Israel soll den IstGH überwacht und Amtsträger:innen bedroht haben. Waschgel-Tuben dürfen nicht nur zu zwei Drittel befüllt sein. Das Artikel 7-Verfahren gegen Polen wegen Abbaus der Rechtsstaatlichkeit wurde eingestellt.
Thema des Tages
IStGH – von Israel ausspioniert: Israelische Geheimdienste haben den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag seit neun Jahren überwacht und einzelne Amtsträger zudem bedroht, schreibt die taz (Jannis Hagmann). Ziel sei es gewesen, ein völkerstrafrechtliches Vorgehen gegen israelische Entscheidungsträger zu verhindern. Die Kommunikation des Chefanklägers Karim Ahmad Khan und seiner Vorgängerin Fatou Bensouda sei routinemäßig überwacht worden. Der ehemalige Mossad-Chef Yossi Cohen soll Bensouda sogar bedroht haben: "Sie wollen nicht in Dinge verwickelt werden, die Ihre Sicherheit oder die Ihrer Familie gefährden könnten."
Rechtspolitik
Asylverfahren NRW: In Nordrhein-Westfalen sollen die Zuständigkeiten für gerichtliche Verfahren von Asylsuchenden aus Herkunftsländern mit wenigen Antragsteller:innen gebündelt und unter den sieben Verwaltungsgerichten in NRW aufgeteilt werden. Dies sieht ein Verordnungs-Entwurf von Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) vor. So soll die Bearbeitung erleichtert und beschleunigt werden. Beispielsweise soll das VG Köln für die Maghreb-Staaten, den Nahen Osten und die arabischen Staaten zuständig sein und das VG Düsseldorf für Süd- und Südostasien. Ausdrücklich ausgeklammert sind allerdings die 22 stärksten Asyl-Herkunftsstaaten wie Syrien, Irak, Türkei, Iran, Afghanistan, Nigeria und Russland. LTO berichtet.
Justiz
BGH zu Waschgeltube: Eine "Mogelpackung" liegt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs regelmäßig dann vor, wenn die Verpackung eines Produkts nur zu etwa zwei Dritteln befüllt ist. Dann sei eine "spürbare Interessensbeeinträchtigung" der Verbraucher:innen gegeben und es besteht nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein Unterlassungsanspruch. Konkret ging es um ein Herrenwaschgel des Kosmetikherstellers L'Oréal, das nach dem BGH-Urteil mit dieser Verpackung nun nicht mehr vertrieben werden darf. Es berichten tagesschau.de (Alena Lagmöller), beck-aktuell (Joachim Jahn), zeit.de, spiegel.de und LTO.
BVerwG – Corona-Impfpflicht für Soldat:innen: Die Klage eines Oberstabsbootsmannes gegen die Corona-Impfpflicht bei der Bundeswehr dürfte sich erledigt haben, nachdem die seit zweieinhalb Jahren geltende Impfpflicht vor einer Woche in eine Empfehlung umgewandelt wurde. Da das Bundesverwaltungsgericht Mitte 2022 die Impfpflicht bei der Bundeswehr bereits für rechtmäßig erklärt hatte, seien auch Entschädigungsansprüche voraussichtlich erfolglos, so das Gericht. Offen sei nur noch, ob der Soldat ein Rehabilitationsinteresse habe. Für Stellungnahmen hierzu wurde den Beteiligten eine Frist von zwei Monaten eingeräumt. beck-aktuell berichtet.
OLG Stuttgart zu Kindesentführung/Israel: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat eine Entscheidung des AG Stuttgart bestätigt, wonach eine Mutter, die mit ihrer einjährigen Tochter ohne Einverständnis des Vaters Anfang Februar nach Deutschland geflogen war, das Kind trotz des Gaza-Krieges zurück nach Israel bringen muss. Eine "schwerwiegende Gefahr" nach Art. 13 Abs. 1 lit. b des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) liege nicht vor. beck-aktuell berichtet.
OLG Düsseldorf zu Nike vs. Adidas: Über das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, wonach der Sportartikelproduzent Nike nur eine von fünf von Adidas beanstandeten Hosen mit seitlich angebrachten Streifen nicht mehr anbieten darf, berichten nun auch beck-aktuell und LTO.
KG Berlin – Spion im BND: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet über den Prozess vor dem Kammergericht Berlin gegen den ehemaligen BND-Mitarbeiter Carsten L. und den Geschäftsmann Arthur E., die Geheimnisse an Russland verkauft haben sollen. Ein Zeuge des BKA schilderte den Inhalt zweier Schließfächer der Angeklagten. Im Schließfach von Arthur E. seien unter anderem vier Bündel mit 500-Euro-Scheinen, insgesamt 200.000 Euro, gefunden worden und bei Carsten L. unter anderem 400.000 Euro, ebenfalls in 500-Euro-Bündeln. Die Nummerierung der Scheine sei fächerübergreifend fortlaufend gewesen. Zuvor hatte L. behauptet, das Geld sei sein Erspartes.
