Das VG Berlin will Anfang dieser Woche über die Klagen von Palästinenser:innen entscheiden. Die Anwaltsgebühren sollen um sechs bis neun Prozent steigen. Die Debatte um Abschiebungen nach Afghanistan hält an.
Thema des Tages
VG Berlin – Waffenexporte nach Israel: Das Berliner Verwaltungsgericht will Anfang dieser Woche über mehrere Eilanträge gegen deutsche Waffenexporte nach Israel entscheiden. tagesspiegel.de (Jost Müller-Neuhof) erläutert, worum es rechtlich geht. Im Zentrum steht dabei das Kriegswaffenkontrollrecht, eine bedeutende Hürde für die bisher ausschließlich schriftlich geführten Verfahren könnte jedoch die Zulässigkeit der Klage sein. Ordnet das Gericht aber einen Stopp an, käme die Bundesregierung in Erklärungsnot, heißt es im Text, sie gehe bisher davon aus, sich in dem Konflikt an das nationale und internationale Recht gehalten zu haben. In einem Schriftsatz habe laut Spiegel (Matthias Gebauer) die Bundesregierung erläutert, warum sie ein Waffenembargo ablehne. Unter anderem werde befürchtet, dass Israel als Reaktion auf ein einseitig wirkendes Waffenembargo Rüstungsprojekte wie den Verkauf des Flugabwehrsystems Arrow 3 an die Bundeswehr stoppen würde.
VG Berlin: Der Spiegel (Frauke Hunfeld) schildert das Verwaltungsgericht Berlin in einem ausführlichen Porträt und wirft den Blick auf weitere Verfahren, die dort verhandelt werden. In einem weiteren Beitrag des Spiegel (Frauke Hunfeld) wird die Präsidentin des Gerichtes interviewt. Die Verfahren und ihre Anzahl änderten sich, je nach Krieg und Unruhen in der Welt sowie nach Stimmungslage und abhängig von den Streitfragen, die eine Gesellschaft gerade austrage, so Gerichtspräsidentin Erna Xalter.
Rechtspolitik
DAT - Anwaltsgebühren: Beim diesjährigen Anwaltstag hat Bundesjustizminister Marco Buschmann eine Erhöhung der Anwaltsgebühren angekündigt. Nach dem entsprechenden Referentenentwurf, über den LTO berichtet, soll es eine Steigerung von 6 bis 9 Prozent geben. Zuletzt waren die Gebühren zum 1. Januar 2021 erhöht worden. Neben der Anpassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sollen auch die Honorarsätze nach dem Justizvergütungs- und ‑entschädigungsgesetz (JVEG) für Sachverständige und Gerichtsdolmetscher sowie die Honorare für Notare nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) steigen.
JuMiKo – Resilienz des BVerfG: Den Vorschlag der Justizministerkonferenz, die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern, hält Rechtsprofessor Lorenz Kähler im FAZ-Einspruch für den Rechtsstaat gefährdend. Anders als beabsichtigt dürfte es der Vorschlag Extremist:innen sogar erleichtern, die verfassungsrechtliche Ordnung faktisch abzuschaffen. Statt einer offenen Verfassungsänderung reiche es danach aus, Richter:innen in das Verfassungsgericht zu wählen, die einen solchen Wandel befürworten. Sobald diese dort die Verfassung uminterpretiert hätten, wären auch die besten Demokrat:innen an diese Interpretation gebunden – so freiheitsfeindlich diese auch sein möge.
Jumiko – Vermögensabschöpfung: Offen für eine Gesetzesänderung im Recht der Vermögensabschöpfung zeigt sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) laut spiegel.de. Die JuMiKo hatte sich in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, dass der Staat in Zukunft mehr Zugriff auf Vermögen aus kriminellen Machenschaften bekommt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat gerade einen 600 Seiten umfassenden Abschlussbericht mit Vorschlägen vorgelegt, der vom Bundesjustizministerium nun sorgfältig geprüft werden soll.
