Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. Januar 2024: AfD lehnt Richter ab / Jens Rommel soll GBA werden / Vir­tual Rea­lity im Straf­pro­zess

08.01.2024

Im Prozess um die Einstufung der AfD als Verdachtsfall wirft die AfD dem Vorsitzenden Richter Befangenheit vor. BGH-Richter Jens Rommel soll Generalbundesanwalt werden. Das LG Kaiserslautern hat Virtual Reality im Strafprozess eingesetzt.

Thema des Tages

OVG Münster - Verdachtsfall AfD/Befangenheit: Die AfD-Anwälte lehnen den Vorsitzenden Richter des Oberverwaltungsgerichts Münster Gerald Buck wegen der "Besorgnis der Befangenheit" ab. Buck leitet den Senat, der Ende Februar in zweiter Instanz über die Einstufung der AfD-Bundespartei als rechtsextremer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entscheiden muss. Von Buck sei kein faires Urteil zu erwarten, lautet der Vorwurf, der Richter agiere "willkürlich“, er stehe gewissermaßen für Gesinnung statt Recht, zitiert die Mo-SZ (Ronen Steinke) aus dem entsprechenden Schriftsatz. Konkret wird Buck vorgeworfen, dass er mit dem Verfassungsschutz telefoniert habe. Außerdem gewähre der Senat dem Verfassungsschutz auf Antrag Fristverlängerungen und lehne entsprechende Anträge der AfD ab. Gerald Buck ist nur kommissarisch im Amt, denn der Vorsitz des entsprechenden Senates liegt eigentlich bei der Präsident:in des OVG Münster, deren Position aber wegen politischer Querelen derzeit unbesetzt ist. Auch spiegel.de berichtet.

Rechtspolitik

GBA: BGH-Richter Jens Rommel soll nach dem Willen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) neuer Generalbundesanwalt werden und damit Peter Frank nachfolgen, der an das Bundesverfassungsgericht wechselte. Der 51-jährige Rommel ist derzeit Mitglied im 4. BGH-Strafsenat. Zwischen 2015 und 2020 leitete er in Ludwigsburg die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Es berichten Sa-FAZ (Marlene Grunert), Mo-SZ (Wolfgang Janisch), taz.de (Klaus Hillenbrand)spiegel.de und LTO.

Volksabstimmungen: Gegen Plebiszite "von oben" spricht sich Rechtsprofessor Hermann K. Heußner im Verfassungsblog aus. Ein solches Plebiszit sei keine direkte Demokratie und gefährlich, warnt er. Weil sie einseitig über Inhalt, Formulierung und Zeitpunkt der Abstimmung entscheiden könne, bekomme Regierung bzw. Parlamentsmehrheit entscheidende Trümpfe in die Hand, welche ihr gegenüber der Opposition Vorteile verschafften und so eine enorme Verlockung darstellten. Angesichts der demagogischen Missbrauchspotenziale, insbesondere für extremistische Parteien, sei der Kenia-Koalition in Sachsen, wo gerade über eine entsprechende Gesetzesänderung debattiert werde, dringend zu empfehlen, das Plebiszit aus dem Gesetzentwurf zu streichen.

Ministerpräsidentenwahl Thü: Die Thüringer CDU hat kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem verhindert werden soll, dass in einem dritten Wahlgang eine Ministerpräsident:in mit einer einzigen Stimme gewählt werden könnte, wenn es keine Gegenkandidat:innen gibt. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof soll über die Auslegung der für die Wahl einschlägigen Artikel 50 und 70 der Thüringer Verfassung entscheiden. Der Vorschlag sei "widersprüchlich und nicht zielführend", kritisiert der Politikwissenschaftler Werner Reutter im Verfassungsblog. Es gelte vielmehr, eine Minderheitsregierung ohne die AfD politisch möglich zu machen, nicht sie rechtlich zu verhindern.

