Die juristische Presseschau vom 8. bis 9. Juni 2023: Rat will EU-Asyl­recht ver­schärfen / Stein­meier unter­zeichnet Bun­des­tags-Wahl­recht / Dis­kus­sion um AfD-Par­tei­verbot

09.06.2023

Die EU-Innenminister haben Pläne zur Reform des EU-Asylsystems beschlossen. Der Bundespräsident hat das umstrittene Bundestags-Wahlrecht ausgefertigt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält ein AfD-Parteiverbot für möglich.

Thema des Tages

Asyl: Die EU-Innenminister:innen haben mit qualifizierter Mehrheit einem Kompromissvorschlag des schwedischen Ratsvorsitzes zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zugestimmt. Besonders umstritten war die Einführung eines Grenzverfahrens. Migrant:innen ohne Bleibeperspektive, also Menschen, die aus Ländern mit geringer Schutzquote kommen, sollen künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen an den EU-Außengrenzen untergebracht werden, wo dann innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden soll, ob sie Anspruch auf Asyl haben. Bei Ablehnung soll binnen weiterer 12 Wochen eine Rückführung ins Herkunftsland oder einen sicheren Drittstaat erfolgen. Die Reform soll schrittweise eingeführt werden. Zunächst sollen 30.000 Plätze in Grenz-Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich erfolglos dafür eingesetzt, Familien mit Kindern von diesen Grenzverfahren auszunehmen. Die EU-Außenstaaten sollen durch eine verbindliche Verteilung von Geflüchteten auf andere EU-Mitgliedsstaaten entlastet werden. Diese Verteilung ist zunächst auf 30.000 Personen beschränkt. Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sollen Ausgleichszahlungen leisten. Nicht unterstützt wurde der Reformplan von Polen, Ungarn, Malta, Bulgarien und der Slowakei. Tschechien will sich nicht an dem Solidaritätsmechanismus beteiligen. Mit dieser Verhandlungsposition geht der Rat nun in die Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Parlament, das ein Mitentscheidungsrecht hat. Es berichten faz.net, spiegel.de, zeit.de und bild.de. Vorberichte brachten SZ (Josef Kelnberger), FAZ (Thomas Gutschker), Do-taz (Eric Bonse/Frederik Eikmanns u.a.), Do-Welt (Christoph Schiltz) und LTO.

Peter Tiede (bild.de) kommentiert, dass es bei aller Feierlaune jetzt darauf ankomme, dass Europa und Deutschland mit den permanenten Asyl-Rechtsbrüchen aufhörten. Die Außengrenzen seien bisher löchrig, die Außengrenzstaaten hätten Geflüchtete nur durchgewunken und manche Länder – wie Deutschland 2015 – hätten einfach "auf- und nicht wieder zu gemacht."

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen Jonathan Kießling und Isabel Kienzle haben vorab auf dem Verfassungsblog kritisch die rechtlichen Hintergründe zum Konzept der sicheren Drittstaaten und der Haft an der Grenze erörtert. Insbesondere die Inhaftierung von Minderjährigen werde nicht von der Rechtsprechung von EGMR und EuGH gedeckt.

Rechtspolitik

Bundestags-Wahlrecht: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das von der Ampel-Koalition beschlossene Gesetz zur Änderung des Bundestags-Wahlrechts unterzeichnet. Damit kann das Gesetz nun in Kraft treten, das den Bundestag von derzeit 736 auf 630 Abgeordnete verkleinern wird. Aus dem Präsidialamt hieß es, dass Steinmeier es intern als bedauerlich befunden habe, dass es dem Bundestag nicht gelungen sei, einen breiteren politischen Konsens zu erreichen. Mit der Unterzeichnung kann nun auch vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz vorgegangen werden, wie es von CDU/CSU und Linken schon vor Steinmeiers Unterschrift angekündigt worden war. Verfassungsrechtlich umstritten ist vor allem die Abschaffung der Grundmandateklausel. Es berichten SZ (Robert Roßmann), FAZ (Eckart Lohse), Welt und spiegel.de.

Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: "Dass künftig nicht jeder, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, in den Bundestag einzieht, dass womöglich eine Partei, die in einem Bundesland zahlreiche Direktmandate erhält, außen vor bleibt – das sind nicht nur Geschmacks-, sondern Demokratiefragen." Das Grundgesetz gebe wahlrechtlich zwar nicht viel vor, aber vielleicht werde das Bundesverfassungsgericht doch fündig.

Planungsbeschleunigung: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat die von der Bundesregierung angestrebte Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen auf einer Podiumsdiskussion anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig bekräftigt. Ziel sei es, die Verfahrensdauer für diese Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung weiter zu reduzieren, ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen. LTO berichtet.

Staatliche Zahlungen an Kirchen: Im Interview mit LTO (Tanja Podolski) kritisiert Rechtsprofessor Christian Waldhoff, dass die beiden großen Kirchen jedes Jahr sogenannte Staatsleistungen in Millionenhöhe als Entschädigung für schon hunderte Jahre zurückliegende Enteignungen erhalten. Zusammen mit anderen abzulösenden Staatsleistungen ergebe sich jährlich ein Betrag von rund 600 Millionen Euro. In der vergangenen Legislaturperiode hätten die damaligen drei Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linkspartei schon einen konkreten Entwurf für ein Ablösungsgesetz ausgearbeitet, der eine gute Verhandlungsgrundlage sei und den die Ampel nur aus der Schublade holen müsse.

Justiz

EuGH zu Kosten für Rückholflüge/Corona: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs müssen Airlines Unkostenbeiträge nicht erstatten, die Fluggäste, deren eigentlicher Rückflug wegen der Corona-Pandemie annulliert wurde, für einen staatlich organisierten Rückholflug bezahlt haben. Die EU-Fluggastrechte gälten nur für gewerbliche Flüge. Geklagt hatte ein österreichisches Ehepaar, das pro Person 500 Euro zahlen musste und der Meinung war, ihren Rückflug doppelt bezahlt zu haben. Es berichten FAZ, spiegel.de und LTO.

EuG zu Batman-Logo: Das Europäische Gericht hat dem Batman-Fledermaus-Logo eine Unterscheidungskraft zugesprochen, die die Eintragung der Marke für Kleidung und Kostüme rechtfertige. Die Klage eines italienischen Textilhändlers gegen den amerikanischen Comic-Verlags DC Comics hat das EuG daher abgewiesen. Es berichten spiegel.de und LTO.

BVerfG zu § 219a StGB: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde der Frauenärztin Kristina Hänel gegen ihre Verurteilung wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche als unzulässig abgelehnt. § 219a StGB sei abgeschafft und die darauf gestützten Strafurteile aufgehoben. Deshalb bestehe für Hänel kein Rechtschutzbedürfnis mehr. Die Ärztin wollte erreichen, dass das BVerfG die Verfassungswidrigkeit von § 219a StGB nachträglich feststellt. spiegel.de berichtet.

VerfGH Bayern – Volksbegehren für Fahrradgesetz: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat ein Volksbegehren mit knapp 30.000 Unterschriften für ein neues Radgesetz für besser ausgebaute Radwege für unzulässig erklärt. Dem Landesgesetzgeber fehle für das Straßenverkehrsrecht nach Art. 72 Abs. 1 GG die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Es berichten spiegel.de und LTO.

BGH zu Projektjurist: LTO (Martin W. Huff) berichtet über ein nun veröffentlichtes Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 20. März, wonach ein Jurist, der von einem Unternehmen als "Projektjurist" an eine Kanzlei ausgeliehen wird und für diese nach außen auftritt, weder als Rechtsanwalt noch als Syndikus zugelassen werden darf. Als Rechtsanwalt darf er nicht zugelassen werden, weil das Dreiecksverhältnis keine Rechtsklarheit gewährleiste und es zu Interessenskollisionen kommen könne – was anders wäre, wenn es keinen Außenauftritt gäbe. Als Syndikus darf er nicht zugelassen werden, weil es nach § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO erforderlich sei, überwiegend in Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers tätig zu werden. Dies sei aber hier – egal ob mit Außenauftritt oder ohne – nicht gegeben, weil der entliehene Jurist zu 100 Prozent seiner Arbeitszeit für die Kanzlei tätig wurde.

