Schwuler Tschetschene wird für Tötung eines Transmanns beim CSD in Münster verurteilt. Rechtsprofessor Hillgruber lehnt EU-Grundrecht auf Schwangerschaftsabbruch ab. RA Stucke kritisiert die strafrechtliche BGH-Revisionspraxis.
Thema des Tages
LG Münster zu Tötung von Transmann Malte C.: Das Landgericht Münster hat rund sieben Monate nach dem gewaltsamen Tod eines Transmanns beim Christopher Street Day (CSD) in Münster den 20-jährigen Nuradi A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Der in Tschetschenien geborene A. hatte den 25-jährigen Transmann Malte C., der A. von Belästigungen und Beleidigungen anderer CSD-Teilnehmerinnen abhalten wollte, ins Gesicht geschlagen, wodurch C. mit dem Kopf auf den Boden aufschlug und anschließend im Krankenhaus verstarb. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass A. nicht aus Hass gegen queere Menschen gehandelt habe, weil er Malte C. nicht als Transmann erkannte. Zwar wurde im Prozess bekannt, dass A. selbst homosexuell ist und heimlich eine Beziehung mit einem Mann führt. Der Angriff auf Malte C. sei aber kein Ausdruck der Abwehr der eigenen Homosexualität gewesen. Vielmehr neige A. wenn er unter Drogen stehe, zu Aggressionen. Es berichten FAZ (Reiner Burger), SZ (Alexander Menden/Veronika Wulf) und taz.
Jan Feddersen (taz) kommentiert, dass die Ablehnung des Motivs der Queerfeindlichkeit ein "juristischer Fehler sondergleichen" sei, weil Hass auf queere Menschen häufig gerade von sich selbst nicht anerkennenden Homosexuellen ausgehe. Wichtig sei es jetzt, dem Verurteilten eine positive Selbstanerkennung als schwuler Mann zu ermöglichen und ihm nach der Strafverbüßung eine Zukunft in Deutschland zu eröffnen. Eine Rückkehr nach Tschetschenien gleiche einer Todesstrafe.
Rechtspolitik
Schwangerschaftsabbruch: In der FAZ konstatiert Rechtsprofessor Christian Hillgruber hinsichtlich der von Frankreich angestoßenen Diskussion um ein EU-Grundrecht auf Abtreibung eine Gefahr für die deutsche Verfassungsidentität. Die Verankerung des Lebensrechts in der Menschenwürde gebiete zwar keinen absoluten Lebensschutz, schließe aber eine "grundsätzlich freie Verfügungsbefugnis der Schwangeren über das ungeborene Leben, die dessen Eigenwert schlicht dementiert, aus." Sollte die Bundesregierung Frankreich beipflichten, so seien die Bürger:innen aufgerufen, dagegen vor dem BVerfG unter Berufung auf das verfassungsbeschwerdefähige Wahlrecht nach Art. 38 GG vorzugehen.
Greenwashing: Die EU-Kommission will, dass Produkte, die als umweltfreundlich beworben werden, auch tatsächlich umweltfreundlich sind. Dafür sollen Angaben etwa zur Klimafreundlichkeit oder Nachhaltigkeit von Waren, unabhängig geprüft und wissenschaftlich unter Mitarbeit der Unternehmen belegt werden. Der Vorschlag soll das erste und das zweite Paket zur Kreislaufwirtschaft ergänzen, die im März und November 2022 angenommen wurden. Es berichten SZ (Josef Kelnberger), spiegel.de und LTO.
Recht auf Reparatur: Die EU-Kommission hat angekündigt, Verbraucher:innen ein "Recht auf Reparatur" für technische Geräte geben zu wollen. Ziel ist es, dass mehr Produkte innerhalb der gesetzlichen Garantiezeit repariert werden und dass es auch nach Ablauf der Garantie günstige und einfache Reparaturmöglichkeiten gibt. Dabei geht es zunächst um Geräte wie Spül- und Waschmaschinen. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen aber auch Geräte wie Tablets und Smartphones hinzukommen. Darüber hinaus sollen Hersteller:innen verpflichtet werden, über ihre Reparaturpflichten zu informieren und es sollen nationale Online-Vermittlungsplattformen angelegt werden, auf denen Bürger:innen einen Überblick über Reparaturdienste erhalten. Es berichten FAZ (Hendrik Kafsack), netzpolitik.org (Franziska Rau) und LTO.