Rechtsprofessor Christian Pestalozza spricht sich in der Mo-Welt (Matthias Kamann) dafür aus, in Art. 70 der Landesverfassung klarzustellen, dass wenn es in einem dritten Wahlgang nur eine Kandidat:in gibt, sie nur dann gewählt ist, wenn sie mehr Ja- als Nein-Stimmen erhalte. Er finde es erstaunlich, dass der Landtag diese bescheidene Reform nicht binnen vier Wochen beschließen könne, so Pestalozza. Der emeritierte Rechtsprofessor Martin Morlok sieht dagegen überhaupt keinen Änderungsbedarf und lehnt auch nachdrücklich den Vorschlag der CDU ab: Zum einen sehe er keine Unklarheit in der Verfassung und zum anderen sei es Aufgabe von Gerichten, in einem konkreten Streitfall zu entscheiden, nicht aber Auslegungsvorschläge zu unterbreiten.

Völkerstrafrecht: Als "überfällige und im Wesentlichen überzeugende Reform" bezeichnet Rechtsprofessor Kai Ambos im Verfassungsblog den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Völkerstrafgesetzbuch. Mit dem geplanten Gesetz sollen Strafbarkeitslücken geschlossen, Opferrechte gestärkt und die Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Prozesse und Urteile verbessert werden. Ambos vermisst allerdings eine Regelung zur Einschränkung der funktionellen Immunität für (hoheitliche) Diensthandlungen. 

Hochwasser/Versicherungspflicht: Gegen eine Versicherungspflicht für so genannte Elementarschäden, die zum Beispiel durch Überflutungen entstehen, "sträubt sich" Bundesjustizminister Marco Buschmann laut LTO (Hasso Suliak). Die Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung löse das Problem der Gefahr für Schäden an Gebäuden und die damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger nicht, heißt es aus dem Ministerium. Für viele Haushalte wäre der zusätzliche Versicherungsschutz mit drastischen finanziellen Belastungen verbunden, außerdem führe eine Pflicht zu mehr Bürokratie, da die Einhaltung der Versicherungspflicht kontrolliert werden müsse.

Buschmann im Interview: Die WamS (Thorsten Jungholt/Jacques Schuster) hat sich mit Bundesjustizminister Marco Buschmann unter anderem über seine anstehenden Vorhaben im Familienrecht und für den Bürokratieabbau sowie über den verfassungsrechtlichen Rahmen für eine Reaktivierung der Wehrpflicht unterhalten. In Bezug auf ein AfD-Verbotsverfahren warnt Buschmann vor einem möglichen Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht. Wenn man ein AfD-Verbotsverfahren anstrebe, müsse man zu 100 Prozent sicher sein, dass es erfolgreich ausgehe, so Buschmann auch laut spiegel.de.

Binnenmarkt: Die EU solle sich bei künftigen Rechtsakten zur Produktregulierung wieder stärker an der Idee des "New Approach" des jüngst verstorbenen früheren Kommissionspräsidenten Jaques Delors orientieren, wünscht sich im FAZ-Einspruch Rechtsanwalt Thomas Klindt. Der "New Approach" habe dem Binnenmarkt eine "völlig neue DNA" verschafft: keine "granulare Vollharmonisierung" mehr, sondern nur noch eine europaweite Harmonisierung der zu erreichenden Schutzziele. Im Gegensatz dazu entdecke die Europäische Kommission derzeit eher ihre Freude am legislativen Mikromanagement wieder, schreibt Klindt und nennt als Beispiel den AI Act zur künstlichen Intelligenz. Die Kommission wolle offenbar zunehmend "selbst durchregieren".

