Die juristische Presseschau vom 18. bis 20. März 2023: Haft­be­fehl gegen Putin / Neues Wahl­recht ver­ab­schiedet / Absen­kung der Straf­mün­dig­keit?

20.03.2023

Was folgt aus dem IStGH-Haftbefehl gegen Wladimir Putin? Der Streit um das Wahlrecht geht weiter – auch nach Karlsruhe. Sollte das Strafmündigkeitsalter nach der Tat von Freudenberg abgesenkt werden?

Thema des Tages

IStGH – Wladimir Putin: Eine Vorprüfungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat am Freitag Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Begründet wurde er mit der rechtswidrigen Verschleppung ukrainischer Kinder aus Kinderheimen der besetzten Gebiete nach Russland, was nach dem Römischen Statut als Kriegsverbrechen gilt. Die 123 Unterzeichnerstaaten des IStGH-Statuts, inklusive aller EU-Staaten, sind nun verpflichtet, Putin festzunehmen, wenn er ihr Gebiet betritt. Solange sich Putin allerdings in Russland oder einem Staat, der das Statut nicht unterzeichnet hat, aufhält, droht ihm keine Verhaftung. Es berichten Sa-SZ (Florian Hassel/Ronen Steinke), Mo-taz (Christian Rath/Dominic Johnson), tagesschau.de (Frank Bräutigam/Kolja Schwartz)bild.de (Elias Sedlmayr und Burkhard Uhlenbroich) und LTO (Franziska Krings/Markus Sehl). Ein zweiter Haftgefehl erging gegen die russische "Kommissarin für Kinderrechte" Marija Lwowa-Belowa, die spiegel.de (Ann-Dorit Boy) näher vorstellt. Sie hatte im Auftrag des russischen Präsidenten unter anderem die patriotische Umerziehung und Adoption ukrainischer Kinder organisiert.

Es sei zu erwarten gewesen, dass der Chefankläger des IStGH versuchen würde, über die Befehlskette an die Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen heranzukommen, analysiert spiegel.de (Dietmar Hipp). Offenbar sei es nun aber wesentlich leichter gewesen, diese Befehlskette im Fall der deportierten Kinder nachzuweisen als bezüglich der Massaker in Butscha oder anderer Kriegsverbrechen.

Stefan Klenner (Sa-FAZ) erinnert in einem Kommentar daran, dass auch westliche Staaten die Verantwortung dafür trügen, dass der IStGH nicht wegen aller Delikte seines Statuts gegen Putin vorgehen könne, für eine Anklage wegen Aggression sei letztlich ein Einverständnis Russlands erforderlich. Auch Ralf Neukirch (Spiegel) bedauert in seinem Leitartikel den eingeschränkten Handlungsspielraum des IStGH. Allein die symbolische Wirkung eines Haftbefehls wegen des Verbrechens der Aggression wäre enorm gewesen und das stärkste Signal für die Zukunft des völkerrechtlichen Gewaltverbots. Ronen Steinke (Mo-SZ) begrüßt in seinem Kommentar den Haftbefehl und widerspricht dabei diplomatischen Bedenken, dass es sich um eine bloße symbolische Geste handele, die möglicherweise sogar den Krieg noch in die Länge ziehen könnte. Dominic Johnson (Mo-taz) warnt, dass es fatal für den IStGH wäre, wenn Putin weltweit ausreichend Sympathie findet, um Den Haag zu ignorieren.

Rechtspolitik

Bundestags-Wahlrecht: Am Freitag hat der Bundestag ein neues Wahlrecht beschlossen. tagesschau.de (Claudia Kornmeier) und spiegel.de geben einen Überblick über die neuen Regelungen und die Auswirkungen auf die einzelnen Parteien. Über die hitzige Bundestagssitzung berichten Sa-FAZ (Helene Bubrowski), Sa-SZ (Robert Roßmann) und Sa-taz (Sabine am Orde).

Bei dem von der Union bereits angekündigten Normenkontrollverfahren werde es im Wesentlichen um die Streichung der so genannten Grundmandatsklausel gehen, prophezeit die Sa-SZ (Wolfgang Janisch). Gerade im Wahlrecht sei "das Gericht ein besonders aufmerksamer Wächter, einfach deshalb, weil hier Abgeordnete in eigener Sache entscheiden". Der Versuch, Parteien aus dem Spiel hinauszudrängen, könnte im Zweiten Senat  des BVerfG Alarm auslösen. Rechtsprofessor Christoph Möllers, der die Ampelkoalition bei der Reform beraten und sich in der Anhörung noch für eine Beibehaltung der Grundmandatsklausel ausgesprochen hatte, verteidigt im Interview mit spiegel.de (Timo Lehmann) die Neuregelung. Die Grundmandatsklausel sei eine politische Option zur Belohnung einer starken regionalen politischen Repräsentanz, aber nicht verfassungsrechtlich geboten, sagt Möllers.