Medien/EMFA/DSA: Die FAZ (Michael Hanfeld) berichtet im Feuilleton über ein Symposium der deutschen Landesmedienanstalten, bei dem diese eine Aushöhlung der staatsfernen Medienaufsicht durch EU-Projekte befürchteten. Sowohl im geplanten European Media Freedom Act (EMFA) wie auch im bereits beschlossenen Digital Services Act (DSA) habe die quasi-staatliche EU-Kommission eine zu starke Rolle. Die Bundesregierung wird verdächtigt, nicht an der Seite der für Medienpolitik zuständigen Länder zu stehen, weil die Bundesregierung als Digitalkoordinator für die nationale DSA-Umsetzung den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (Grüne), vorsehe.
Bundestags-Wahlrecht: Ex-Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof kritisiert in der FAZ das neue Bundestags-Wahlrecht. Es entferne die Persönlichkeitswahl aus dem Wahlsystem und organisiere eine reine Parteienwahl, obwohl das Grundgesetz fordere, dass "die Abgeordneten" gewählt werden. Zudem stehe eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl in Frage, wenn Wähler:innen mit ihren Stimmen in einem Wahlkreis gegenüber anderen Wähler:innen den größten Wahlerfolg erzielen, aber das Wahlergebnis vom Wahlrecht auf "null gestellt" wird. Die Nichtberücksichtigung von Parteien, die unterhalb der Fünfprozenthürde liegen, aber einige Direktmandate erzielen, widerspreche der Gründungsfreiheit der Parteien, der Chancengleichheit im Rahmen des regionalisierten Wahlrechts und dem politischen Gewicht der Partei, das sich von den Wähler:innen ableite und nicht von der gesetzlichen Wahlorganisation.
Strafmündigkeit: In einem Streitgespräch in der Zeit (Jochen Bittner und Martin Machowecz) diskutieren Rechtsprofessorin Elisa Hoven und MdB Renate Künast (Grüne) über die Angemessenheit der Straffreiheit für unter 14-Jährige. Hoven hält es bei schweren Straftaten mit Blick auf die Funktionen der Strafe für gut vertretbar, die Strafmündigkeitsgrenze auf 12 Jahre herabzusetzen und eine mildere Strafe auszusprechen. Künast hält dem entgegen, dass Jugendliche unter 14 Jahren noch in der vollen Entwicklung stecken.
beck-community (Henning Müller) stellt eine kriminologische Statistik vor, wonach (vorsätzliche) Tötungsdelikte von Kindern nach wie vor sehr selten sind.
Digitales Gesetzblatt: Rechtsprofessor Markus Ogorek weist auf LTO auf die Risiken der digitalen Verkündung von Gesetzen hin. Es müsse sichergestellt werden, dass keine gefälschten Gesetze in Umlauf kommen. Zum Beispiel sollen nur staatliche Zertifizierungsstellen Zertifikate für Personen ausstellen, die Gesetze ausfertigen.
Versammlungsgesetz Hessen: Der hessische Landtag hat mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und Grünen trotz heftiger Kritik der Opposition von SPD, FDP, Linken und AfD ein eigenes Landes-Versammlungsgesetz beschlossen. So kann eine Versammlung beschränkt werden, wenn eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt. Zudem darf die Polizei bei Demonstrationen jetzt Bilder zur Übersicht anfertigen, wenn es für den Einsatz erforderlich ist. Außerdem werden paramilitärische Veranstaltungen verboten und solche, die den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermitteln. Auch Uniformen, die eine einschüchternde Wirkung haben, sind untersagt. Es berichten FAZ-Rhein-Main (Ewald Hetrodt), netzpolitik.org (Markus Reuter) und LTO.