Justiz

LG Kaiserslautern – Polizistenmorde von Kusel: Die Mo-SZ (Christoph Heuser) beschreibt, wie im Verfahren um die Polizistenmorde von Kusel Virtual-Reality eingesetzt wurde, um den Tatort quasi in den Gerichtssaal zu bringen. Der Richter und die Verfahrensbeteiligten haben dazu entsprechende Virtual-Reality-Brillen verwendet, die ein 3-D-Bild der Örtlichkeiten zeigten. "In dem 3-D-Modell wurden Witterung, die Lichtverhältnisse und Vegetation so wiedergegeben, wie sie zum Tatzeitpunkt waren", erläutert Gerichtssprecher Michael Stiefenhöfer. Strafverteidiger Leonard Kaiser befürchtet jedoch eine Waffenungleichheit, denn "diese technischen Verfahren liegen aktuell komplett in Hand der Ermittlungsbehörden und der Anklage."

BVerfG: Erneut widmet sich die WamS (Benjamin Stibi) den Beziehungen zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und des Bundesverfassungsgerichts. Danach habe es mehrere – im einzelnen im Text aufgeführte – Telefonate beziehungsweise persönliche Treffen gegeben. Für Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler habe sich zwischen dem Gericht und der Regierung ein "netzwerkartiges Beziehungsgeflecht“ entwickelt. "Freundliche Gespräche, entspannte Abendessen und persönliche Gefallen stellen unabhängig vom Thema Nähe her, in der man sich gegenseitig verbunden und verpflichtet fühlt", wird Boehme-Neßler zitiert. Der Politikwissenschaftler Uwe Kranenpohl zeigt dagegen Verständnis für das Verhalten der Richter: Am Ende des Tages komme es darauf an, dass die Richter:innen in der Lage seien, in ihrer Rolle zu bleiben und unparteiisch zu entscheiden.

BGH zu Strafzumessung: Der Bundesgerichtshof hat im Falle eines Drogenabhängigen festgestellt, dass Erwägungen zur Strafzumessung nicht "moralisierend" sein dürfen. In seiner Verurteilung wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit Körperverletzung hatte das Instanzgericht den Angeklagten als "hartnäckigen Rechtsbrecher" bezeichnet, "der sich nur schwer beeindrucken lässt". "Diese moralisierende Strafzumessungserwägung lässt besorgen, dass sich das Tatgericht bei der Bemessung der Strafe für eine Beschaffungstat von sachfernen Gründen hat leiten lassen", so jetzt der BGH laut beck-aktuell (Joachim Jahn).

VGH Hessen zur Sonntagsöffnung: Auch ein Supermarkt, der ohne Personal betrieben wird, muss Sonn- und Feiertags geschlossen bleiben. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass auch für die Selbstbedienungsläden "Teo" der Supermarktkette Tegut das Hessische Ladenöffnungsgesetz gilt. Zwar werde das Ziel des Ladenschlussrechts, Arbeitnehmer:innen zu schützen, bei einem Verkauf ohne Personaleinsatz erreicht, das Ladenöffnungsgesetz diene aber auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen, heißt es zur Begründung. Sa-FAZ (Barbara Schäder) und beck-aktuell berichten über die Entscheidung.

Überzeugend findet Barbara Schäder (Sa-FAZ) in ihrem Kommentar die Argumentation des Gerichtes angesichts der Vielzahl von bestehenden Ausnahmen zum Ladenschutzrecht nicht. Es sei deshalb gut, dass die neue Landesregierung die Öffnung voll automatisierter Verkaufsflächen an Sonntagen ermöglichen wolle.

OLG Hamburg zur Entführung der Block-Kinder: Das Hanseatische Oberlandesgericht hat am Freitag "das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht über die gemeinsamen minderjährigen Kinder" der Steakhouse-Erbin Christina Block dem Vater Stephan Hensel übertragen und die Mutter Christina Block dazu verpflichtet, die Kinder an den Vater herauszugeben. Vorangegangen war eine Entführung der Kinder aus Dänemark, wo sie seit zweieinhalb Jahren bei ihrem Vater lebten, der sie nach einem Ferienaufenthalt nicht zur Mutter zurückließ, weil diese angeblich die Kinder schlage. "Die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungs- und des Erziehungsrechts" durch den Vater entspreche "dem Wohl der Kinder am besten", so das OLG, weil die Kinder zuletzt in Dänemark lebten. zeit.de (Anna Kunze) berichtet.

