Israels Justizminister stellt Pläne für Justizreform vor. GFF erhebt Verfassungsbeschwerde in NRW gegen das neue Versammlungsgesetz. Irische Datenschutzbehörde verhängt widerwillig 390-Millionen-Euro-Strafe gegen Meta.
Thema des Tages
Israel – Justizreform: Der israelische Justizminister Jariv Levin hat die Pläne der neuen Regierung für eine Justizreform vorgestellt. Danach soll das Parlament das Recht bekommen, Entscheidungen des Obersten Gerichts mit einer absoluten Mehrheit zu überstimmen. Die Regierungsmehrheit in der Knesset könnte damit Gesetze erneut beschließen, die vom Gericht als verfassungswidrig abgelehnt wurden. Darüber hinaus sollen Abgeordnete eine größere Rolle bei der Ernennung der Mitglieder des Obersten Gerichts spielen. Bisher werden die Obersten Richter:innen von einem Komitee aus Jurist:innen und Abgeordneten ernannt. Dieses Komitee soll künftig mehrheitlich mit Abgeordneten besetzt werden. zeit.de und focus.de berichten.
Rechtspolitik
Containern: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) arbeitet gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium bereits an einem Gesetzesentwurf zur Entkriminalisierung des Containerns, berichtet zdf.de (Samuel Kirsch). Bisher wird das Entnehmen von aussortierten Lebensmitteln aus Supermarkt-Mülltonnen von der Rechtsprechung als Diebstahl gewertet. Rechtsprofessor Boris Burghardt sieht für die Entkriminalisierung zwei Möglichkeiten: Entweder könne der Gesetzgeber klarstellen, dass der Diebstahlstatbestand einschränkend so zu verstehen ist, dass das Entwenden entsorgter Lebensmittel kein strafbares Unrecht ist. Oder man könne eine "große Lösung" wagen und den Umgang mit Lebensmittelabfällen umfassend regeln.
Disziplinarrecht/Extremismus: Die Grünen fordern eine "Nachschärfung" des von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigten Gesetzentwurfs für ein schärferes Disziplinarrecht gegen extremistische Beamt:innen. Unter anderem sollen Beamt:innen automatisch ihren Status verlieren, wenn sie Mitglieder von verbotenen Parteien und Vereinen waren. Außerdem sollen Dienstvergehen auch noch nach zehn Jahren (statt bisher sieben Jahren) sanktioniert werden können. Die taz (Konrad Litschko) berichtet.
Klimaschutz: Nun erläutert auch die Welt (Ricarda Breyton), dass die aktuelle Klimapolitik zwar nicht gegen die konkreten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Klima-Beschluss von 2021 verstößt, aber wohl gegen die Klimaziele des Klimaschutzgesetzes. Zitiert werden die Rechtsprofessor:innen Christian Calliess und Sabine Schlacke.
Justiz
VerfGH NRW – Versammlungsgesetz NRW: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und das Bündnis "Versammlungsgesetz NRW stoppen" haben beim Verfassungsgerichtshof NRW eine gemeinsame Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag gegen das seit Januar 2022 geltende Versammlungsgesetz NRW eingereicht. So seien die Regelungen zum Störungs-, Vermummungs- und Militanzverbot zu weitreichend und unbestimmt. Die Ausdehnung der Befugnis zur Videoüberwachung könne einschüchternde und abschreckende Wirkung haben. Außerdem werde mit dem Versammlungsverbot auf Bundesautobahnen ein öffentlicher Raum prinzipiell von der Versammlungsfreiheit ausgeschlossen. Es berichten netzpolitik.org (Markus Reuter) und LTO.
EuGH zu schriftlicher Vernehmung im Ausland: Der Benedikt Windau (ZPO-Blog) kommentiert einen Beschluss des Europäischen Gerichtshofs aus dem September zu der Frage, ob ein Zivilgericht eine im Ausland ansässige Beweisperson schriftlich vernehmen darf, ohne den formalen Rechtshilfeweg zu beschreiten. Der EuGH halte dies trotz aller Streitigkeiten in der deutschen Literatur und Rechtsprechung eindeutig für möglich. Leider "drücke" sich der EuGH aber um eine Klärung, ob die dafür herausgearbeiteten Grundsätze auch für Vernehmungen per Video gelten.
BAG in 2022: LTO (Tanja Podolski) fasst zehn wichtige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aus dem letzten Jahr zusammen. Dazu zählen Entscheidungen zur Erfassung der Arbeitszeit, zur Verjährung von Urlaub, zu geringerem Kündigungsschutz bei Rentennähe und zum Verfall von Urlaub bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit.
