Während in Israel die umstrittene Justizreform ihren Weg geht, übte Staatsgast Marco Buschmann nur leise Kritik. Am LG Bonn wird eine Schadensersatzforderung des Solarworld-Insolvenzverwalters verhandelt. Iran verurteilte Deutsch-Iraner zum Tode.
Thema des Tages
Israel – Justizreform: Die israelische Knesset hat in der ersten von drei Lesungen die ersten Teile der geplanten Justizreform gebilligt. Dabei soll der Einfluss der Regierung bei der Auswahl der Richter gestärkt werden, außerdem sollen die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs eingeschränkt werden, Gesetze zu kippen. Gegen das Vorhaben gab es weiterhin Massenproteste. Der zeitgleich das Land besuchende Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vermied öffentlich eine direkte Erwähnung des Vorhabens. Stattdessen habe der Minister auf die Vorgaben für Änderungen des deutschen Grundgesetzes verwiesen, für die "auch große Teile der Opposition" überzeugt werden müssten. Beim Treffen mit seinem Amtskollegen Jariv Levin, der die Justizreform vorantreibt, habe er "sehr lange, sehr ernsthaft, sehr detailliert" über die Reformpläne gesprochen und müsse "in aller Freundschaft" feststellen, dass es "hier eine Differenz" gebe. Daneben traf Buschmann auch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Hayut, sowie Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara; beide haben die Justizreform entschieden kritisiert. FAZ (Christian Meier), LTO und tagesschau.de berichten.
Im Leitartikel erörtert Christian Meier (FAZ) die Argumente von Kritikern und Befürwortern der Reform und meint, dass ungeachtet der Intensität des Protests Israel "nicht so rasch zusammenbrechen" werde. Gleichwohl lege die Auseinandersetzung "Bruchlinien offen". Diese zu befrieden, sei Benjamin Netanjahu nicht in der Lage, solange ihm angesichts seines Korruptionsprozesses eine Gefängnisstrafe drohe.
Rechtspolitik
Psychoaktive Stoffe: Die dem Bundesgesundheitsministerium bei der letzten Aktualisierung der Anlage zum Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz unterlaufene Panne wird nun auch von der SZ (Angelika Slavik) und der taz (Christian Rath) aufgegriffen. Auf Seiten des Ministeriums stelle man sich auf den Standpunkt, dass das vergessene Komma die intendierte Kriminalisierung neuer Stoffgruppen nicht verhindert und auch keine Re-Legalisierung bereits verbotener Stoffgruppen bewirkt habe. Die gesetzgeberische Absicht ergebe sich vielmehr aus der Begründung. Eine klarstellende Berichtigung solle in vier Wochen abgeschlossen sein.
Sanktionen gegen Russland: Am nächsten Freitag jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine zum ersten Mal. Die EU-Mitgliedstaaten planen aus diesem Anlass ein weiteres, das zehnte, Sanktionspaket gegen den Aggressor, schreibt das Hbl (Carsten Volkery). Zudem solle der Einsatz gegen Umgehungsmaßnahmen verstärkt werden. Ein der Zeitung vorliegendes Papier der niederländischen Regierung sehe hierzu konkrete Maßnahmen wie erhöhten diplomatischen Druck auf Drittstaaten vor.
Subventionen von Drittstaaten: Rechtsanwältin Andrea Pomana macht im Recht und Steuern-Teil der FAZ auf eine Mitte Januar in Kraft getretene EU-Verordnung aufmerksam. So müssen Unternehmen, die drittstaatliche Subventionen erhalten (zum Beispiel aus China) vom 12. Oktober 2023 an Zusammenschlüsse (wie Fusionen und Übernahmen) sowie Teilnahmen an öffentlichen Vergabeverfahren bei der EU-Kommission anmelden. Sind bestimmte Schwellenwerte und Kriterien erfüllt, unterliegen Zusammenschlüsse dem Vollzugsverbot beziehungsweise darf der Zuschlag bei öffentlichen Vergabeverfahren ohne die Zustimmung der Kommission nicht erteilt werden. Dadurch sollen Wettbewerbsverzerrungen durch drittstaatliche Subventionen reduziert werden.