Im Interview mit dem Spiegel (Juliane Löffler) erläutert die Anwältin Isabel Fernández de Castillejo y Peetsch, die auf internationale Familienkonflikte spezialisiert ist, die Hintergründe der Auseinandersetzung. Es komme immer wieder vor, dass Eltern ihre Kinder während eines Sorgerechtsstreits entführten, so die Juristin, es gebe sogar darauf spezialisierte Firmen. Die Anwältin fordert in Kindesentführungsfällen eine Mediation und eine entsprechende Mediationskostenhilfe, um den Paaren klarzumachen, dass die Bedürfnisse der Kinder stärker in den Blick genommen werden.

LG Köln zu Thomas Drach: Vom letzten Prozesstag des Verfahrens gegen den ehemaligen Reemtsma-Entführer Thomas Drach berichtet die Sa-SZ (Björn Finke). Über eine Stunde habe der Richter Jörg Michael Bern das Urteil begründet, mit dem gegen den heute 63-jährigen Drach wegen des Überfalls auf drei Geldboten eine 15-jährige Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verhängt wurde. Drach habe Revision angekündigt.

LG Bonn – Cum-Ex/Paul Mora: Auch die Sa-FAZ (Marcus Jung) berichtet jetzt über die erneute Anklage gegen den neuseeländischen Ex-Bankier Paul Mora, der sich nun wegen seiner Beteiligung an Cum-Ex-Manipulationen der Hamburger Privatbank M.M. Warburg zwischen 2006 und 2011 verantworten soll. Konkret werfen ihm die Ermittler:innen 30 Fälle schwerer Steuerhinterziehung vor, der Schaden belaufe sich auf 447,5 Millionen Euro. Nach Mora wird seit drei Jahren per internationalem Haftbefehl gefahndet.

LG Erfurt – Kastration: Vor dem Landgericht Erfurt läuft derzeit ein Prozess gegen einen Mann, der mehrere Männer auf deren Wunsch hin kastriert und andere medizinische Eingriffe an ihnen vorgenommen haben soll. Seine Dienste soll der heute 74-jährige Angeklagte im Internet angeboten haben, obwohl er dafür gar nicht medizinisch ausgebildet war. Angeklagt wurde er wegen schwerer Körperverletzung. Die WamS (Per Hinrichs) berichtet.

LG Göttingen – Quarantäne-Abriegelung: Mit mehr als 40 Klagen fordern Bewohner:innen eines Göttinger Wohnkomplexes Schmerzensgeld in Höhe von 880.000 Euro für das rigorose Abriegeln ihres Gebäudes nach einem Corona-Ausbruch während der Pandemie. Das VG Göttingen hatte im November bereits festgestellt, dass das Handeln der Stadt rechtswidrig war. bild.de (Dino Schröder) und taz.de (Reimar Paul) berichten.

VG Berlin zu Pollern: Nun berichtet auch LTO (Max Kolter) über die Eil-Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Aufstellung von Pollern in einer Durchgangsstraße für rechtswidrig erklärt hatte. Das Bezirksamt  Pankow habe "nicht substantiiert dargelegt und es sei auch sonst nicht ersichtlich, dass bereits erhebliche Straßenschäden bestünden, die über gewöhnliche Verschleißerscheinungen hinausgingen", so das VG.

AG Berlin-Tiergarten – Beschleunigte Verfahren: Viele der Berliner Strafverfahren gegen Klimaaktivist:innen hätten sich laut WamS (Kaja Klapsa) als zu kompliziert für Schnellverfahren erwiesen; daher seien die eigens dafür eingerichteten Abteilungen jetzt aufgelöst worden. Im vergangenen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft damit begonnen, Aktivist:innen in beschleunigten Verfahren anzuklagen. Seitdem seien jedoch nur elf Urteile gefällt worden, schreibt die WamS, von 149 am Amtsgericht durchgeführten Schnellverfahren seien noch 137 offen. Weitere 48 Anträge der Staatsanwaltschaft auf beschleunigte Verfahren wurden vom Gericht abgelehnt. Dennoch wolle die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben Schnellverfahren künftig noch stärker nutzen.