BGH – Kindesmissbrauch Münster: Der Bundesgerichtshof hat bereits Anfang Mai die fünf Revisionen gegen die Urteile des LG Münster gegen Adrian V., dessen Mutter und drei weitere Männer verworfen. Die vier Männer waren im Sommer 2021 zu Haftstrafen zwischen zehn und 14 Jahren verurteilt worden, weil sie in einer von der Mutter gepachteten Gartenlaube dutzendfach Kinder schwer misshandelt und vergewaltigt hatten. FAZ (Reiner Burger) und zeit.de berichten.

VGH Bayern zu Videoüberwachung im Park: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine langjährige Videoüberwachung des Passauer Klostergartens, der ein öffentlicher Treffpunkt in der Stadt ist, für rechtswidrig erklärt. Weil die Stadt die für eine Videoüberwachung erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit der sich im Klostergarten aufhaltenden Personen oder für die öffentliche Einrichtung selbst nicht nachweisen konnte, muss die Kamera nun abgebaut werden. Geklagt hatte ein Passauer Bürger mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). netzpolitik.org (Markus Reuter) berichtet.

OLG Dresden zu militanter Antifa/Lina E.: Die Linksextremistin Lina E. und drei weitere Angeklagte haben Revision beim BGH gegen ihre Verurteilung durch das Oberlandesgericht Dresden eingelegt. Es berichten spiegel.de und zeit.de.

LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: Beim Betrugsprozess gegen Ex-Wirecard Chef Markus Braun u.a. am Landgericht München I hat die ehemalige Chef-Juristin von Wirecard, Andrea Görres, als Zeugin ausgesagt. Sie räumte ein, dass es in der Rechtsabteilung sehr chaotisch zuging und dass sie selbst unter anderem Protokolle für die Wahlen des Aufsichtsrats der Wirecard Bank rückdatiert habe. Kenntnisse von den großen illegalen Machenschaften von Wirecard will sie aber nicht gehabt haben. Die SZ (Johannes Bauer) berichtet.

ArbG Berlin – Springer/Julian Reichelt: Am Arbeitsgericht Berlin beginnt an diesem Freitag das Verfahren des Axel-Springer-Verlags gegen den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt mit einem Gütetermin. Der Verlag verlangt die Zahlung von Vertragsstrafen und die Rückzahlung einer Abfindung, weil Reichelt sich nach seinem Ausscheiden bei Springer nicht an Verpflichtungen aus einem Vertrag mit dem Verlag gehalten habe. Unter anderem soll er Bild-Mitarbeiter:innen abgeworben haben. Um die Vorwürfe wegen Machtmissbrauchs wird es vor dem Arbeitsgericht vermutlich nicht gehen. LTO (Christian Rath) berichtet und gibt einen Überblick über weitere Verfahren in diesem Zusammenhang.

VG Berlin zu Auskunftspflicht der GenStA/Christian Lindner: Nach einer Eilklage des Tagesspiegels hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers Auskünfte zu den Hintergründen ihrer Vorermittlungen gegen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wegen des Korruptionsverdachts im Zusammenhang mit seinem Grußwort für die BBBank erteilen muss. Dabei müsse auch erklärt werden, ob und wie Lindner während des Verfahrens mit der Justiz kooperiert hat. tsp.de (Jost Müller-Neuhof) berichtet.

AG Berlin-Tiergarten zu Angriff auf Einsatzkräfte: Nach der Verurteilung eines 23-Jährigen am Dienstag hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Mittwoch einen 16-Jährigen wegen einer gefährlichen Körperverletzung und der Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt. Er muss für zwei Wochen in Arrest. Er soll an Silvester gemeinsam mit anderen in Prenzlauer Berg Polizist:innen angegriffen haben, die eine Kreuzung räumen wollten. zeit.de berichtet.