Justiz
LG Bonn – Solarworld-Insolvenz: Vor dem Landgericht Bonn beginnt am Donnerstag ein Schadenersatzprozess gegen sechs ehemalige Vorstände des Unternehmens Solarworld, darunter der Gründer Frank Asbeck. Horst Piepenburg, Insolvenzverwalter von Solarworld, fordert von ihnen Schadensersatz in Höhe von 731 Millionen Euro wegen Insolvenzverschleppung. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages im Mai 2017 habe es bereits ernsthafte Zweifel an einer positiven Fortführungsprognose gegeben. Der Vorbericht der FAZ (Marcus Jung/Thiemo Heeg) beschreibt auch die schillernde Persönlichkeit Asbecks, der vor seiner unternehmerischen Tätigkeit den Grünen-Landesverband Nordrhein-Westfalen mitgegründet hatte.
BVerfG – parteinahe Stiftungen: Am heutigen Mittwoch entscheidet das Bundesverfassungsgericht auf Klage der AfD über einen Anspruch der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung auf staatliche Finanzierung. Es geht zum einen um die Frage, ob für die Finanzierung parteinaher Stiftungen ein bisher fehlendes Gesetz erforderlich ist, zum anderen ob die Finanzierung solcher Stiftungen an inhaltliche Voraussetzungen wie Verfassungstreue geknüpft werden darf. Die FAZ (Stephan Klenner) bringt einen Vorbericht.
BAG zu Equal Pay/Verhandlungen: In einer Analyse der letztwöchigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschieden stellt tagesschau.de (Jenny Henke/Christoph Kehlbach) fest, dass auch künftig individuelle Unterschiede rechtmäßigerweise bestehen können. Arbeitgebende müssten dann aber auch objektive Gründe anführen. Der Hinweis auf größeres Verhandlungsgeschick genüge nicht mehr.
BVerwG – Rosneft-Treuhandverwaltung: Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am heutigen Mittwoch über die Klage zweier Tochterunternehmen des russischen Rosneft-Konzerns gegen ihre im vergangenen September vom Bundeswirtschaftsministerium angeordnete Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur. Die Klägerinnen machten geltend, vor der Maßnahme nicht angehört worden zu seien. Zudem entbehre das Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls seit Januar einer gesetzlichen Grundlage. Die FAZ (Katja Gelinsky) berichtet.
BFH zu Solidaritätszuschlag: In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ stellt Rechtsprofessor Hanno Kube klar, dass erst die Überzeugung von der Verfasssungswidrigkeit einer beanstandeten Regel den Bundesfinanzhof dazu berechtige und verpflichte, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Dementsprechend seien der im Januar ergangenen Entscheidung zum Solidaritätszuschlag auch zahlreiche Zweifel des Münchner Gerichts zu entnehmen. Nicht zuletzt deshalb sei der Gesetzgeber aufgerufen, "eine klare und eindeutige Abschmelzungs- und Ausstiegsregelung" für die Abgabe zu erlassen.
OLG Bamberg zu Beleidigung eines CSU-Kollegen: Die Bezeichnung eines Parteikollegen als "rechte Laus" in einem Gruppenchat kostet den unterfränkischen Bezirkstagspräsidenten Erwin Dotzel (CSU) 750 Euro Schmerzensgeld. Dies entschied das Oberlandesgericht Bamberg und bestätigte damit die Vorinstanz. In einem parallelen Strafverfahren war Dotzel aufgrund der anderen Beweislast freigesprochen worden, weil nicht sicher bewiesen werden konnte, dass die Nachricht vorsätzlich in der WhatsApp-Gruppe veröffentlicht worden war (und nicht bilateral an einen Dritten gesandt werden sollte). LTO berichtet.
LSG Hessen zu Arbeitsunfall: Anders als die Vorinstanz entschied das Hessische Landessozialgericht in einem nun veröffentlichten Urteil vom Anfang des Monats, dass der Sturz auf dem Weg zum Getränkeautomaten eines Sozialraums als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Der Gang zum Automaten stehe im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der klagenden Angestellten, zitiert LTO aus der Entscheidung.