Cannabis im Straßenverkehr: Der Bundestag hat am Donnerstag den Grenzwert für den Cannabis-Wirkstoff THC im Straßenverkehr erhöht und Geldbußen bei Verstößen festlegt. Wer künftig vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr hinter dem Steuer sitzt, riskiert in der Regel ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro und einen Monat Fahrverbot, berichtet LTO. Der Bundesrat will laut Sa-FAZ am 5. Juli über das nicht-zustimmungspflichtige Gesetz beraten. Der neue Grenzwert soll nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.
Kinderehen: Der Bundestag hat in der vergangenen Woche die von der Regierung vorgeschlagenen Nachbesserungen zum Verbot von Kinderehen beschlossen. Danach sollen im Ausland geschlossene Ehen, bei denen mindestens einer der Partner bei der Eheschließung unter 16 Jahre alt war, weiterhin unwirksam sein. Die betroffenen Minderjährigen sollen künftig aber Unterhaltsansprüche gegen den Partner oder die Partnerin geltend machen können. Die Gesetzesänderung, über die zeit.de informiert, setzt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um.
Lieferketten und Menschenrechte: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vorgeschlagen, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes "zu pausieren bzw. deutlich zu reduzieren". Die Pause soll zwei Jahre betragen, weil dann auch die EU-Lieferkettenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt sein muss. SPD, Grüne und Verdi lehnen den Vorstoß ab. Unternehmerverbände und FDP begrüßen ihn. Sa-FAZ (Dietrich Creutzburg/Christian Geinitz), Sa-SZ (Elisabeth Dostert), taz (Hannes Koch) und zeit.de berichten.
Es bedeute nichts Gutes für das Lieferkettengesetz, wenn es jetzt zur Verhandlungsmasse werde, kommentiert Hannes Koch (Mo-taz). Und würden die hiesigen Vorschriften ausgesetzt, bis die europäische Lieferkettenrichtlinie nach und nach umgesetz sei, handele es sich nicht um eine zweijährige Pause, sondern tatsächlich um eine sechs- bis siebenjährige Verzögerung.
Bundestags-Wahlrecht: Ob mit der Abschaffung der Grundmandatsklausel moralische Werte verletzt wurden, untersucht der Politikprofessor Joachim Behnke im Verfassungsblog. Die Abschaffung könne moralisch damit gerechtfertigt werden, dass die Bedingungen, die ursprünglich für die Einführung der Grundmandatsklausel gesprochen haben mögen, so nicht mehr vorhanden seien und – ganz im Gegenteil – aktuelle Anwendungen der Grundmandatsklausel sogar gegen die ursprüngliche Intention des institutionellen Designs wirkten.
Schwangerschaftsabbruch: Ausführlich befasst sich Rechtsprofessor Uwe Volkmann in der Mo-FAZ mit der Diskussion um eine Reform des Abtreibungsrechts und den von einer Regierungskommission vorgelegten Abschlussbericht, der nicht zuletzt auch deshalb bemerkenswert sei, weil er sich ganz offen in Widerspruch zu zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts setze. Das Karlsruher Gericht müsste also in einem entsprechenden Verfahren seine Rechtsprechung und dabei auch seine früheren Aussagen zur Menschenwürde eines Ungeborenen ändern.
KI und Urheberrecht: Den mangelnden Schutz der Urheber:innen vor massenhafter Ausbeutung ihrer Kreativität durch das Training künstlicher Intelligenz beklagt die Münchener Rechtsanwältin Anja Brauneck in der Mo-SZ. Die KI-Verordnung der EU sehe nur vor, dass Urheber:innen für neue Werke einen Vorbehalt zur Nutzung ihrer Werke durch KI erklären können.
Justiz
BVerfG zum Wahlalter: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde einer 13- und einer 14-Jährigen zum Wahlalter bei der Europawahl nicht zur Entscheidung angenommen und eine Wahlprüfungsbeschwerde verworfen. Die Beschwerdeführerinnen hatten sich gegen die Festsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre gewandt. Das Gericht befand die Beschwerden für unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Jahresfrist der Neuregelung erhoben worden seien. beck-aktuell berichtet.
BVerwG zu Gehwegparken: spiegel.de (Arvid Haitsch/Sebastian Stoll) und LTO erläutern jetzt die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Möglichkeiten von Anlieger:innen, gegen Gehwegparker:innen vorzugehen. Danach haben Anwohner:innen auf ihrer Straßenseite bis zur nächsten Kreuzung einen grundsätzlichen Anspruch auf ein Tätigwerden der Behörden, sofern die Benutzung des Gehwegs erheblich beeinträchtigt ist.
