Der EuGH verkündet heute sein Urteil zur deutschen Vorratsdatenspeicherung. EU-Kommission will bessere Vorbereitung der EU-Staaten auf Ausbruch einer Krise. Für die Benutzung von Hintergrundmusik im Theater genügt Zahlung der Gema-Gebühr.
Thema des Tages
EuGH - Vorratsdatenspeicherung: Markus Sehl (LTO) prognostiziert, dass der Europäische Gerichtshof am heutigen Dienstag das ausgesetzte deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in weiten Teilen beanstanden wird. Das Urteil werde innerhalb der Ampelkoalition zu einem "ersten großen innenpolitischen Streitthema" führen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will den vom EuGH gelassenen Spielraum ausnutzen, während Justizminister Marco Buschmann (FDP) eine Quick-Freeze-Lösung vorschlägt. Helene Bubrowski (FAZ) schildert zudem, wie die beiden Ministerien den Koalitionsvertrag unterschiedlich auslegen und mit unterschiedlichen Aufklärungsquoten bei Kinderpornografie argumentieren.
deutschlandfunk.de (Peggy Fiebig) gibt einen ausführlichen Überblick über die vergangenen Entwicklungen der Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung und zu den Plänen innerhalb der Koalition.
Rechtspolitik
Notfallinstrument für EU-Binnenmarkt: Die EU-Kommission hat den Verordnungsentwurf "Notfallinstrument für den Binnenmarkt" (SMEI) vorgestellt, der sicherstellen soll, dass die Mitgliedstaaten bei Ausbruch einer Krise künftig besser vorbereitet sind. Er beinhaltet neue weitreichende Befugnisse der EU-Kommission, um Versorgungsengpässe in Krisen zu verhindern. So kann die Kommission in der Notfallstufe EU-Staaten untersagen, die Ausfuhr wichtiger Produkte ins EU-Ausland zu verbieten. Auch kann sie Konzerne in Ausnahmefällen zwingen, Bestellungen für strategische Güter vorrangig zu behandeln - zulasten anderer Order. Die Kritik, der Entwurf bilde den Einstieg in eine "Planwirtschaft", wies die Kommission zurück. Der Vorschlag sorge für einen funktionierenden Markt und bewirke damit das "Gegenteil" einer Planwirtschaft, so EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager. Es berichten Björn Finke (SZ), FAZ (Hendrick Kafsack), taz (Eric Bonse), Hbl (Christoph Herwartz/Moritz Koch/Carsten Volkery) und spiegel.de.
Eric Bonse (taz) ist der Meinung, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen handele nach Winston Churchills Motto "Never waste a good crisis" und präsentiere sich als "Retterin in der Not". Der Vorschlag sei "unausgegoren" und gehöre daher "zurück in die Schublade". Man solle sich lieber darauf konzentrieren, was in der Pandemie schiefgegangen sei und diese Fehler beheben.
EDV-Gerichtstag: LTO berichtet über den diesjährigen EDV-Gerichtstag in Saarbrücken. Im Zentrum stand die Frage, welche Herausforderung die Digitalisierung für die Justiz mit sich bringt. Dabei waren Themen wie Legal Tech, künstliche Intelligenz und die Digitalisierbarkeit von Gesetzen von Bedeutung.
Taxonomie: Mehrere Umweltorganisationen wollen die von der EU beschlossenen Regeln kippen, nach denen ab Januar Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft werden. Hierzu forderten unter anderem Greenpeace, WWF und der Umweltverband BUND die EU-Kommission auf, die in Frage stehenden Regelungen zurückzuziehen. Falls bis Februar keine entsprechende Reaktion erfolge, wolle man vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Dies berichten LTO und spiegel.de.