LG Hildesheim – Fahrlässige Tötung durch Corona-Ausbruch: Unter anderem wegen fahrlässiger Tötung ist eine frühere Pflegeheim-Mitarbeiterin am Landgericht Hildesheim angeklagt. Die Frau soll an ihrer Arbeitsstelle Ende 2021 einen Corona-Ausbruch verursacht haben, als sie infiziert und mit einem gefälschten Impfpass zur Arbeit erschien. Zu Beginn des Verfahrens verlas ihr Verteidiger eine Erklärung, derzufolge sie keine Corona-Leugnerin sei und keinen Kontakt zu den im Heim Verstorbenen gehabt habe. spiegel.de berichtet.
LG Potsdam zu Wolfsabschuss: Wie zuvor schon das Amtsgericht Potsdam sprach nun auch das Landgericht Potsdam einen Jäger vom Vorwurf des nach dem Bundesnaturschutzgesetz rechtswidrigen Abschuss eines Wolfs frei. Der tödliche Schuss des Angeklagten sei weder vorsätzlich noch leichtfertig erfolgt, vielmehr infolge einer Überforderung, schreibt spiegel.de (Wiebke Ramm) über das Urteil. Anders als die Staatsanwaltschaft glaubte das Gericht dem Jäger, dass er seine Jagdhunde vor dem Wolf beschützen wollte, auf den er nicht vorbereitet war.
LG Braunschweig zu Mord an Mitschülerin: Wegen Mordes an einer Mitschülerin hat das Landgericht Braunschweig einen zur Tatzeit 14-Jährigen zu einer Jugendfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gemeinsam mit einem nicht strafmündigen 13-jährigen Mittäter hatte der Junge im vergangenen Juni in Salzgitter die 15-jährige Anastasia erstickt. Der Nebenklagevertreter habe nach der Urteilsverkündung eine Debatte über die Strafmündigkeit gefordert, schreibt die FAZ (Reinhard Bingener).
VG Schleswig zu Thermofenstern: Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig zur Rechtswidrigkeit behördlicher Freigaben für sogenannte Thermofenster in einem VW-Diesel-Modell gaben die Beteiligten unterschiedliche Stellungnahmen zu den unmittelbaren Auswirkungen ab. Diese bestünden vor der Rechtskraft jedenfalls nicht, so die FAZ (Katja Gelinsky) in ihrem Unternehmens-Teil. Die erfolgreiche Klägerin Deutsche Umwelthilfe (DUH) sei auch für mögliche kommende Instanzen siegesgewiss. Weitere Entscheidungen zu Abschalteinrichtungen seien am Europäischen Gerichtshof für den 21. März – hier im Falle von Mercedes – sowie am 8. Mai am Bundesgerichtshof geplant. Dort werde über den Schadensersatzanspruch eines VW-Diesel-Käufers entschieden.
Recht in der Welt
Iran – Jamshid Sharmahd: Wegen "Korruption auf Erden" hat ein Teheraner Revolutionsgericht den deutsch-iranischen Staatsbürger Jamshid Sharmahd zum Tode verurteilt. Der Ingenieur, der zuletzt in den USA lebte, soll 23 terroristische Attacken geplant und zum Teil auch ausgeführt haben. Nach Angaben von Angehörigen war er 2020 während eines Flug-Zwischenstops in Dubai entführt und in den Iran verbracht worden. Konsularischer Beistand wurde ihm während des Prozesses verwehrt, da die Islamische Republik Doppelstaatsbürgerschaften nicht anerkennt. Nach dem Bericht der SZ (Paul-Anton Krüger/Dunja Ramadan) hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) das Urteil als "absolut inakzeptabel" bezeichnet, "deutliche Reaktionen" angekündigt und den Iran aufgefordert, die aufgetretenen "Mängel im Berufungsverfahren abzustellen," insbesondere von der Todesstrafe abzusehen.
In ihrem Kommentar schreibt Livia Gerster (FAZ), dass es sich um einen "menschenverachtenden Schauprozess, ohne Beweis, ohne minimale rechtsstaatliche Prinzipien" gehandelt habe, mit dem die Islamische Republik ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Westen verbessern wolle.