Im FAZ-Einspruch sieht es Sarah Schmid-Nürnberg (Hanns-Seidel-Stiftung) als problematisch an, dass durch die Begrenzung der Direktmandate auf das Zweitstimmenergebnis verwaiste Wahlkreise in Kauf genommen werden. Durch den Wegfall der Grundmandateklausel werde das noch verschärft. Rechtsprofessor Christoph Schönberger nimmt im Verfassungsblog von der Grundmandatsklausel "ohne Tränen" Abschied. Gemessen an der vom Grundgesetz verbürgten Wahlrechtsgleichheit sei diese Vorschrift von Anfang an kaum zu rechtfertigen gewesen, denn offenkundig liege hier eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Parteien vor, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erzielten und deshalb nicht im Bundestag vertreten seien. Anders sieht es der wissenschaftliche Mitarbeiter Dominik Rennert im Verfassungsblog: Ohne einen Mechanismus, der als notwendiges Bindeglied zwischen regional sensibler Verhältniswahl und Sperrklausel vermittele, bleibe die Reform in ihrer derzeitigen Gestalt verfassungsrechtlich deutlich angreifbarer als zuvor. Felix W. Zimmermann (LTO) kritisiert auch das gesetzgeberische Verfahren: Die Hau-Ruck-Aktion mit der Grundmandatsklausel sei nach all den Jahren der Diskussion ein unwürdiger Gesetzgebungsakt, der vom Bundesverfassungsgericht möglicherweise wieder gekippt werde. Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog) bezeichnet die Wahlrechtsreform als "Akt der politischen Gewalt". Autoritäre Machtübernahmen  von rechts begännen oft damit, dass die Linke es der Rechten ermögliche, sich als Opfer darzustellen. Er überlegt, ob es im Grundgesetz Mechanismen zum Schutz des Wahlrechts vor parteipolitisch motivierter Veränderung geben sollte, wie etwa eine Supermajorität und/oder ein obligatorisches Normenkontrollverfahren in Karlsruhe. 

Parität im Wahlrecht: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat laut spiegel.de (Milena Hassenkamp) den Vorstoß für eine weitere Reform des Wahlrechts angekündigt. Ihr persönlicher Wunsch sei es, dass in dieser Wahlperiode noch ein Paket zum Wahlrecht geschnürt werde, in dem neben der Geschlechter-Parität im Bundestag das Wahlrecht ab 16 und eine Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre enthalten sein könnte. Die CDU/CSU lehnt laut Mo-SZ (Robert Roßmann) auch diesen Vorstoß ab. Es zeuge nicht von Respekt für die Verfassung, dass Bas "nicht einmal 24 Stunden nach Verabschiedung des Wahlgesetzes auch noch Vorschläge für eine weitere Reform auf den Tisch (lege), die bereits zwei Mal von Landesverfassungsgerichten wieder einkassiert wurden". 

Reinhard Müller (Mo-FAZ) kritisiert den Vorstoß im Hinblick auf die angestrebte Parität. Jeder Partei sei es unbenommen, ihren Frauenanteil auf allen Positionen zu erhöhen – und genau damit zu werben, meint Müller. Doch müsse das Parlament den freien Wählerwillen abbilden – und sonst nichts. Quoten im Parlament wären eine Rückkehr zum Ständestaat und eine Abkehr von Freiheit und Demokratie.

Strafmündigkeit: Der Fall "Luise" hat die Diskussion um das Strafmündigkeitsalter wieder aufleben lassen. Bundesjustizminister Marco Buschmann hat sich laut bild.de (Laura Krimmer/Burkhard Uhlenbroich) zurückhaltend zu einer Herabsetzung geäußert: "Jede Debatte über Anpassungen im Strafrecht sollte man mit kühlem Kopf führen, unsere Rechtsordnung hält bereits Mittel bereit, um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren." Der Bundestagsabgeordnete Günter Krings (CDU) wünscht sich laut Sa-SZ (Constanze von Bullion) eine Studie des Justizministers, um zu belastbaren Daten zu kommen. Er könne sich vorstellen "im Fall einer Reform je nach Schwere der Straftat zu differenzieren, Kinder unter 14 Jahren also etwa nur bei Tötungsdelikten strafrechtlich zu verfolgen". Von den Grünen und aus der FDP kommt dagegen Widerspruch.