Entschädigung bei Justizirrtum: Wie LTO meldet, hat das Bundesjustizministerium Eckpunkte zur Reform des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ausgearbeitet und veröffentlicht. Im Fokus stehen dabei Personen, denen aufgrund eines Justizirrtums eine Entschädigung für erlittene Straf- und Untersuchungshaft zusteht. Das BMJ-Papier sieht für diesen Fall eine höhere Entschädigungszahlung vor. Personen, denen "von staatlicher Seite Unrecht widerfahren ist", sollen angemessen entschädigt werden, so Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Medienstaatsvertrag: In einem Interview mit der FAZ (Helmut Hartung) gibt NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) einen Überblick über die geplante Reform des Medienstaatsvertrages. Änderungen seien in diesem Paket vor allem hinsichtlich der Finanzierung des Rundfunks vorgesehen. Nach den "Vorfällen" beim RBB und anderen ARD-Anstalten sei dies gerade im Bereich Aufsicht und Kontrolle umso "dringlicher".
Preisabschläge für Medikamente: Die Gesundheitsbranche kritisiert das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkasse, das unter anderem verschiedene Preisabschläge für neu eingeführte Medikamente vorsieht. Es sei zu befürchten, dass sich die Versorgung der Patienten mit innovativen Arzneimitteln verschlechtere, wenn sich der Verkauf von Arzneimitteln auf dem deutschen Markt nicht mehr lohne. Laut Hbl (Maike Telgheder) sei schon jetzt zu beobachten, dass Konzerne wie Johnson & Johnson den Markteintritt verschieben.
Justiz
BGH zu Bühnenmusik: Der Bundesgerichtshof hat im jahrelangen Streit um die Musik des Komponisten Parviz Mir-Ali für die Düsseldorfer Theateraufführung von Fjodor Dostojewskis "Der Idiot" entschieden. Mit einem jetzt veröffentlichten Urteil aus dem April hob der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen auf, weil diese nicht ausreichend geprüft hatten, ob es sich bei der Musik um einen integralen Bestandteil der Aufführung handele oder sie nur eine Hintergrundmusik darstelle, die der musikalischen Untermalung der Aufführung diene. Für die Benutzung des Werkes als Hintergrundmusik würden keine zusätzlichen Lizenzgebühren anfallen, so der BGH, sondern die Bezahlung von Gema-Gebühren durch das Düsseldorfer Spielhaus genügen. Ausschlaggebend für diese Bewertung sei, ob ein enger innerer Zusammenhang zwischen Musik und Spielgeschehen bestehe. Irrelevant für die Frage, ob extra gezahlt werden müsse, sei hingegen, ob die Musik eigens für das Theaterstück komponiert wurde. Nun muss das Oberlandesgericht Düsseldorf den Fall neu verhandeln, berichtet LTO.
BVerwG zu Online-Dating/Bundeswehr: Das Bundesverwaltungsgericht hat die schriftliche Begründung der Entscheidung aus dem Mai vorgelegt, in der der transsexuellen Bataillonskommandeurin Anastasia Biefang ein Verweis wegen ihres freizügigen privaten Tinder-Profils erteilt wurde. spiegel.de (Guido Mingels) stellt die Begründung ausführlich vor. Biefang hat inzwischen angekündigt, dass sie mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Verfassungsbeschwerde einlegen werde.
OVG NRW zu Pflege-Impfpflicht: Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Eilverfahren entschieden, dass das Gesundheitsamt ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot für die Sekretärin einer Klinik aussprechen darf, wenn diese weder einen Genesenennachweis noch den Nachweis einer Impfung gegen das Coronavirus vorlegen kann. Das Gericht begründete dies mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht vom April 2022. Es sei nicht festzustellen, dass sich die wissenschaftliche Erkenntnislage seitdem derart geändert habe, dass die ursprüngliche Annahme des Gesetzgeber offenkundig nicht mehr zutreffe. Es berichtet LTO.
OLG Celle – VW-Übernahme: Wie die FAZ meldet, wird im Kapitalanleger-Musterverfahren wegen Forderungen im Zusammenhang der gescheiterten Übernahme von VW durch die Porsche SE das Oberlandesgericht Celle am 30. September eine Entscheidung fallen.