LG Ravensburg zu Dieselskandal/Opel: Nach einem Urteil des Landgerichts Ravensburg hat sich Opel gem. § 826 BGB wegen sittenwidrigen Verhaltens schadensersatzpflichtig gemacht, indem das Unternehmen beim Auto des Klägers, einem Opel Insignia 2.0 mit einem Motor des Typs "B20", durch mehrere Abschalteinrichtungen systematisch darauf hingearbeitet habe, dass der PKW auf dem Prüfstand ordnungsgemäß und ansonsten nur mit reduzierter Abgasreinigung arbeitet. Das LG hält das Vorgehen von Opel für vergleichbar mit dem Vorgehen der Volkswagen AG mit deren Motor "EA 189", der 2020 Gegenstand des ersten BGH-Urteils im Rahmen des sog. Dieselskandals war. LTO berichtet.
LG Detmold zu Ehrenmord an Jezidin: Die SZ (Annette Ramelsberger) druckt in der Reihe "Aktenzeichen" alte SZ-Prozess-Reportagen erneut ab und schildert kurz, was aus den Beteiligten wurde. In einer Reportage von 2012 ging es um ein Verfahren am Landgericht Detmold, bei dem vier Brüder und eine Schwester wegen gemeinschaftlichen Mordes bzw. wegen Geiselnahme mit Todesfolge angeklagt waren, weil sie die jüngste Schwester bei ihrem Freund entführt und dann getötet hatten. Es handelte sich um eine gut integrierte, kurdischstämmige Familie jesidischen Glaubens, in der allerdings archaische Strukturen herrschten und in der der liberale Lebensstil der jüngsten Tochter als Gefahr für die Familienehre galt. Sechs Familienmitglieder wurden verurteilt. Der jüngste Sohn, der den Mord ausführte, sitzt als einziger noch im Gefängnis.
VG Düsseldorf zu Informationsfreiheit/Nachtflüge: Mit Beschluss vom 30. Dezember hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf das Landesverkehrsministerium NRW dazu verpflichtet, dem Verein "Kaarster gegen Fluglärm e.V." bis zum 13. Januar Auskunft über die Arbeit des "Slot Performance Monitoring Committee" (SPMC) zu erteilen. Das SPMC ist ein Kontrollgremium für Nachtflugbestimmungen und soll Verletzungen durch Airlines feststellen und ahnden. Der Informationsanspruch des Vereins ergebe sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz NRW. Zuvor hatte der Verein seit 2016 erfolglos versucht, die Informationen vom Ministerium zu erhalten. LTO berichtet.
AG Hohenstein-Ernstthal – OB Marcus Steinhart: In Sachsen hat die Staatsanwaltschaft Zwickau beim Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal Anklage gegen den Glauchauer Oberbürgermeister Marcus Steinhart (CDU) wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung erhoben. Er soll einen Mitschüler seines Sohnes wegen mutmaßlichem Mobbing zur Rede gestellt haben und dabei handgreiflich geworden sein. Es berichten FAZ und spiegel.de.
GenStA Frankfurt/M. – ZIT: LTO-Karriere (Christine Schröder) berichtet über die Tätigkeit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT), die 2010 in der ehemaligen Hausmeisterwohnung des Landgerichts Marburg eingerichtet wurde und seit 2018 als eigenständige Abteilung bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. angesiedelt ist. Mittlerweile ermitteln dort sechs Oberstaatsanwält:innen und siebzehn Staatsanwält:innen zum Beispiel gegen Hatespeech und Straftaten im Zusammenhang mit Kryptowährungen, aber auch bei Fällen von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern mit Bezug zum Internet.
Recht in der Welt
Irland – Meta/Datenschutz: Die irische Datenschutzbehörde DPC hat wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gegen den Social-Media-Konzern Meta (Ex-Facebook) eine Strafe in Höhe von 390 Millionen Euro verhängt. 2018 hatte Meta seine Geschäftsbedingungen für Facebook und Instagram dahingehend geändert, dass Nutzer:innen mit der Zustimmung automatisch in die Nutzung persönlicher Daten für zielgerichtete Werbung einwilligen. Lange Zeit hielt sich die irische Behörde in dieser Sache mit Sanktionen zurück und verhängte erst nach Kritik eine milde Strafe von 30 Millionen Euro. Im Dezember wies der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) die DPC jedoch an, entschiedener gegen Meta vorzugehen. Nun will nicht nur Meta Rechtsmittel einlegen. Auch die irische Behörde überlegt, vor den EuGH zu ziehen, um das Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Aufsichtsinstanzen zu klären. Es berichten SZ, netzpolitik.org (Tomas Rudl) und spiegel.de.