LG Kassel zu Mord an 14-Jähriger: Im Prozess um den gewaltsamen Tod einer 14-Jährigen im September 2023 im nordhessischen Bad Emstal ist der heute 21-jährige Angeklagte vom Landgericht Kassel nach dem Erwachsenenstrafrecht wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und neun Monaten verurteilt worden, schreibt spiegel.de. Das LG sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine jugendliche Bekannte zur Befriedigung des Geschlechtstriebs erwürgt hat. Zudem habe er die Totenruhe gestört, weil er die Leiche des Mädchens in sexuell motivierter Weise berührte und dies filmte und fotografierte.
LG Halle – Björn Höcke: Das Landgericht Halle hat für den zweiten Prozess gegen den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke wegen der Verwendung der SA-Losung "Alles für Deutschland" zwei Verhandlungstermine für den 24. und 26. Juni angesetzt. Das LG Halle hatte Höcke am 14. Mai wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf einer Veranstaltung in Merseburg zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun geht es um eine Veranstaltung im Dezember 2023 in Gera. spiegel.de berichtet.
ArbG Köln – Kündigung/Potsdamer Treffen: LTO (Tanja Podolski) berichtet über eine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Köln, in der es um die außerordentliche Kündigung einer Angestellten der Stadt Köln ging. Simone Baum hatte im November 2023 an dem Remigrations-Treffen von Rechtsextremen in Potsdam teilgenommen. Angeblich wusste sie nicht, worum es ging. Das Gericht hat einen Vergleich vorgeschlagen, der wohl die für Baum im Oktober 2026 beginnende Regelrente berücksichtigt. Kommt es zu keiner Einigung, wird am 3. Juli eine Entscheidung ergehen.
Recht in der Welt
Polen - Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit: Sieben Monate nach der Abwahl der nationalkonservativen PiS-Regierung sieht die EU-Kommission keine Gefahr mehr für die Rechtsstaatlichkeit in Polen und hat das Sanktions-Verfahren nach Art. 7 des EU-Vertrages (EUV) beendet. Die PiS-Regierung, die Polen von 2015 bis 2023 geführt hat, hatte das Justizsystem umgebaut. Unter anderem brachte sie den Landesjustizrat unter ihre Kontrolle, der für die Nominierung von Richter:innen für freiwerdende Stellen zuständig ist. Auch der EuGH hatte Zweifel an der Unabhängigkeit des Rates. Es berichten spiegel.de, zeit.de, beck-aktuell (Ansgar Haase/Doris Heimann) und LTO.
USA – Trump/Stormy Daniels: Die Geschworenen im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump haben ihre Beratungen zur Urteilsfindung unterbrochen, um sich noch einmal die Aussagen zweier wichtiger Zeugen vorlesen zu lassen. Die Beratungen sollen an diesem Donnerstag um 09.30 Uhr (Ortszeit, 15.30 Uhr MESZ) wieder aufgenommen werden. Konkret geht es um die Aussagen von David Pecker, des ehemaligen Herausgebers des Boulevardblattes "National Enquirer", und um den Kronzeugen Michael Cohen, Trumps Ex-Anwalt. spiegel.de berichtet.
Vorberichte zu den Beratungen der Jury mit Zusammenfassungen des bisherigen Prozessverlaufes bringen zeit.de, spiegel.de (Marc Pitzke), beck-aktuell und LTO.
USA - Trump/Angriff aufs Kapitol: Nachdem bekannt wurde, dass an zwei Häusern des Supreme-Court-Richters Samuel Alito Fahnen wehten, wie sie unter den radikalen Anhängern von Ex-Präsident Donald Trump beliebt sind, erklärte Alito, dass er gleichwohl über Trumps Immunität beim Sturm auf das Kapitol mitentscheiden wolle. In Briefen an die Mitglieder des Kongresses schrieb der 74-Jährige, dass seine Frau Martha-Ann für das Hissen der Flaggen verantwortlich sei: "Meine Frau mag es, Flaggen zu hissen. Ich nicht." spiegel.de berichtet.
Georgien – "ausländische Agenten"-Gesetz: Trotz wochenlanger Massenproteste und gegen das Veto der proeuropäischen Präsidentin Salome Surabischwili hat das georgische Parlament am Dienstag das Gesetz zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft endgültig verabschiedet. Damit verschärfen sich die Rechenschaftspflichten von Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten. beck-aktuell berichtet.
Ungarn – militante deutsche Antifa: Ein Budapester Berufungsgericht hat das Strafmaß für einen deutschen Linksextremisten auf ein Jahr und zehn Monate gesenkt, der im Januar in erster Instanz wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu drei Jahren verurteilt worden war. Er hatte eingeräumt, im Februar 2023 mutmaßliche Teilnehmer eines SS-Gedenkens mit Teleskopschlagstöcken, Hämmern und Bleihandschuhen misshandelt zu haben. Laut Anklage gehört er der militanten Antifa-Gruppe um Lina E. an. spiegel.de berichtet.