VG Berlin zu Videoüberwachung/1.Mai-Demo: Das Verwaltungsgericht Berlin hat festgestellt, dass die Installation mehrerer Überwachungskameras durch die Bundespolizei am S-Bahnhof Grunewald im Zusammenhang mit den Demonstrationen anlässlich des 1. Mai in Berlin vor drei Jahren rechtmäßig war. Dem Gericht zufolge sei das Ziel der Videoaufzeichnung die Sicherheit im beengten Bahnhof gewesen. Es habe ein ähnliches Gefahrenpotenzial wie beim damaligen Loveparade-Unglück in Duisburg bestanden, sodass ein Kameraeinsatz gemäß § 27 Bundespolizeigesetz berechtigt gewesen sei. Dies berichtet LTO.
LG Kaiserslautern – Polizistenmorde von Kusel: Im Prozess um die Kuseler Morde an zwei Polizist:innen machte der Mitangeklagte Florian V., der bislang geschwiegen hatte, erstmals ausführliche Angaben zur Person und antwortete auf 40 Fragen des Vorsitzenden Richters. Er habe eine schwierige Jugend nach der Scheidung seiner Eltern und dem zeitweiligen Umzug nach Italien gehabt. Fragen zur Tat konnten hingegen nicht gestellt werden, da der zuständige Gutachter wegen einer Corona-Erkrankung verhindert war. Inzwischen hat die Familie der getöteten Polizisten den 39-jährigen Hauptangeklagten Andreas S. wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs angezeigt. Ihm wird vorgeworfen im Gefängnis zwei Tatortfotos des Opfers aus Ermittlungsakten weitergegeben zu haben. Es berichten FAZ und spiegel.de.
LG Köln – Serienmorde mit Thallium: Vor dem Landgericht Köln hat der Prozess gegen den 42-jährigen Krankenpfleger Manuel H. wegen zweifachen Mordes, eines Mordversuchs und versuchten Schwangerschaftsabbruchs begonnen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Ehefrau, seine nachfolgende Lebenspartnerin sowie deren Großmutter mit Thallium vergiftet zu haben. Laut Anklageschrift sei der 42-Jährige ein Hangtäter, der heimtückisch und grausam mordete. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher die Sicherungsverwahrung. Auch künftig könne mit schweren Taten durch H. gerechnet werden. Es berichtet die FAZ (Reiner Burger).
LG München I – Dammbruch in Brasilien: Wie die SZ berichtet, hat vor dem Landgericht München I ein zweiter Schadensersatz-Prozess gegen den TÜV Süd begonnen, in dem es ebenfalls um dessen Verantwortung für den Staudammbruch im brasilianischen Brumadinho im Jahr 2019 geht, bei dem mindestens 260 Menschen starben. Dem Konzern wird vorgeworfen, Risiken ignoriert zu haben. Kläger sind hier 183 Überlebende und Hinterbliebene, die insgesamt mehr als zwölf Millionen Euro immateriellen Schadensersatz fordern.
LG München I – gefälschte Impfnachweise: Vor dem Landgericht München I müssen sich die 53-jährige Draga P., eine Pharmazeutisch-Technische-Angestellte und ihr 37-jähriger Bekannter Dennis Sch. wegen des Verstoßes gegen das Imfektionsschutzgesetz, Geldwäsche und Betruges verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, bis Oktober 2021 fast 1.100 Corona-Impfnachweise für Impfgegner erstellt und über das Darknet verkauft zu haben. Hiermit sollen sie rund 136.000 Euro eingenommen haben. Dies schreibt die SZ (Andreas Salch).
AG Fürth zu Alkoholfahrt: Das Amtsgericht Fürth hat laut spiegel.de und faz.net einen Lkw-Fahrer wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Brandstiftung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der 51-Jährige war stark alkoholisiert mit einem beladenen Lkw bei roter Ampel in eine Kreuzung gefahren, fuhr dort in ein Auto und danach mit 70 km/h in eine Wohnstraße, die er verwüstete.
StA Köln - LSBTI: Bei der Kölner Staatsanwaltschaft gibt es nun einen eigenen Ansprechpartner für Personen, die Opfer von Straftaten wegen ihrer sexueller Orientierung geworden sind. So sollen mögliche Vorbehalte der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen (LSBTI) Community gegen die Strafverfolgungsbehörde abgebaut werden. Eine Verfahrensabteilung soll zudem den Belangen der Opfer in diesem sensiblen Deliktsfeld besonders Beachtung schenken. Dies meldet LTO.