BFH zu beBPo: Der Bundesfinanzhof hat die Revision eines Finanzamtes als unzulässig verworfen, weil sie nicht über das besondere elektronische Behördenpostfach eingelegt wurde. Der BFH verwies auf die gesetzlichen Vorgaben des § 52d der FGO, die ein Fachkundiger auch bei Angabe von Faxnummer und Postadresse in der Rechtsmittelbelehrung nicht dahin verstehen könne, dass er das Rechtsmittel abweichend von den gesetzlichen Anforderungen auch postalisch oder per Telefax beim BFH einlegen und begründen dürfe. beck-aktuell berichtet.
BayObLG – Amazon-Prime mit Werbung: Die Verbraucherzentrale Sachsen will mit einer so genannten Abhilfeklage gegen Amazon vorgehen. Das Unternehmen habe in seinem Streamingdienst Prime einseitig und ohne die Zustimmung seiner Kunden einzuholen, eingeführt, dass Serien und Filme durch Werbung unterbrochen werden. Bisher hätten sich laut Verbraucherzentrale bereits 18.534 Verbraucher ins Klageregister eingetragen. Sa-FAZ und spiegel.de berichten.
OLG Düsseldorf zu Colonia Dignidad: Vor knapp sechs Jahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass die in Chile gegen den ehemaligen Arzt der Sekte "Colonia Dignidad", Hartmut Hopp, verhängte fünfjährige Haftstrafe wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in Deutschland nicht vollstreckt werden kann. Aus Anlass eines Staatsbesuchs des chilenischen Präsidenten attestiert Ronen Steinke (Mo-SZ) der Bundesrepublik deshalb hier eine Doppelmoral: So engagiert die deutsche Justiz heute Kriegsverbrechern aus Syrien oder Ruanda nachspüre, so wenig kümmere sie sich um die Verbrecher der Colonia Dignidad.
OVG NRW zu BSW-Teilnahme an Wahlsendung: Gegen die von dem BSW-Politiker Fabio De Masi vor dem Oberverwaltungsgericht NRW durchgesetzte Teilnahme an der "ARD-Wahlarena", die am Donnerstag vor der Europawahl ausgestrahlt wurde, will der WDR Verfassungsbeschwerde einlegen, berichtet die Sa-SZ (Aurelie von Blazekovic).
VGH BaWü zu AfD-Demo auf Mannheimer Gedenkort: Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat am Freitag eine von der AfD-geplante Demonstration auf dem Mannheimer Marktplatz untersagt. Das VG Karlsruhe hatte am Donnerstag noch einem Eilantrag der AfD stattgegeben, weil die von der Stadt erlassene Allgemeinverfügung, mit der der Marktplatz zum Gedenkort für den getöteten Polizisten Rouven Laur erklärt wurde, den Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot voraussichtlich nicht genüge. Der VGH, der die Untersagung nun doch bestehen ließ, begründete seinen Beschluss zunächst nicht. LTO berichtet.
LG Mannheim zu "From the river...": Der umstrittene Slogan "From the river to the sea, Palestine will be free" ist nicht strafbar, hat mit dem Landgericht Mannheim jetzt erstmals ein Landgericht festgestellt. Nach Ansicht des Gerichtes ist eine straflose Interpretation der Parole nicht ausgeschlossen. Die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln. LTO (Max Kolter) berichtet.
LG Karlsruhe zu Radio Dreyeckland: Ausführlich bewertet Detlef Georgia Schulze in den tazblogs, Teil 1 und Teil 2) die Entscheidung des Landgerichtes Karlsruhe, mit der der Journalist Fabian Kienert vom Vorwurf der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung freigesprochen wurde. Der Autor ist der Auffassung, dass das Gericht im Ergebnis und in der Begründung weitgehend zutreffend geurteilt habe, die Rechtsgrundlagen jedoch fehlerhaft auslegte. Insbesondere wird die Wechselwirkungstheorie des Bundesverfassungsgerichts kritisiert.
