Dienstgerichtshof billigt erneut Aufforderung an Richter zu schnellerer Erledigung. Außerdem in der Presseschau: "Faktischer Leiter" von nicht angemeldeter Aktion kann bestraft werden; Prozess um Mädchen, das im Knabenchor singen will.
Thema des Tages
RiDGH Ba-Wü zu Schulte-Kellinghaus: Der baden-württembergische Richterdienstgerichtshof entschied, dass der Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe Thomas Schulte-Kellinghaus durch die Aufforderung seiner damaligen Gerichtspräsidentin, seine Fälle schneller zu erledigen, nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt wurde. Schulte-Kellinghaus war vorgehalten worden, dass er nur 68 Prozent des Durchschnittspensums erledige. Der Dienstgerichthof bestätigte nun, dass das Durchschnittspensum korrekt und nicht zulasten von Schulte-Kellinghaus berechnet wurde, meldet swp.de. Der BGH hatte 2017 den Fall zurückverwiesen, um dies zu klären.
Rechtspolitik
Faire Verbraucherverträge: Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) bereitet ein Gesetz für faire Verbraucherverträge vor. Darin will sie die Laufzeit von Verträgen für Dienstleistungen wie Mobilfunk, Fitnessstudios oder Zeitungsabos auf ein Jahr (bisher zwei Jahre) begrenzen. Diese Verträge sollen sich automatisch nur noch um drei Monate (bisher zwölf Monate) verlängern dürfen, meldet spiegel.de.
Verfassungsschutz: Im Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts ist auch eine Befugnis zum Betreten fremder Wohnungen ohne Richtervorbehalt vorgesehen, um Trojaner auf Handys und Computer aufzuspielen. Darauf weist die SZ (Ronen Steinke) hin. In einem separaten Kommentar spricht Ronen Steinke (SZ) weitere heikle Punkte des Gesetzentwurfs an, etwa dass Daten von Kindern an ausländische Dienste weitergegeben werden dürften. Vor allem aber kritisiert er, dass der Gesetzentwurf viel zu kompliziert formuliert sei und dass bedenkliche Punkte in der Begründung nicht angesprochen seien.
Schächten: Die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag fordert, dass das Schächten von Tieren nur noch unter Betäubung erlaubt sein soll. Die jüdische Gemeinde nannte die Forderung einen Affront, meldet die FAZ (Reinhard Bingener).
Justiz
BVerfG zu unangemeldeten Kundgebungen: Der "faktische Leiter" einer unangemeldeten Versammlung darf strafrechtlich verurteilt werden, entschied eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts im Fall einer Anti-Atom-Aktion. Es sei keine Verletzung des Analogieverbots, wenn auf die tatsächliche Leitung einer Versammlung abgestellt werde, berichten FAZ (Marlene Grunert), BadZ (Christian Rath) und lto.de.
BGH zum Sparbuch der Tochter: Ob Eltern Geld vom Sparbuch eines Kindes abheben und ausgeben durften, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab, entschied der Bundesgerichtshof. In manchen Familien sei es nicht unüblich, das angesparte Geld auch als Reserve für finanzielle Engpässe anzusehen. In wessen Besitz sich das Sparbuch befinde, sei nicht allein maßgeblich. Berücksichtigt werden müsse auch der Name, auf den das Konto lautet, und die Herkunft der Mittel, mit denen das Guthaben angespart wird, so lto.de.
BGH zum Aneignungswillen beim Raub: Der Bundesgerichtshof hat laut lawblog.de (Udo Vetter) die Verurteilung einer Frau wegen Raubes aufgehoben. Die Frau habe nur deshalb von einem Passanten das Handy herausverlangt, weil sie wieder ins Gefängnis wollte. Dies genüge nicht für einen Aneignungswillen, so der BGH. Die Sache muss neu verhandelt werden.
VG Berlin zu Parteispenden von Werner Mauss: Die CDU bekommt Parteispenden des Ex-Geheimagenten Werner Mauss, die sie an die Bundestagsverwaltung abführen musste, nicht zurück, entschied jetzt das Verwaltungsgericht Berlin. Die Spenden waren zunächst als illegale Auslandsspenden eingestuft worden. Erst später stellte sich heraus, dass Mauss der Spender war, worauf die CDU ein Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragte. Das VG argumentierte nun aber, dass eine Partei auch keine Spenden unklarer Herkunft annehmen dürfe. Die Berufung wurde zugelassen. Es berichten lto.de (Markus Sehl) und zeit.de.
VG München zu Zurückweisung nach Griechenland: Vertiefend beleuchtet nun auch der MPI-Forscher Constantin Hruschka auf verfassungsblog.de die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts München, dass ein in Griechenland inhaftierter Afghane nach Deutschland zurückgeholt werden muss. Es handele sich hier um keine Einzelfallentscheidung, vielmehr habe das Gericht grundsätzliche Einwände gegen das Verwaltungsabkommen mit Griechenland, das die sofortige Zurückweisung von Ausländern erlaubt, die bereits in Griechenland einen Asylantrag gestellt hatten. Das Dublin-Verfahren dürfe nicht durch ein Pre-Dublin-Verfahren ausgehebelt werden.