Recht in der Welt
EU/Ungarn - Rechtsstaatlichkeit: Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte an, dass nicht weniger als 17 Gesetzesänderungen im Budapester Parlament beschlossen werden sollen, um den Forderungen der EU-Kommission nachzukommen. Hierzu gehören die Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Korruptionsbekämpfung, die breitere Ausschreibung von Staatsaufträgen, eine stärkere Kontrolle von Stiftungen, in denen Staatsvermögen gemanagt wird, sowie eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft am Reformprozess. Mit den angekündigten Reformen soll verhindert werden, dass europäische Fördermittel in Höhe von 7,5 Milliarden Euro eingefroren werden. Dem Land verbleibt bis zum 19. November Zeit zur Umsetzung. Dann beschließt der EU-Ministerrat, ob die Budapester Schritte ausreichend waren. Es berichten SZ (Cathrin Kahlweit) und taz (Ralf Leonhard).
Björn Finke (SZ) sieht kein "Happy End", denn Orbán versuche mit "oberflächlichen Reformen davonzukommen". Man müsse also auf EU-Seite "sehr genau hinschauen". Ralf Leonhard (taz) ist der Meinung, dass Orbán nur deshalb in den "sauren Apfel beiße", weil ohne Finanzierung aus EU-Töpfen nicht viel vom "ungarischen Wirtschaftswunder" übrig bliebe. Es sei jedoch zu erwarten, dass er nur soweit zurückweichen werde, wie es nötig ist, um die eingefrorenen Gelder loszueisen.
Belgien – Richter ins Gefängnis: Nun berichtet auch LTO über das Experiment in Brüssel, bei dem sich 55 Richter und Staatsanwälte freiwillig für eineinhalb Tage in Haft begeben haben.
Tunesien – Wahlrecht und Presse: Tunesiens Staatspräsident Kais Saied hat ein neues Wahlgesetz geschaffen, das den Einfluss der Parteien schwächt, indem Wähler künftig die Kandidaten individuell wählen und nicht mehr über von der Partei aufgestellte Listen. Auch für die tunesische Presse gelten Verschärfungen. Bei Verbreitung falscher Informationen oder Gerüchte droht künftig eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren sowie eine Geldstrafe von umgerechnet mehr als 15.000 Euro. Treffen die Fake News hohe Beamte, kann die Haftstrafe sich außerdem auf zehn Jahre erhöhen. Die Journalistengewerkschaft Tunesiens betitelt dies als "Maulkorb" für die Gesellschaft. Es schreibt die FAZ (Hans-Christian Rößler).
Sonstiges
Legal Hackathon: Beim Legal Hackathon 2022 entwickelten verschiedene Teams, bestehend aus Personen der Bereiche Jura, Design, Coding und Product Develpoment, innovative Legal Tech-Ideen. Den ersten Platz gewann das Team "Positive Energy" mit dem Konzept, Unternehmen der Energiewirtschaft auf einer Plattform aktuelle Verträge und Leitfäden zur Verfügung zu stellen, um der Nachfrage von Verbraucher:innen nach alternativen Energiequellen einfacher nachkommen zu können. Es schreibt LTO.
Autonomes Fahren: In einem Interview mit der FAZ (Katja Gelinsky) beantwortet Rechtsprofessor Gerhard Wagner Rechtsfragen zum Thema "autonomes Fahren". Hierbei geht es vor allem um den Zugriff auf Fahrzeugdaten und die Haftung bei Unfällen mit Roboterautos.
Verstoß gegen NDR-Staatsvertrag: Der Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein lässt durch eine Wirtschaftskanzlei prüfen, ob die landespolitische Berichterstattung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) in Kiel ausgewogen war oder ein Verstoß gegen den NDR-Staatsvertrag vorliegt. Der Vorwurf richtet sich gegen Führungskräfte des NDR, die unter anderem bei der Politik-Berichterstattung im Landesfunkhaus hinsichtlich verschiedener Beiträge "gefiltert" haben sollen. Es berichtet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/ok
(Hinweis für Journalist:innen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 20. September 2022: . In: Legal Tribune Online, 20.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49670 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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