VG Potsdam zu Einreiseverbot Martin Sellner: Nachdem das Verwaltungsgericht Potsdam das von der Stadt Potsdam gegen den österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner verhängte Einreiseverbot gekippt hat, zöge man jetzt mit den Forderungen nach einer Gesetzesänderung daraus die falschen Schlüsse, kommentiert Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de).
AG Berlin-Tiergarten – Alexander Zverev: Das Verfahren gegen den Tennisprofi Alexander Zverev wurde am Freitag gegen Zahlung einer Geldauflage gem. § 153a StPO vorläufig eingestellt. Dem Tennisprofi war vorgeworfen worden, seine Ex-Partnerin Brenda Patea 2020 bei einem Streit gewürgt zu haben. Ausschlaggebend für die Einstellung sei insbesondere der Wunsch der Nebenklägerin gewesen, dieses Verfahren nicht weiterführen zu wollen, so das Gericht. Sa-FAZ (Michael Theil), Sa-SZ (Sebastian Erb), spiegel.de (Wiebke Ramm) und LTO berichten.
AG Berlin-Tiergarten – Totenfürsorge: Der Richter Matthias Hucke erzählt in einem Gastbeitrag für LTO einen kuriosen Fall aus seinem Berufsleben. Dabei hatte ein Prinz von der Elfenbeinküste die Herausgabe des Leichnams seines Vaters, der in Berlin verstorben war, begehrt. Der Wunsch hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg, weil die Totenfürsorge der deutschen Witwe des Verstorbenen zustand.
Antisemitismus vor Gericht: Die Justiz stellt sich, wie der Spiegel schreibt, darauf ein, künftig mehr Fälle von Antisemitismus bearbeiten zu müssen. So stocke beispielsweise Bayern die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München auf. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober hat die Justiz bayernweit 252 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum Hamas-Terror und dem Nahostkonflikt eingeleitet.
EuGH und EU-Demokratiedefizit: Im Gespräch mit der WamS (Hannah Bethke/Jacques Schuster) äußert sich der frühere Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm kritisch zum Demokratiedefizit in der EU. Die EU sei durch den EuGH zu dem geworden, was sie heute ist: Ein politisches Gebilde, das tief in die Politik der Mitgliedstaaten und das Leben ihrer Bürger hineinwirke. Dadurch dass der EuGH aber die Verträge nicht wie völkerrechtliche Verträge, sondern wie eine Verfassung auslege, habe er sich eine erhebliche Macht verschafft. In der EU fielen auf diese Weise Entscheidungen von hohem politischem Gewicht in einen unpolitischen Modus und diese Entpolitisierung sei die größte, aber am wenigsten bemerkte Ursache des europäischen Demokratiedefizits.
BAG-Jubiläum/BAG-Präsidentin Inken Gallner: Die Sa-FAZ (Katja Gelinsky) berichtet von der Feier zum 70. Geburtstag des Bundesarbeitsgerichtes und porträtiert dabei insbesondere dessen Präsidentin Inken Gallner. Die oberste Arbeitsrichterin pflege "eine kluge Diplomatie der ausgebreiteten Arme" und weiche Konflikten nicht aus. Das verschaffe ihr Respekt und Anerkennung auch bei jenen, die mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts manchmal haderten.
Recht in der Welt
IGH: Die wachsende Bedeutung des Internationalen Rechts allgemein und des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag im Besonderen beleuchtet sueddeutsche.de (Ronen Steinke). Zeitweise mehrmals pro Woche gehe es dort derzeit um Gaza, quasi "in Echtzeit" begleite die internationale Justiz gerade das Geschehen, wird der Völkerrechtler Markus Krajewski zitiert. Der ugandische Vizepräsidentin des IGH, Julia Sebutinde, gehe das zu weit, in ihren Statements kritisierte sie unlängst, dass der Gerichtshof zunehmend aktivistisch genutzt werde, anstatt aus ruhiger Distanz heraus zu bewerten.
Ronen Steinke (Sa-SZ) erinnert sich in seiner Kolumne "Vor Gericht" an seinen letzten Besuch beim Internationalen Gerichtshof. Er hatte einer Verhandlung, in der es ebenfalls um den Krieg im Gaza ging, beigewohnt und habe sich dabei gefragt, ob man angesichts des prunkvollen Gerichtsgebäudes wirklich in die richtige Stimmung versetzt werde von diesen Räumen, an deren Wänden nicht Fotos von Zivilisten aus Gaza oder Darfur hingen, sondern "glorreiche, alte Herrscherbilder".
