gegen die erwartete Verurteilung einer Ärztin protestiert. Der 59-Jährigen, die sich als Kritikerin der Pandemiepolitik positioniert hatte, wird vorgeworfen, mehr als 4.000 falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben, um Personen von der Maskenpflicht zu befreien. Die Atteste sollen dabei in der Regel ausgestellt worden sein, ohne zuvor ein Anamnesegespräch geführt zu haben. Dem Bundesgerichtshof zufolge liege in einem solchen Fall ein "falsches" Attest vor. Es berichtet die FAZ (Rüdiger Soldt).
AG Berlin-Tiergarten – Angriff auf ZDF-Team: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen drei Männer und eine Frau im Alter von 27 bis 33 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben, nachdem am 1. Mai 2020 ein ZDF-Fernsehteam am Rande einer Demonstration gegen die damaligen Corona-Maßnahmen attackiert wurde. Den Angeklagten wird vorgeworfen, auf die Journalist:innen und Sicherheitsleute eingetreten und mit Metallstangen eingeschlagen zu haben. Die Angreifer:innen sollen eine Verbindung zur linken Szene haben. LTO berichtet.
Personalmangel in der Justiz: Fast alle Bundesländer haben die Einstellungsvoraussetzungen für die Staatsanwaltschaft und das Richteramt abgesenkt, um Nachwuchsmangel in der Justiz zu vermeiden. LTO-Karriere (Pauline Dietrich) stellt detailliert dar, welche Examensnoten jeweils in den Bundesländern verlangt werden und welche anderen Qualifikationen wie die Berufserfahrung auch berücksichtigt werden.
Recht in der Welt
IGH - Palästina: Nun berichtet auch die SZ (Peter Münch) über die Resolution der UN-Vollversammlung, nach der der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein völkerrechtliches Gutachten über die israelische Besatzung des palästinensischen Westjordanlands erstellen soll.
Ronen Steinke (SZ) begrüßt das Vorgehen, denn aus völkerrechtlicher Sicht sei "klar", dass das Vorgehen Israels, indem es sich vor Jahrzehnten die Gebiete "einverleibte", nicht rechtmäßig gewesen sei. Es sei das "Mindeste", dass diejenigen, denen Unrecht zugefügt wurde, sich verbal wehren und Unterstützung von anderen Staaten suchen können, um die Legitimität ihrer Position zu bestätigen - auch wenn Israel am Ende auf das IGH-Gutachten pfeifen werde.
USA – Twitter/Miete: Der Vermieter des Twitter-Büros im Hartford Building in San Francisco hat gegen Twitter wegen Mietrückständen in Höhe von 136.260 Dollar Klage eingereicht. Laut spiegel.de (Markus Böhm) gehört das Zurückhalten von Mietzahlungen zu einer Sparstrategie des Kurznachrichtendienstes.
USA - Banken/Epstein-Opfer: Die Deutsche Bank und JPMorgan haben vor einem US-Bundesgericht die Abweisung von Sammelklagen von Opfern des verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein beantragt. Die Kläger hätten nicht ausreichend dargelegt, dass die Banken Epsteins Missbrauchsring durch Bankdienstleistungen zwischen 2013 und 2018 ermöglicht hätten. Zudem seien die Beziehungen zu Epstein beendet worden, nachdem Missbrauchvorwürfe gegen ihn im Jahr 2018 bekannt geworden waren. Dies meldet die SZ.
Belgien/EU - Korruption durch Katar: Im Korruptionsskandal um das Europaparlament wollen die belgischen Behörden gegen zwei Abgeordnete ermitteln und haben hierzu die Aufhebung von deren Immunität beantragt. Es soll sich bei den Betroffenen um die Sozialdemokraten Marc Tarabella und Andrea Cozzolino handeln. Der Antrag wird am 16. Januar im Plenum des Parlaments öffentlich gemacht. Anschließend wird der Rechtsausschuss des Parlaments diesen bewerten und eine Empfehlung abgegeben, über die das Plenum mit einfacher Mehrheit entscheidet. Es berichten SZ (Josef Kelnberger) und spiegel.de.
Russland – Strafpolitik: In einem Interview mit der SZ (Frank Nienhuysen) erläutert die Gründerin der russischen Hilfsorganisation "Russia Behind Bars" Olga Romanowa, warum Strafen gegen Kriegskritiker:innen sehr unterschiedlich ausfallen. Langjährige Haftstrafen gebe es vor allem für Wiederholungstäter:innen, die keine Reue zeigen. Romanowa zufolge seien seit Kriegsbeginn 35.000 männliche Gefangene zum Kämpfen in der Ukraine angeworben worden, was Platz in den Strafkolonien geschaffen habe. Hingegen seien die Untersuchungsgefängnisse überfüllt.
Russland/Ukraine – Bürgerjournalistin verurteilt: Der FAZ (Michael Hanfeld) zufolge wurde die ukrainische Bürgerjournalistin Irina Danilowitsch von einem durch russische Besatzungsbehörden auf der Krim eingesetzten Gericht zu einer siebenjährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe in Höhe von 650 Euro wegen des Besitzes von Sprengstoff verurteilt. Sie wurde im April letzten Jahres vom russischen Geheimdienst, dem Föderalen Sicherheitsdienst (FSB), entführt und festgehalten. Ihren Angaben nach wurde sie auch gefoltert. Die NGO Reporter ohne Grenzen fordert ihre Freilassung und sieht in dem Urteil eine Methode, um unabhängige Medienschaffende auf der Krim "zum Schweigen" zu bringen.
Iran – Todesurteile nach Protesten: spiegel.de berichtet, dass im Iran der 18-jährige Mehdi M. wegen "Korruption auf Erden" und "Feindschaften gegen Gott" zum Tode verurteilt wurde, Ihm wird vorgeworfen, er habe im Zuge der landesweiten Proteste ein Haus der Verkehrspolizei in der Stadt Nowschar im Westen des Landes angezündet . Zudem erging gegen den 19-jährigen Mohammed B. ebenfalls ein Todesurteil als "Feind Gottes", weil er einen Sicherheitsbeamten mit einem Messer attackiert und den Verwaltungssitz in der Stadt Pakdascht südöstlich der Hauptstadt Teheran angesteckt haben soll.
Sonstiges
Cyberkriminalität: Einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge sind 75 Prozent der Internetnutzer:innen im vergangenen Jahr Opfer von Cyberkriminalität geworden. Dabei wurden unter anderem bei 27 Prozent heimlich Schadprogramme auf PCs oder Laptops platziert, 29 Prozent wurden beim Online-Shopping betrogen und 13 Prozent bei Geldgeschäften wie Onlinebanking. 17 Prozent stellten Hacker-Software auf ihrem Smartphone fest. Die Mehrheit der Befragten fordert mehr polizeiliche Präsenz im digitalen Raum. Dies schreibt die FAZ (Stephan Finsterbusch).
Das Letzte zum Schluss
Untypischer Schlafplatz: Wie spiegel.de berichtet, hat ein 43-Jähriger in der Neujahrsnacht auf der Autobahn in Nordrhein-Westfalen auf dem Mittelstreifen angehalten, um zu schlafen. Er sei stark alkoholisiert gewesen und habe Glück gehabt, dass es zu keinem Unfall gekommen ist, so die Autobahnpolizei Herford, die ihn schlafend am Steuer vorfand.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/ok/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 3. Januar 2023: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50641 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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