AG München – Letzte Generation/Homepage: LTO (Markus Sehl) hinterfragt den Beschluss des Amtsgerichts München zur Beschlagnahme der Homepage der Letzten Generation durch die Generalstaatsanwaltschaft München von Ende Mai, die parallel zu den bundesweiten Durchsuchungen erfolgte. Die Homepage wurde nicht nur abgeschaltet, sondern von der Polizei mit dem Hinweis "Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!" versehen. Die Beschlagnahme sei auf die Vorschriften zur Beweissicherung (§§ 94 Abs. 2, 98 Abs. 1 StPO) gestützt worden, wobei für die Beweissicherung jedoch das Erstellen einer Kopie der Website ausgereicht hätte. Das Abschalten sei vielmehr eine Einziehung von Tatmitteln, was im Beschluss zwar ebenfalls namentlich erwähnt werde, aber wofür keine Rechtsgrundlage genannt werde. Rechtsprofessor Dennis-Kenji Kipker hält das "Kapern" von Homepages zur Platzierung von Mitteilungen durch die Polizei als Informationshandlung grundsätzlich für zulässig, jedoch nicht, wenn, wie hier, behördliche Vorabverurteilungen außerhalb eines Strafverfahrens erfolgen.

StA Berlin – Patrick Graichen: Wie tsp.de (Jost Müller-Neuhof) berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Berlin keinen Anfangsverdacht einer Straftat gegen den früheren Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Patrick Graichen (Grüne) feststellen können. Graichen hatte einen Projekt-Antrag zugunsten der Berliner Sektion des Umweltverbands BUND unterschrieben, bei der seine Schwester im Vorstand sitzt, und dadurch den Verdacht der Untreue auf sich gezogen.

BVerwG - 70 Jahre: LTO (Annelie Kaufmann) berichtet über Festakt und Symposium zum 70. Geburtstag des Bundesverwaltungsgerichts. Thematisiert wurde dabei die historische Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte des BVerwG und seine Rolle bei der Durchsetzung der Grundrechte. Das Gericht möchte künftig wieder mehr als Revisionsgericht und weniger als erstinstanzliches Gericht bei Infrastrukturvorhaben agieren.

Recht in der Welt

USA – Trump/Dokumente: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump ist nach eigener Aussage wegen der Mitnahme von Geheimdokumenten angeklagt worden. Er sei vorgeladen worden und müsse am Dienstag in Miami vor Gericht erscheinen. Das FBI hatte im August in Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago im US-Bundesstaat Florida zahlreiche Dokumente beschlagnahmt, darunter viele mit Geheimhaltungsstufen, die der ehemalige Präsident nach seiner Amtszeit einfach mitgenommen hatte. Es berichten spiegel.de und zeit.de.

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Trumps ehemaliger Stabschef Mark Meadows vor einer Grand Jury ausgesagt hat. Er wurde im Zusammenhang mit den Untersuchungen eines vom Justizministeriums eingesetzten Sonderermittlers gegen Trump befragt, bei denen es auch um die die Geheimdokumente geht. spiegel.de berichtet.

IRMCT – Völkermord in Ruanda: In Den Haag hat der "Residualmechanismus für die Internationalen ad hoc-Strafgerichtshöfe", der auch für die Abwicklung der noch offenen Prozesse des UN-Völkermordtribunals für Ruanda zuständig ist, den ehemaligen Finanzier des Völkermordes an Ruandas Tutsi, Félicien Kabuga, für verhandlungsunfähig erklärt. Der rund 90-Jährige soll in einem "alternativen Feststellungsverfahren" zur Rechenschaft gezogen werden. Kabuga war in Ruanda bis zum Völkermord 1994 der reichste Geschäftsmann und soll den Genozid gezielt vorangetrieben haben. Die Do-taz (Dominic Johnson) berichtet.  

Litauen – Asylrecht: Das litauische Verfassungsgericht hat die 2021 vom Parlament beschlossenen verschärften Einreiseregeln für Migrant:innen gekippt. Danach konnten Migrant:innen, die die belarussische Grenze irregulär überschritten, für bis zu sechs Monate in Gewahrsam genommen werden. Für abgelehnte Asylsuchende wurden zudem die Einspruchsrechte eingeschränkt. Die Rechte Einzelner seien dabei mehr eingeschränkt worden, als es zur Erreichung des Ziels, den stark gestiegenen Einreisezahlen entgegenzuwirken, notwendig gewesen sei. spiegel.de berichtet.