Sonstiges
Abschiebung nach Afghanistan: Nun schildert auch die Mo-taz (Christian Rath) die rechtlichen Grundlagen für die geplante Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan. Da es keinen generellen Abschiebestopp für Afghanistan gibt, müssen Gerichte im Einzelfall entscheiden, ob die Gefahr von Tod, Folter oder Verelendung besteht. Bisher scheitern Abschiebungen nach Afghanistan aber vor allem an praktischen Problemen. Im Interview mit spiegel.de (Dietmar Hipp) und der WamS (Marcel Leubecher) hält Rechtsprofessor Daniel Thym die Abschiebung von Straftätern nach Syrien oder Afghanistan für grundsätzlich möglich. In weiten Teilen der Länder herrsche kein Bürgerkrieg mehr. Jungen, gesunden Männern sei dort ein Überleben auch dann möglich, wenn sie keine Verwandte oder andere Sozialstrukturen haben, die sie auffangen. Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes seien teilweise veraltet.
Auch wenn man die Situation der Menschen in Afghanistan nicht schönreden sollte, sei es höchste Zeit, die Lage im Land asylrechtlich neu zu bewerten, fordert auch Alexander Haneke (FAS). Ex-Bundesrichter Thomas Fischer schreibt in seiner spiegel.de-Kolumne, die Kurzschluss-Verbindung eines soeben begangenen, noch gar nicht aufgeklärten Verbrechens durch einen bislang seit elf Jahren unbescholtenen Aufenthaltsberechtigten mit der Forderung nach alsbaldiger Massenabschiebung von "Schwerverbrechern und Gefährdern" erscheine ihm "einigermaßen bizarr". Er kritisiert die undifferenzierte Debatte und wirft den Protagonisten aus Regierung und Opposition vor, "Wahlkampfhilfe" für die AfD zu betreiben.
Anwaltstag: Vom diesjährigen Anwaltstag, der unter dem Motto "Digitale Welt" stand, berichtet LTO (Hasso Suliak). Die Anwaltschaft "stochert im Nebel", bei vielen Rechtsfragen, die sich bei der Anwendung von ChatGPT oder anderen IT-gestützten Anwendungen unter dem Etikett KI stellten, so der Eindruck des Autors. DAV-Präsidentin Edith Kindermann warnte in ihrer Eröffnungsrede davor, dass man es mit der Digitalisierung eines Tages übertreibe und Gerichte zu reinen Online-Courts wie in China mutieren könnten.
AfD-Verbot: Er glaube, dass es genügend Material für ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD gebe, sagt der Grünen-Abgeordnete Till Steffen im Gespräch mit der Mo-FAZ (Marlene Grunert/Matthias Wyssuwa). Dabei ist er der Auffassung, dass ein Verfahren gegen die Gesamtpartei auch damit begründet werden könnte, dass sie sich nicht von Äußerungen aus als gesichert rechtsextrem eingestuften Landesverbänden distanziert habe.
Völkerrechtler Jochen Frowein: Die FAZ (Reinhard Müller) würdigt zu dessen 90. Geburtstag den früheren Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Jochen Frowein. Er war außerdem Vizepräsident der Europäischen Kommission für Menschenrechte, beriet die Bundesregierung in Sachen Ostverträge, befasste sich mit den Beneš-Dekreten und dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik sowie mit Forderungen im deutsch-polnischen Verhältnis.
Recht vs. Politik: Eine Aufwertung der Gerichte gehe zwangsläufig mit einer Abwertung der Parlamente und damit mit einer Abwertung der demokratischen Wahl einher, stellt der Politikwissenschaftler Philip Manow in seinem Buch "Unter Beobachtung" fest, das Oliver Weber (Sa-FAZ) rezensiert. Das Buch halte sich allerdings mit praktischen Folgerungen fast vollständig zurück.
Sümpfe: Über den "Sumpf" in Geschichte und Rechtsprechung schreibt Martin Rath in seiner Kolumne auf LTO.
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LTO/pf/chr
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