Die juristische Presseschau vom 12. Juli 2011: Maulkorb für Rating-Agenturen - Holocaust-Leugner verurteilt - Keine RAF-Beugehaft

12.07.2011

Kann man Rating-Agenturen die Bewertung von Staaten verbieten? Oder sie besser gleich zerschlagen? Warum eigentlich nicht, fragt sich die EU-Kommission und beschäftigt damit die heutige Presse. Außerdem in der Presseschau: die Verurteilung des Pius-Bruders Williamson, rechtswidrige Love-Parade in Duisburg, Beugehaft-Aufhebung gegen Ex-RAFler und vieles andere.

Rating-Agenturen: Wie unter anderem die SZ (Simone Boehringer) berichtet, holt die Politik "zu einem neuen Schlag gegen die Ratingagenturen aus": Die EU-Kommission prüfe, ob sie Rating-Agenturen die Bewertung von Staaten verbieten könne, die Finanzhilfen empfangen. Zuvor habe Justizkommissarin Reding die Zerschlagung der drei großen Rating-Agenturen ins Spiel gebracht. Kartellrechtler hätten dagegen jedoch Bedenken angemeldet - eine marktbeherrschende Stellung allein reiche für eine Zerschlagung nicht aus; es bedürfe eines Machtmissbrauchs. Reine Entflechtungsvorschriften kenne das EU-Recht nicht. Hintergrund sei die jüngste Abwertung Portugals und die Drohung der Rating-Agenturen, auf jede verbindliche Beteiligung des Privatsektors an der Griechenlandrettung mit der Bewertung "Zahlungsausfall" zu reagieren, so die SZ (Cerstin Gammelin) in einem weiteren Bericht.

Die FTD (Heinz-Roger Dohms) sieht die Finanzmärkte vor einer "Revolution", sollten die Vorschläge ernst gemeint sein. Dies gelte vor allen Dingen, falls Rating-Agenturen, "wirtschaftlich eher Leichtgewichte", in die Haftung genommen werden sollten.

Heike Göbel (FAZ) bewertet das Vorgehen der EU-Politik als "immer kopfloser". Der "rauhen Schuldenwirklichkeit" sei nicht beizukommen "indem man den Überbringern der Botschaft Maulkörbe verpasst".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Rüstungskontrolle: Der Streit um die parlamentarische Beteiligung an der Rüstungskontrolle geht weiter. Wie die taz (Gordon Repinski/Ulrich Schulte) berichtet, fordert die SPD nun ein neues Parlamentsgremium zur Information bei "Sicherheitsfragen und Rüstungsgeschäften". Der Grünen-Politiker Ströbele habe inzwischen konkret mit dem Gang zum Bundesverfassungsgericht gedroht, wenn die Regierung weiter die Auskunft verweigere. Das Parlament habe "ein Recht auf Information", so Ströbele.

Neues Berufungsrecht: lawblog.de (Udo Vetter) erläutert, dass es künftig wieder mehr mündliche Verhandlungen in Berufungsprozessen geben wird. Der Bundestag habe ein Gesetz verabschiedet, dass den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nur erlaube, wenn die Berufung "offensichtlich" keine Aussicht auf Erfolg habe. Auch werde ein neues Rechtsmittel ab Streitwerten von 20.000 Euro eingeführt. Das Gesetz werde kurzfristig in Kraft treten.

Europaweite Knöllchen: lto.de (Adolf Rebler) berichtet von einer EU-Richtlinie zur Etablierung einer Verkehrssünderdatei. Dadurch solle die schon seit 2010 mögliche europaweite Vollstreckung von Bußgeldbescheiden in der Praxis erleichtert werden. Allerdings trete die Richtlinie erst 2013 in Kraft; einige Länder hätten zudem bereits angekündigt, sie nicht umsetzen zu wollen.

Weitere Themen – Justiz

Williamson-Prozess: Der erzkonservative Bischof Williamson, Angehöriger der Pius-Bruderschaft, ist vom Landgericht Regensburg in zweiter Instanz wegen Volksverhetzung zu 6.500 Euro Strafe verurteilt worden, berichtet unter anderem spiegel.de. Er habe 2008 in einem Interview den Holocaust geleugnet.