Strafmaß: Kritisch setzt sich Ex-Bundesrichter Thomas Fischer auf LTO mit der Forderung der zwei Rechtsprofessorinnen Elisa Hoven und Frauke Rostalski nach höheren Strafen für insbesondere Sexualstraftaten auseinander. Sie hatten für eine Studie, Richter:innen und Lai:innen verschiedene Fallkonstellationen vorgelegt, für die fiktive Strafen festgelegt werden sollten, wobei die Lai:innen durchgehend signifikant härter gestraft hätten. Diese empirischen Erkenntnisse seien jedoch nicht plausibel und könnten daher kein wissenschaftiches Fundament für eine Forderung nach strengeren Strafen bilden, meint Fischer. Die Vielzahl von Variablen, welche sowohl die Input- als auch die Output-Seite einer solchen Untersuchung bestimmten, ihre möglichen Auswirkungen sowie deren methodische Berücksichtigung fänden im Text der Forscherinnen keine Erwähnung. Ihre Schlussfolgerung gehe daher in der Sache über das verbreitete "Immer mehr Bürger meinen…"-Narrativ nicht hinaus. 

Recht in der Welt

IStGH-Richterwahl: Die Mo-FAZ (Stephan Klenner) analysiert ausführlich, warum BGH-Richterin Ute Hohoff als deutsche Kandidatin für einen Richterposten am Internationalen Strafgerichtshof die erforderliche Zweidrittelmehrheit in der Vertragsstaatenversammlung deutlich verpasst hat. Eine Rolle habe dabei möglicherweise der Geschlechterproporz gespielt. Deutschland hätte sich auch mit Frankreich besser absprechen sollen, dessen Kandidat zudem ein stärkeres internationales Profil mitbrachte.

IGH/Israel - Krieg in Gaza: In dieser Woche verhandelt der Internationale Gerichtshof eine Klage Südafrikas, in der Israel Völkermord vorgeworfen wird. Denkwürdig sei das Ereignis nicht nur wegen der Schwere des Vorwurfes, sondern schon die Tatsache, dass Vertreter der israelischen Regierung überhaupt vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen erscheinen, könne man als historisch bezeichnen, heißt es in der FAS (Alexander Haneke/Christian Meier) in einem Text, der sich insbesondere dem geschichtlichen Hintergrund des Verhältnisses zwischen Israel und den UN widmet.

Die Sa-taz (Dominic Johnson) erläutert die Argumentation Südafrikas in seiner Klage und verweist auf einen Vorläufer dieses Verfahren – Gambias Klage aus dem Jahr 2019 gegen Myanmar, in dessen Ergebnis der IGH 2022 eine einstweilige Verfügung gegen Myanmar erlassen hat, mit der Aufforderung, Brüche der Genfer Konventionen zu unterlassen. Solche Schritte erhoffen sich jetzt auch die Kläger gegen Israel.

USA – Trump/Wahlausschluss: Der US-Supreme Court will am 8. Februar über den vom Colorado-Supreme Court verhängten Ausschluss des früheren US-Präsidenten Donald Trump von den republikanischen Vorwahlen verhandeln, heißt es auf spiegel.de. Trump hatte einen entsprechenden Antrag gestellt.

Belgien - Mega-Drogenprozess: Vor einem Strafgericht in Brüssel hat der Prozess gegen 125 Personen begonnen, die in den europäischen Kokainhandel verwickelt sind, die meisten Angeklagten haben die albanische Staatsangehörigkeit. Die Angeklagten hatten über Krypto-Handys kommuniziert, die die Polizei abhören konnte. Anwälte kritisieren, dass so viele Strafverfahren zu einem "Schauprozess" zusammengelegt worden seien. Die Mo-SZ (Josef Kelnberger) berichtet.