Justiz
BGH-Revisionen im Strafrecht: Rechtsanwalt Martin Stucke kritisiert in der FAZ den Bundesgerichtshof, der die Überprüfung von Strafurteilen der Landgerichte in Revisionsverfahren "im Wesentlichen aufgegeben" habe. Von insgesamt nur drei Prozent erfolgreichen Revisionen seien lediglich ein Prozent erfolgreiche Verfahrensrügen. Bei den materiellrechtlichen Rügen sehe es kaum anders aus, da hierzu auch alle (Teil-)Aufhebungen wegen Einziehungen oder anderen Nebenfolgen des Urteiles zählen. Stucke führt für seine Kritik mehrere konkrete Revisionsurteile an.
BVerfG – Wiederaufnahme: Das Bundesverfassungsgericht wird am 24. Mai über die umstrittene Wiederaufnahme von Strafverfahren zuungunsten des Freigesprochenen im Mordfall Frederike von Möhlmann verhandeln. Dabei geht es um den im Dezember 2021 in Kraft getretenen § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung zur Wiederaufnahme bestimmter Verfahren bei einer nachträglichen Veränderung der Tatsachen- oder Beweismittellage. Die Verfassungsbeschwerde wurde von Ismet H. erhoben, der 1983 vom Vorwurf des Mordes an der 17-jährigen Frederike von Möhlmann freigesprochen wurde und der in der 2021 erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens einen Verstoß gegen das Rückwirkungsgebot aus Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz sieht. 2012 wurden im Slip der Getöteten Spermaspuren von ihm gefunden. LTO berichtet.
OVG NRW zu NetzDG-Gegenvorstellung: Nun berichtet auch netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, wonach die darin vorgesehene Pflicht zur Vorhaltung eines sogenannten Gegenvorstellungsverfahrens nicht für Anbieter mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat gilt.
LG Berlin – Hassrede/DUH: Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, verklagt den Facebook-Mutterkonzern Meta vor dem Landgericht Berlin wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Er möchte eine Löschung der Facebook-Gruppe "Stoppt die Deutsche Umwelthilfe (DUH)!" erreichen, die 50.000 Mitglieder zählt und in der er häufig beleidigt worden sei und auch Morddrohungen erhalten habe. Eine pauschale Löschung einer Gruppe sieht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) eigentlich nicht vor, aber Resch argumentiert mit den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts, dass es für ihn praktisch unzumutbar sei, alle Aussagen zu kontrollieren und zu melden. Es berichten SZ (Ronen Steinke), taz (Dariusch Rimkus) und spiegel.de.
LG Dresden – Einbruch ins Grüne Gewölbe: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet über einen weiteren Prozesstag am Landgericht Dresden zum Einbruch ins Grüne Gewölbe. Ein Mithäftling von Abdul Majed Remmo hat ausgesagt, dass Remmo ihm gegenüber gestanden habe, am Juwelendiebstahl beteiligt gewesen zu sein. Zudem soll er von einer Tat in Berlin erzählt haben, bei der ein Mann mit einer Schutzweste angeschossen wurde, was zum Tathergang eines Banküberfalls am 4. August 2020 passt, wegen dem die StA bereits Anklage gegen Remmo am LG Berlin erhoben hat. Das Gericht hat angedeutet, die Beweisaufnahme trotz weiterer Anträge zu beenden.
LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: Wie Welt (Steffen Fründt) und LTO berichten, hat der Anwalt des früheren Wirecard-Chefs Markus Braun vor dem Landgericht München I beantragt, einen Staatsanwalt als Zeugen zu vernehmen. Ziel sei es, zu belegen, dass die Staatsanwaltschaft einseitig ermittelt habe, indem sie dem mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus zu Beginn des Ermittlungsverfahrens im Juli 2020 Vorteile in Aussicht gestellt habe, wenn er gegen Braun und zwei andere Wirecard-Manager aussagt. Zudem sagte die ehemalige Compliance-Leiterin von Wirecard aus, die 2017 in das Unternehmen kam und alleine für die Compliance zuständig war.