Sonstiges
Sylt-Video/Ermittlungen: Nach dem Eklat um rechtsextreme Gesänge auf Sylt ermittelt die Staatsanwaltschaft Flensburg gegen zwei Männer und eine Frau wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Bei einem der Männer steht darüber hinaus der Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Raum. Einlassungen gibt es bisher nicht. spiegel.de und zeit.de berichten.
Sylt-Video/Arbeitsrecht: Im Interview mit der Welt (Jan Alexander Casper; erweiterte welt.de-Fassung) empfiehlt Rechtsprofessor Arnd Diringer den Sänger:innen des Videos, die von ihren Arbeitgeber:innen in der Folge gekündigt wurden, dagegen zu klagen. Die Voraussetzungen für eine Druckkündigung und außerordentliche Kündigung lägen nicht vor und im Fall von ordentlichen Kündigungen bestehe zumindest eine große Chance auf eine hohe Abfindung. Die betroffenen Arbeitnehmer:innen müssten aber die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung nach Zugang der Kündigung beachten. Die Kündigungen im Sylt-Fall wirken auf Diringer in der Gesamtschau so, als "habe man den großen Showeffekt gesucht, indem man sich öffentlich von seinen Mitarbeitern distanziert, deren Existenz zerstört, um eine positive Medienmeldung zu produzieren." Diringer appellierte an Unternehmen, private Äußerungen nicht weiter so stark mit beruflichen Konsequenzen zu verknüpfen. "Manche halten Giftgas für eine tolle Idee – bis sich der Wind dreht. Und der Wind kann sich rasend schnell drehen".
Sylt-Video/Exmatrikulation: Der Rechtsanwalt Fiete Kalscheuer kommentiert auf LTO, dass nicht nur die von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) gegenüber einer auf dem Sylter-Video mitsingenden Studentin angedrohte Exmatrikulation rechtswidrig wäre, sondern auch das tatsächlich schon ausgesprochene zweimonatige Hausverbot. Ein Hausverbot sei eine Maßnahme des Gefahrenabwehrrechts und setzte als solche voraus, dass eine Gefahrenprognose hinsichtlich künftiger Störungen im Betriebsablaufs oder der Gefährdung von Personen vorgenommen werde. Diese Gefahren seien hier nicht ersichtlich, vielmehr wolle die HAW ein Exempel statuieren.
Ähnlich schätzen dies Rechtsanwältin Sibylle Schwarz bei spiegel.de (Markus Sutera) und Rechtsanwalt Joachim Schaller gegenüber der taz (Kaija Kutter) ein: Die Studentin habe den Betrieb der Hochschule nicht gestört und das Hausverbot würde dann in unzulässiger Weise präventiv oder als Doppelstrafe wirken. Für eine Exmatrikulation fehle es an einem Schaden, den die Studentin der Hochschule durch ihr privates Verhalten im Urlaub zugefügt habe. Anders sieht dies der ebenfalls von der taz zitierte Rechtsanwalt Arne-Patrik Heinze, der der HAW für die Exmatrikulation gute Chancen einräumt, da in dem Verhalten ein Verstoß gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gesehen werden könne und damit auch ein schweres Fehlverhalten.
BKartA – Fußball/50+1-Regel: Das Bundeskartellamt stellte klar, dass sich durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Verbot einer sogenannten Super League durch die FIFA und UEFA und zur rechtswidrigen Vorgabe einer Mindestanzahl einheimischer Spieler in einer Mannschaft durch die UEFA zunächst einmal keine grundlegende Neubewertung der 50+1-Regel ergibt. Diese sei grundsätzlich verhältnismäßig. Die Regel gibt vor, dass Kapitalanleger zwar die Mehrheit des Kapitals stellen dürfen, jedoch keine Stimmenmehrheit an entsprechenden Kapitalgesellschaften übernehmen können. LTO berichtet.
Grundrechtsbildung: Im Interview mit beck-aktuell (Pia Lorenz) stellt der stellvertretende Vorstand des Vereins "10drei", Jasper Schlump, die Arbeit des Vereins vor, der Lehrer:innen für Grundrechte-Workshops mit Schüler:innen fortbildet. Ziel des Projektes sei es, dass die Kinder die Bedeutung der Grundrechte erfahren und in ihren eigenen Worten formulieren.
Taser-Einsatz durch Polizei: Rechtsprofessor Andreas Ruch führt auf dem Verfassungsblog die Gefahren des Tasers im alltäglichen Polizeieinsatz aus und erkennt darin ein riskantes Einsatzmittel mit dem Potenzial der Normalisierung polizeilicher Gewaltanwendung. Zudem könne der Einsatz mit Blick auf das Auwahlermessen zwischen Taser und Schusswaffe zu weniger Handlungssicherheit der Polizist:innen führen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/tr/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 30. Mai 2024: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54660 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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