Sonstiges

GDL-Streik: Rechtsprofessorin Lena Rudkowski erläutert im Interview mit der Mo-taz (Christian Rath) den rechtlichen Rahmen für mögliche Streiks bei Unternehmen der so genannten Daseinsvorsorge. So müsse bei einem Bahnstreik das verfassungsrechtliche Streikrecht mit der allgemeinen Handlungsfreiheit der privaten und gewerblichen Bahnkunden abgewogen werden. Für die Verhältnismäßigkeit komme es auch auf die Dauer des Streiks an.

Am Sonntagabend kündigte die Deutsche Bahn an, vor das Arbeitsgericht Frankfurt zu ziehen, um in einem Eilverfahren ein Verbot des Streiks zu erwirken, der am Mittwoch beginnen soll, schreibt die Mo-FAZ (Corinna Budras)

Bauernprotest/Habeck: Nach den gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) persönlich gerichteten Protesten gegen den Abbau von Agrar-Subventionen wird seitens der Polizei noch nicht ermittelt, schreibt LTO am Freitag. Mehr als hundert Demonstrant:innen hatten den Politiker am Donnerstag an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert, indem sie den Anleger in Schlüttsiel blockierten. Zu strafrechtlichen Ermittlungen könne es trotzdem kommen, so LTO, der Vorwurf des Landfriedensbruchs stehe im Raum, wird ein Polizeisprecher zitiert.

AfD-Verbot: tagesschau.de (Christoph Kehlbach) gibt angesichts der aktuellen Debatte einen Überblick über die Voraussetzungen eines Parteiverbotsverfahrens.

Liebe im Berliner Senat: LTO (Hasso Suliak) fasst Stimmen zur rechtlichen Dimension der jetzt bestätigten Liebesbeziehung zwischen dem Berliner Regierenden Bürgermeister Kai Wegener und seiner Senatskollegin, der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (beide CDU), zusammen. So sieht FDP-Vize Wolfgang Kubicki ein Problem, weil Wegner und Günther-Wünsch immer dem Verdacht entgegenwirken müssten, ihr Privatleben von ihrer politischen Arbeit nicht trennen zu können.

Gefangenenentlohnung Hessen: Inhaftierte in hessischen Justizvollzugsanstalten erhalten keinen Mindestlohn. Das hessische Justizministerium begründet das damit, dass die Arbeit der Gefangenen im Justizvollzug öffentlich-rechtlicher Natur sei und den Inhaftierten Unterkunft, Verpflegung und eine "notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung" gestellt werde und daher "keine Vergleichbarkeit" mit Arbeitnehmern bestehe. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juni vergangenen Jahres entschieden hat, dass Gefangene für ihre Arbeit in Haft zu wenig Geld bekommen. LTO berichtet.

Rechtsgeschichte – SS-Offizier Erich Ehrlinger: Der Spiegel (Frank Thadeusz) erinnert an den Prozess gegen den früheren SS-Offizier Erich Ehrlinger, der an der Ermordung von 1045 Menschen beteiligt war und zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt worden war.  Ehrlinger wurde 1965, vier Jahre nach seiner Verurteilung, für haftunfähig erklärt und freigelassen. Ein Team von Rechtsmedizinern und Historikern der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hat nun die damaligen Vorgänge unter medizinischen Gesichtspunkten analysiert und dabei in den alten Prozessakten Hinweise darauf gefunden, "dass Ehrlinger gesundheitliche Belange taktisch einsetzte, um das Verfahren zu verzögern und letztlich seine Haftentlassung zu erreichen".

Pessimismus: Martin Rath (LTO) befasst sich mit der Geschichte von Pessimismus und Optimismus in den letzten 300 Jahren der Philosophie-Geschichte und stellt dann verschiedene Modelle vor, wie heute Gerichte mit Pessimismus von Wirtschaftsakteuren und Behörden umgehen. 

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pf/chr

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. Januar 2024: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53572 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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