Die SZ hebt hervor, dass die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung zwar "heikel" sei, dieser Prozess aber zeige, wozu sie gut sei: Die Verharmlosung der Nationalsozialisten zu ächten, egal von wem diese ausgehe.

Love-Parade Duisburg: Die Genehmigung der im Sommer 2010 in einer Tragödie mit 21 Toten endenden Love-Parade in Duisburg war vermutlich rechtswidrig, so zeit.de unter Berufung auf die Rheinische Post. Zu diesem Ergebnis komme ein Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft. Die Stadt habe das Sicherheitskonzept und die Einhaltung von Auflagen nicht hinreichend geprüft. Auch der leitende Polizeidirektor habe sich pflichtwidrig verhalten. Zudem habe der Betreiber Lopavent "eindeutige Planungsfehler gemacht und Sicherheits- bedenken bewusst ignoriert", so die SZ (Bernd Dörries). Die Staatsanwaltschaft hoffe, noch in diesem Jahr Anklage erheben zu können.

Asyl für Terror-Azubi: Ein afghanischer Flüchtling, der von den Taliban zur Ausbildung in ein Terror-Camp verschleppt worden sei, habe nun vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart seine Anerkennung als Flüchtling erstritten, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Er werde in seiner Heimat nun von allen Seiten verfolgt und habe dort keine Zukunft mehr.

Keine Beugehaft: Wie welt.de berichtet, hat der Bundesgerichtshof die Anordnung von Beugehaft gegen die Ex-RAF-Terroristen Siegfried Haag und Roland Mayer wieder aufgehoben. Diese hätten im wieder aufgerollten Buback-Verfahren gegen Verena Becker aussagen sollen; das Gericht habe ihnen nun ein Aussageverweigerungsrecht zugestanden, weil sie sich sonst möglicherweise selbst belasten müssten. So "zahlt sich die verschworene Gemeinschaft von damals heute noch aus", meint Reinhard Müller (FAZ), der dabei auf die noch "vollkommen ungesühnt[en], geschweige denn aufgeklärt[en]" Morde der dritten Generation der RAF erinnert.

Behinderte Arbeitnehmer: Wie die FTD kurz berichtet, müssen sich Angestellte nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Bewerbungsgespräch zu einer vorhandenen Behinderung äußern. Sonst sei eine Anfechtung des Arbeitsvertrags dann möglich, wenn der Arbeitgeber bei Kenntnis der Behinderung diesen nicht abgeschlossen hätte.

Nachehelicher Unterhalt: Als "Urteil der Woche" präsentiert die FTD (Britta Schönborn) ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Anfang Juni zum nachehelichen Unterhalt. Danach spiele das Alter eines zu betreuenden Kindes keine entscheidende Rolle für die Frage, ob eine Mutter einer Vollzeittätigkeit nachgehen muss.

Ehre eines Kriminalkommissars: Die SZ (Christiane Kohl) porträtiert heute den sächsischen Kriminalkommissar Georg Wehling, der sich erfolgreich gegen seine Suspendierung und Ermittlungsverfahren wegen der Verfolgung Unschuldiger wehre. Der Kommissar habe als Schlüsselfigur im "Sachsen-Sumpf-Skandal" gegolten, in dem aufgrund eines Berichts des Landesverfassungsschutzes fälschlich ein kriminelles Netzwerk zwischen Justiz, Immobilien- und Rotlichtmilieu vermutet worden war.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Whistleblower in Haft: zeit.de (Ralph Pöhner) berichtet vom schweizer Whistleblower Rudolf Elmer, der seit nunmehr 170 Tagen in eidgenössischer Untersuchungshaft sitze. Er hatte dem Wikileaks-Gründer Julian Assange zwei CDs mit Bankdaten übergeben und werde nun wegen Verletzung des Bankgeheimnisses verfolgt. Als Haftgrund werde Verdunklungsgefahr angegeben. Der Autor vermutet "ungleiche Maßstäbe" im Vorgehen gegen betrügerische Großbanken und Bankgeheimnissünder in der Schweiz.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. Juli 2011: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3722 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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