Polen – russischer Einfluss: Die EU-Kommission hat ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen die nationalkonservative Regierung in Polen eingeleitet. Anlass ist das Gesetz, mit dem eine Kommission eingesetzt wird, die etwaige russische Einflussnahmen auf Politiker:innen untersuchen wird und diese dann gegebenenfalls für öffentliche Ämter sperren soll. Das Gesetz richtet sich nach der Ansicht von Kritiker:innen gegen Oppositionsführer Donald Tusk und wird daher auch "Lex Tusk" genannt. Polen muss der EU-Kommission nun binnen zwei Monaten Auskünfte und Unterlagen zukommen lassen. Es berichten FAZ, Do-Welt und spiegel.de.

EuGH/Frankreich/Slowakei – Reisekosten/Corona: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs entbindet die Annullierung einer Reise wegen Corona Veranstalter:innen von Pauschalreisen nicht von der Pflicht, Vorabzahlungen zu erstatten. "Höhere Gewalt", wie sie in Frankreich und in der Slowakei in Schutzbestimmungen aufgenommen wurde, ließ der EuGH nicht gelten. spiegel.de berichtet.

Malta – Abtreibungsverbot: Die FAZ (Matthias Rüb) berichtet über den Stillstand der 2022 angestoßenen Debatte um eine Auflockerung des strikten Abtreibungsverbots, das auch bei Vergewaltigung und Inzest und sogar bei Gefahr für Gesundheit und Leben der werdenden Mutter gilt. Nach Umfragen seien 62 Prozent der Malteser gegen eine Auflockerung, weshalb die Arbeiterpartei, die die nötige Mehrheit hätte, wohl der Mut verlassen habe.  

Japan – LGBTQ-Rechte: spiegel.de berichtet, dass es in Japan in der letzten Zeit zu fünf Gerichtsurteilen zur gleichgeschlechtlichen Ehe gekommen ist, wovon vier die fehlende Gleichstellung bei der Eheschließung für eine verfassungswidrige Situation halten. Japan ist unter den G7-Staaten das einzige Land, das die Ehe für alle noch nicht eingeführt hat. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung die Ehe für alle unterstützt, vermied Japans konservativer Premierminister Fumio Kishida bislang entsprechende Ankündigungen.

Großbritannien – Daily Mirror/Prinz Harry: Am zweiten Tag des Verfahrens am Londoner High Court im Verfahren um illegale Informationsbeschaffung des "Daily Mirrors" hat sich Prinz Harry erneut einem Kreuzverhör gestellt. Der Anwalt des Verlags sagte, dass es keine Handydaten gebe, die darauf hindeuten, dass Harry Opfer von Telefonhacking gewesen sei und dass er vielmehr ein Opfer sein wolle. Außerdem wurde die frühere stellvertretende Chefredakteurin des Daily Mirrors, Jane Kerr, als Zeugin befragt. Es berichten FAZ, SZ (Michael Neudecker), Do-Welt und spiegel.de.

Michael Neudecker (SZ) kommentiert, dass Harrys Anliegen, mit dem Verfahren eine Reform des britischen Boulevardjournalismus anzuregen, wichtig sei. Es komme zu häufig zu Grenzüberschreitungen.

Juristische Ausbildung

VG Dresden zu rechtsextremem Referendar: Auf LTO kritisiert Rechtsprofessor Klaus F. Gärditz die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden, den rechtsextremen Bewerber Matthias B. zum Referendariat zuzulassen. Das VG sei leichtfertig dem Verfassungsgerichtshof Sachsen gefolgt, obwohl dessen Entscheidung gegen Bundesrecht verstoße. Auch im Referendardienst gelte seit einer BVerfG-Entscheidung zum Radikalenerlass aus dem Jahr 1975 die Pflicht zur Verfassungstreue nach Art. 33 Abs. 5 GG. Die sächsische Rechtsprechung mache Sachsen nun zum sicheren Hafen für extremistische Bewerber:innen, die andernorts abgelehnt werden.