BVerwG - Familiennachzug: Das Bundesverwaltungsgericht hat den Europäischen Gerichtshof im Verfahren um den Familiennachzug eines Vaters zu seinem in Deutschland subsidiär schutzberechtigten Sohn angerufen. Zum einen wurde gefragt, auf welchen Zeitpunkt es für die Minderjährigkeit des Sohns ankommt. Zum anderen geht es um die Intensität des Familienlebens im Aufnahmeland, so lto.de.
OLG Brandenburg - U-Haft: Das Oberlandesgericht Brandenburg entließ einen Dealer aus der U-Haft, weil das Verfahren ohne wichtigen Grund länger als sechs Monate dauerte. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der sich gerade im Wahlkampf befindet, erklärte, die Entscheidung mache ihn "fassungslos". Daraufhin wurde Woidke von der Vorsitzenden des Brandenburger Richterbundes kritisiert, er habe seine Grenzen überschritten. lto.de (Annelie Kaufmann) schildert die Diskussion
LG Detmold - sexueller Missbrauch in Lügde: Im Interview mit der SZ (Jana Stegemann) kritisiert der Kinder- und Jugendpsychiater Jörg Fegert, dass die Kinder im Fall Lügde bis zu vier Mal aussagen mussten und dass die Polizei teilweise von Therapiemaßnahmen abriet, um den Strafprozess nicht zu gefährden. Die betroffenen Kinder sollten aber auch nicht vorschnell als "Opfer" bezeichnet werden, "diese Kinder sind nicht zerstört oder unheilbar kaputt."
VG Berlin - Knabenchor: Das Verwaltungsgericht Berlin verhandelt am heutigen Freitag über den Fall eines Mädchens, das nicht in einen Knabenchor aufgenommen wurde. Der Chor begründete dies mit fehlenden Voraussetzungen der Stimme und der Motivation des Mädchens. Die Mutter sah dagegen das Mädchen wegen des Geschlechts diskriminiert. Die SZ (Helmut Mauró) beschreibt, warum der Klang eines Knabenchors so besonders ist und eigentlich nur von Knaben erzeugt werden könne.
VG Wiesbaden - Feindeslisten: Am Montag verhandelt das Verwaltungsgericht Wiesbaden über eine Klage von Arne Semsrott, Leiter der Plattform FragDenStaat gegen das Bundeskriminalamt, berichtet zeit.de. Das BKA soll so genannte Feindeslisten herausgeben, die die rechtsextreme Prepper-Gruppe Nordkreuz gesammelt hat.
Recht in der Welt
Israel - Ministeranklagen: Nachdem Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit angekündigt hat, dass er gegen Sozialminister Chaim Katz Anklage wegen Betruges und Untreue erheben wird, gibt die SZ (Alexandra Föderl-Schmid) einen Überblick über die Strafverfahren gegen Regierungsmitglieder, die aber im laufenden Wahlkampf keine große Rolle spielen.
Schweden - US-Rapper: Der US-Rapper A$AP Rocky ist von einem schwedischen Gericht wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, meldet spiegel.de. Der Rapper hatte Schweden bereits vor einigen Tagen verlassen. Er soll gemeinsam mit seinen Leibwächtern einen aufdringlichen Flüchtling geschlagen haben.
China - Flughafen Hongkong: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Amelie Heldt skizziert auf juwiss.de wie Grundrechtsschutz für Demonstranten auf dem Flughafen von Hongkong nach dem Hong Kong Basic Law aussehen könnte. Sie stellt aber fest, dass Hongkong immer stärker unter die eigentlich erst für 2047 vorgesehene Kontrolle des chinesischen Staates gerät.
Juristische Ausbildung
Kostenlose Kopien von Prüfungsarbeiten: Nach einem lto-Bericht haben zahlreiche Leser ebenfalls Schwierigkeiten mit ihren juristischen Prüfungsämtern geschildert, um an kostenlose Kopien ihrer Prüfungsarbeiten zu kommen. lto.de (Marcel Schneider) gibt einen Überblick. Am rigidesten seien die JPAs in Hamm, Köln und Düsseldorf. In Düsseldorf werde sogar Landesrecht als "lex specialis" zur EU-Datenschutz-Grundverordnung bezeichnet. Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sind anhängig, aber noch nicht terminiert.
Sonstiges
Tönnies und Rassismus: Ex-BGH-Richter Thomas Fischer befasst sich in seiner spiegel.de-Kolumne mit den Äußerungen des Schalker Fußball-Funktionärs Clemens Tönnies, die Fischer nicht für rassistisch hält. "Er forderte nicht, die Zahl der Afrikaner solle wegen der Minderwertigkeit ihrer 'Rasse' verringert werden, sondern schlug eine Maßnahme vor, die für sie zu einem besseren Lebensstandard und dadurch zu ökologisch sinnvollem Verhalten führen würde."
Das Letzte zum Schluss
Hand in Hand disqualifiziert: Die britischen Triathletinnen Georgia Taylor-Brown und Jessica Learmonth liefen bei einem vor-olympischen Testwettbewerb die besten Zeiten. Sie wurden aber disqualifiziert, weil sie Hand in Hand die Ziellinie überquerten, meldet spiegel.de. Die Regel 2.11.f. des internationalen Triathlon-Dachverbands (ITU) untersage eine künstlich herbeigeführte Zeitgleichheit. Athleten, die keine Bemühungen unternehmen, ihre Zielzeiten voneinander abzugrenzen, werden demnach disqualifiziert.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
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Die juristische Presseschau vom 16. August 2019: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37077 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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