EuGH/Ungarn – Anti-LGBTQ-Gesetz: Im Dezember machte die Europäische Kommission beim Europäischen Gerichtshof ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und dessen im Jahr 2021 verabschiedetes, sogenanntes Anti-LGBTQ-Gesetz anhängig. In einer Analyse der nun veröffentlichten Klageschrift arbeitet der wissenschaftliche Mitarbeiter Jannes Dresler auf dem Verfassungsblog heraus, dass der behauptete Unionsrechtsverstoß neben "klassischen" Verletzungen etwa von Grundrechten der EU-Grundrechtecharta in einem zweiten Punkt auch auf die Verletzung von Art. 2 EU-Vertrag gestützt werde. Sollte eine solche isolierte Rüge eines Verstoßes gegen Grundwerte der Union vor den Schranken des EuGH Bestand haben, würde dem Vertragsverletzungsverfahren "neue Durchsetzungskraft" verliehen. Andererseits berge der "Testballon" die Gefahr der Verselbständigung des "Narrativs einer übergriffigen Europäischen Union."
USA – Google und Bataclan-Attentate: Der Supreme Court der USA verhandelt derzeit die Klage von Angehörigen von Opfern der Pariser Terroranschläge von 2015, die Google vorwerfen, durch seine Algorithmen zur Verbreitung islamistischer Propaganda beigetragen und damit auch die Anschläge mitverantwortet zu haben. Nach dem Bericht der FAZ (Roland Lindner) in ihrem Unternehmens-Teil könnte die in den Vorinstanzen erfolglose Klage die bisherige, weitreichende Haftungsfreistellung von Tech-Unternehmen verändern. Diese basiere auf der sogenannten "Section 230" von 1996. Die Bestimmung sei in den letzten Jahren von beiden Seiten des US-amerikanischen politischen Spektrums unter Beschuss geraten.
Südkorea – Homosexualität: Ein südkoreanisches Berufungsgericht hat die nationale Krankenversicherung dazu verpflichtet, den Partner eines Homosexuellen mitzuversichern. Mit der Entscheidung sei keine Aussage über die Anerkennung der Partnerschaft getroffen, schreibt die FAZ (Patrick Welter). Sie sei vielmehr wegen der Diskriminierung durch die Versicherung ergangen. In diesem Sinne dürfte ihr Signalwirkung zukommen.
Argentinien – "El Juicio": Die taz (Eva-Christina Meier) befragt den argentinischen Filmemacher Ulises de la Orden zu seinem Berlinale-Beitrag "El Juicio." Der fast dreistündige Dokumentarfilm bestehe aus größtenteils unveröffentlichten Originalaufnahmen des ersten Strafprozess gegen Mitglieder der argentinischen Militärjunta aus dem Jahr 1985. Um weiteren Putschversuchen des Militärs vorzubeugen, wurde im Folgejahr das sogenannte Schlussstrichgesetz verabschiedet.
Sonstiges
Rettungsgasse: Zum Fall des am vergangenen Wochenende von der nordrhein-westfälischen Polizei durch eine Rettungsgasse auf der Autobahn gelotsten Mannschaftsbusses der Fußballer des FC Bayern München erklärt Aanwalt Christian Janeczek im Gespräch mit spiegel.de (Malte Göbel) mögliche Rechtfertigungen. So könne es den Beamten darum gegangen sein, die Fußballer aus einer kurz vor der Eskalation stehenden Situation zu retten. In jedem Falle müsse den Anweisungen der Verkehrspolizei Folge geleistet werden.
Das Letzte zum Schluss
Waffen im Handgepäck: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurden im vergangenen Jahr insgesamt 6.542 Waffen bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen entdeckt, laut spiegel.de ein den Trend der letzten Jahre fortsetzender "Höchststand". Der Rekord beruhe keineswegs auf kriminellen Absichten, vielmehr dächten "Waffenbesitzer schlicht aus Nachlässigkeit nicht daran," was genau sich im Handgepäck befinde.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen)
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Die juristische Presseschau vom 22. Februar 2023: . In: Legal Tribune Online, 22.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51119 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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