GBA – Umsturzpläne/Reuß: Bei bundesweiten Durchsuchungen im Reichsbürger-Milieu ist in Reutlingen ein Beamter eines Spezialeinsatzkommandos durch einen Schuss leicht am Arm verletzt worden. Der Täter wurde festgenommen und die Bundesanwaltschaft hat unter anderem wegen mehrfachen versuchten Mordes Ermittlungen eingeleitet. Weitere Festnahmen gab es nicht. Anlass war unter anderem der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bei fünf Personen, wobei es um die Gruppe um den Prinzen Reuß geht, die im vergangenen Dezember wegen ihrer Umsturzpläne verhaftet worden war. 14 weitere Zielpersonen des Zugriffs sind nur in Chats aufgetaucht und gelten bislang nicht als Beschuldigte. Es berichten SZ (Florian Flade/Christoph Koopmann u.a.), FAZ (Helene Bubrowski/Rüdiger Soldt), taz (Konrad Litschko), Welt, spiegel.de und LTO.
StA Siegen – Mord an Luise: Bei den Ermittlungen zur Ermordung der 12-Jährigen Luise durch zwei etwa gleichaltrige Mädchen in Freudenberg moniert Martin W. Huff (LTO) eine Verletzung der Auskunftspflicht der Staatsanwaltschaft. Die zunächst zuständige StA Koblenz hatte nach der Tat Informationen zurückgehalten, um die Persönlichkeitsrechte zu schützen, was die nun ermittelnde StA Siegen so fortführe. Die StA dürfe zwar keine Namen und Wohnorte mitteilen, aber müsse gem. § 4 Abs. 1 des Pressegesetz NRW auf Anfrage Informationen zum Tathergang und zur Motivation preisgeben.
Recht in der Welt
Uganda – Todesstrafe für Homosexualität: In Uganda hat das Parlament eines der weltweit schärfsten Gesetze gegen Homosexuelle und Angehörige anderer sexueller Minderheiten beschlossen. Für "schwere Homosexualität" sieht das Gesetz sogar die Todesstrafe vor. Als schwere Homosexualität gilt u.a. der Geschlechtsverkehr mit Kindern. Für andere Delikte drohen Strafen bis zu lebenslanger Haft. Das Gesetz muss von Präsident Yoweri Museveni noch unterzeichnet werden, bei dem unter anderem Amnesty International noch Einfluss zu nehmen versucht. Es berichten FAZ (Claudia Bröll), SZ und Welt.
USA – Donald Trump/Stormy Daniels: Die SZ (Peter Burghardt) und spiegel.de (Marc Pitzke) bringen Portraits von Alvin Bragg, Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, der den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in Kürze wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels anklagen will. Bragg ist in der Bronx aufgewachsen und gibt an, bis zu seinem Harvard-Studium schon sechsmal mit Schusswaffen bedroht worden zu sein. Vor seinem jetzigen Posten, um den er sich mit finanzieller Unterstützung der Aktivistengruppe Color of Change bewarb, war er zwei Jahrzehnte als Staatsanwalt und Strafverteidiger tätig.
IStGH – Wladimir Putin: Wolfgang Bauer (Zeit) kritisiert, dass der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Wladimir Putin ein "gewaltiger Fehler" sei. Dieser Schritt sei Teil einer erweiterten Kriegsführung und trage dazu bei, dass sich die Welt in zwei Blöcke polarisiere.
Sonstiges
Handy-Blitzer: Auf dem JuWiss-Blog analysiert Rechtsreferendar Tjorben Studt die Rechtmäßigkeit des Handy-Blitzers, der mit der Erkennungssoftware MonoCam arbeitet und zu dem das AG Trier vor Kurzem eine Entscheidung getroffen hat. Im Ergebnis sei der Gesetzgeber gefordert, eine geeignete Ermächtigungsgrundlage zu schaffen.
Das Letzte zum Schluss
Viel Aufwand für Pfannkuchen: Im US-Bundesstaat Virginia sind zwei Strafgefangene mithilfe einer Zahnbürste aus einem weniger gesicherten Gebäudeteil des Gefängnisses ausgebrochen. Sie haben mit ihr in der Zelle ein Loch in die Wand gemeißelt und sind draußen noch über eine Mauer geklettert. Zur Belohnung gingen sie dann in einem örtlichen Lokal Pfannkuchen essen, wo sie von Zeugen entdeckt wurden. spiegel.de berichtet.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/tr/chr
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Die juristische Presseschau vom 23. März 2023: . In: Legal Tribune Online, 23.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51381 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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