Volker Rieble-Seminar: An der LMU München hat Rechtsprofessor Volker Rieble ein Seminar mit dem Titel "Liebschaften am Arbeitsplatz" ausgeschrieben und als zu diskutierende Fragestellungen formuliert: "Darf frau sich 'hochschlafen', also eine Einstellung oder Beförderung mit Sex erkaufen?" und "Was ist 'Machtmißbrauch' rechtlich (Fall Reichelt, jedenfalls in der Skandalisierungs-Wahrnehmung)?" Das Fakultätskollegium bezeichnete die Formulierungen als diskriminierend, unangemessen und abstoßend und die Fakultätsleitung forderte ihn auf, sie zu entschärfen. Rieble ließ den Wortlaut jedoch bestehen und äußerte: "Ich 'verachte' niemanden. Die studentischen Aktivisten mögen sich fragen, ob sie eigene Vorurteile und Emotionen projizieren." LTO-Karriere (Luisa Berger) berichtet.

Prüfungsbedingungen in SH: Die Jurafachschaft der Universität Kiel hat eine Petition gegen die von Schleswig-Holstein geplanten Verschärfungen der Prüfungsbedingungen gestartet, wonach im Ersten Staatsexamen mit einer weiteren Strafrechtsklausur künftig sieben Klausuren geschrieben werden sollen. Kombiniert mit der Streichung der Ruhetage in allen Bundesländern sei das eine erhebliche Intensivierung. Bislang sind 1.500 Stimmen zusammengekommen. LTO-Karriere berichtet.

Sonstiges

AfD-Parteiverbot: Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMF) sieht die Voraussetzungen für ein Parteiverbot der AfD gegeben. Die AfD habe sich seit ihrer Gründung 2013 stetig radikalisiert und gehe "zur Durchsetzung ihrer rassistischen und rechtsextremen Ziele" aktiv und planvoll vor. Sie missachte die im Grundgesetz verankerte Garantie der Menschenwürde sowie das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Das DIMF betonte, sich mit der Untersuchung nicht für einen Antrag auf ein Parteiverbot auszusprechen, sondern vielmehr eine "Leerstelle" in der gesellschaftlichen und juristischen Debatte füllen zu wollen. Vertreter:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien äußerten Bedenken, ein Verbotsverfahren gegen die in Umfragen aktuell bei 18 Prozent liegende AfD einzuleiten. Das könne den Eindruck erwecken, ihr in einem demokratischen Diskurs nicht beizukommen und ihr noch weiter Auftrieb geben. Es berichten Do-taz (Gareth Joswig), Do-Welt (Frederik Schindler), zeit.de, spiegel.de und LTO (Joschka Buchholz/Hasso Suliak).

Im Interview mit der FAZ (Helene Bubrowski/Markus Wehner) bestätigte der brandenburgische Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller einen anhaltenden extremistischen Kurs der AfD, wobei in Brandenburg "das völkisch-nationalistische Lager, der mittlerweile aufgelöste Flügel" den Kern der Partei bilde. Wenn sich der Verdacht zur Gewissheit verdichte, werde eine Hochstufung vom Verdachtsfall zu einer erwiesen extremistischen Bestrebung erfolgen.

Klimaprotest: Die Rechtsreferendar:innen Fin-Jasper Landmack und Anna-Mira Brandau prüfen auf dem Verfassungsblog die Strafbarkeit von Klimaprotesten der Letzten Generation mit Blick auf die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dabei könnten friedliche Sitzblockaden tendenziell nicht bestraft werden, wobei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Mitgliedsstaaten viel Spielraum lasse. Eine Einstufung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung sei konventionswidrig und ein Notwehrrecht gegen Sitzblockaden sei ausgeschlossen. 

Rammstein: Till Lindemann hat die gegen ihn öffentlich gewordenen Missbrauchs-Vorwürfe durch Anwälte zurückweisen lassen. Die Vorwürfe, dass weibliche Fans unter Drogen gesetzt worden seien, damit er sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen kann, seien "ausnahmslos unwahr". Die Kanzlei Schertz Bergmann teilte außerdem mit, rechtliche Schritte gegen alle Personen einzuleiten, die Lindemann entsprechend beschuldigen. spiegel.de und LTO berichten.  


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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/tr/chr

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. bis 9. Juni 2023: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51953 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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