USA – Sam Bankman-Fried: Ab dem 2. Oktober diesen Jahres muss sich Sam Bankman-Fried, Gründer der Kryptobörse FTX, vor einem New Yorker Gericht unter anderem wegen Betrugs und Geldwäsche verantworten. Mit FTX soll er Investor:innen betrogen und Gelder in Milliardenhöhe veruntreut haben. Der am 12. Dezember festgenommene ehemalige Multimilliardär plädierte bei einer ersten Anhörung auf unschuldig. Gegen ihn laufen auch zivilrechtliche Verfahren in den USA. Es berichten SZ (Jannis Brühl), FAZ, Hbl, LTO und spiegel.de (Ines Zöttl).
USA – Romeo und Julia: Rund 50 Jahre nach dem Kinostart von Romeo und Julia klagen die Hauptdarsteller:innen Olivia Hussey und Leonard Whiting vor einem Gericht in Los Angeles gegen die Produktionsfirma Paramount und fordern wegen sexuellem Missbrauch, sexueller Belästigung und Betrug eine Entschädigung in Höhe von 500 Millionen Dollar. Die damals 15- und 16-Jährigen seien vom bereits verstorbenen Regisseur Franco Zeffirelli zu einer Szene gedrängt worden, in der kurz die Brüste Husseys und der Po Whitings zu sehen sind. Beim Nacktdreh hätte man ihnen zudem versichert, dass im Film keine anstößige Nacktheit zu sehen sein werde. Die Nacktszene habe bei ihnen zu jahrzehntelangen Schmerzen geführt und sei zentraler Grund für viele entgangene Engagements. Es berichten SZ (David Steinitz), FAZ, spiegel.de und LTO.
Österreich – Anwaltschaft und Prostitution: Der österreichische Rechtsanwalt Martin Mahrer ist vom Disziplinargericht für Rechtsanwälte am Obersten Gerichtshof wegen einer Verletzung der Ehre und des Ansehens des Berufsstandes zu einer Geldbuße in Höhe von 4.000 Euro verurteilt worden, weil er sich für die Sendung "Geil – so treibt's Österreich" leicht bekleidet mit einer Sexarbeiterin ablichten ließ und seine Vorliebe für kürzere Beziehungen mit "Klassefrauen" bekundete. Das Standesansehen leide, weil Prostitution regelmäßig mit besonderem menschlichem Leid einhergehe. Zwar sei auch die Privatsphäre von Anwält:innen geschützt, Mahrer aber sei unverpixelt im Fernsehen aufgetreten. LTO berichtet.
Sonstiges
Streit um jüdisches Erbe: Die Zeit (Miriam Gebhardt) berichtet ausführlich über einen Erbstreit des katholischen Adligen Vollrad von Poschinger. Er ist auf Umwegen zum Erben eines von Nazis verjagten jüdischen Bankiers geworden, Rechtsnachfolger ist aber wegen von Poschingers Säumnis bei der Geltendmachung des Erbes die Jewish Claims Conference (JCC), ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen. Von dieser erhielt er letztlich nur einen Anteil von 1,1 Millionen Euro, obwohl die JCC vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) 5,6 Millionen Euro erhielt. Von Poschinger besteht auf einen höheren Betrag.
Das Letzte zum Schluss
Asche statt Asche: Im US-Bundesstaat Colorado haben zwei Bestatterinnen, Mutter und Tochter, jahrelang Angehörige von Verstorbenen betrogen, indem sie eine Einäscherung der Leichen für 1000 Dollar vereinbarten, die jedoch niemals stattfand. Stattdessen verkauften sie Teile der Leichen und in einigen Fällen auch ganze Leichname. Zudem fälschten sie Dokumente, um Leichenteile verkaufen zu können, die mit HIV oder Hepatitis infiziert waren. Zwischen 2010 und 2018 sollen sie so insgesamt 560 Leichen kommerzialisiert haben. Nun müssen die 69-jährige Shirly K. und die 46-jährige Megan H. für 20 und 15 Jahre ins Gefängnis. spiegel.de berichtet.
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LTO/tr/chr
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Die juristische Presseschau vom 5. Januar 2023: . In: Legal Tribune Online, 05.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50660 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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