Im Interview mit der FAS (Eva Schläfer) kann die Rechtsprofessorin Theresia Höynck in der Tat von Freudenberg keine neue Argumente für eine Änderung der Altersgrenze erkennen. Auch wenn Kinder und Jugendliche in ihrem Aussehen und Auftreten jungen Erwachsenen nacheiferten, seien sie genauso unsicher, emotional, verletzlich und manipulierbar wie vor 50 Jahren, so die Rechtswissenschaftlerin.

Ex-Bundesrichter Thomas Fischer erinnert auf LTO daran, dass der Strafgedanke der "Vergeltung" gegenüber Kindern unangemessen und verboten ist. Auch er weist darauf hin, dass Strafschärfungsverlangen aus Anlass konkreter Taten regelmäßig unklug und undurchdacht seien und weniger dem Recht als der Regulierung des Empörungsbedürfnisses dienten. Im Übrigen hätten Freiheitsstrafen für Kinder eine Vielzahl schädlicher Folgen, die durch positive Effekte nicht aufgewogen würden.

Namensrecht: Die Sa-SZ (Ronen Steinke) erklärt das derzeitige Namensrecht und möglich Änderungen. Eine Kommission von Experten hatte vor kurzem "Eckpunkte" für eine Reform an die Bundesregierung übergeben. Danach sollen die Möglichkeiten, einen echten Doppelnamen zu wählen, der auch an die Kinder weitergegeben wird, künftig ausgeweitet werden. Außerdem wird vorgeschlagen, dass der Wunsch den eigenen Namen zu ändern, auch ohne bestimmten Grund respektiert werden soll. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigt bereits seit längerem eine Liberalisierung des Namensrechts an, er will in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Auch zeit.de und spiegel.de widmen sich der Thematik.

Vorratsdatenspeicherung/Quick Freeze: Die Unionsfraktion hat in der der vergangenen Woche im Bundestag von der Bundesregierung einen baldigen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung gefordert, berichtet die Sa-FAZ (Helene Bubrowski). Die Union hatte im vergangenen Herbst – nach der Entscheidung des EuGH – einen Antrag zur Speicherung von IP-Adressen eingebracht, der seitdem im Rechtsausschuss liegt. Zwar gibt es bereits einen Vorschlag aus dem Justizministerium zum so genannten Quick-Freeze-Verfahren, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) besteht jedoch auf einer anlasslosen Speicherung der IP-Adressen.

Mieterschutz: Im politischen Berlin "rumore" es seit geraumer Zeit, dass Justizminister Marco Buschmann (FDP) den Gesetzentwurf zu einer Mietrechtsnovelle "aktiv zurückhalte", um Druck für eine Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung zu machen. Vereinbart sei, dass der Gesetzentwurf eine Senkung der Kappungsgrenze, eine Verlängerung der Mietpreisbremse und eine Stärkung qualifizierter Mietspiegel vorsehen soll, es sei allerdings derzeit nicht klar, ob der Justizminister alle vereinbarten Vorhaben umsetzen wolle. Die beiden anderen Koalitionspartner wollen außerdem noch eine Regulierung von Indexmietverträgen, das Ministerium sieht hier aber keinen Handlungsbedarf. Die Mo-taz (Jasmin Kalarickal) berichtet.

Betriebsratsvergütung: In einem Gastbeitrag in der Sa-FAZ erläutern die Rechtsprofessoren Stefan Greiner und Ulrich Preis die Verwerfungen, die aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern folgten. Die Karlsruher Richter hatten hier Maßstäbe aufgestellt, bei deren Überschreitung eine Untreuestraftat im Raum steht. Der Gesetzgeber sollte jetzt klare Bandbreitenregelungen für eine modernisierte Betriebsratsvergütung schaffen, fordern die Autoren. Dabei gelte es, einerseits eine unverhältnismäßig überhöhte Vergütungspraxis auszuschließen, andererseits aber den hohen wirtschaftlichen Wert verantwortungsvoller und professioneller Mitbestimmung angemessen zu honorieren und Gerechtigkeitsproblemen wirksam entgegenzutreten.

Whistleblowing: In erster Beratung wurden am Freitag im Bundestag zwei Gesetzentwürfe zur Umsetzung der Hinweisgeberschutzrichtlinie debattiert. Mit der geplanten Neuregelung sollen Beschäftigte in Unternehmen und Behörden, die Straftaten und ähnliche Missstände melden, vor Entlassung oder anderen Nachteilen geschützt werden. Weil ein erstes Gesetz im Februar im Bundesrat gestoppt wurde, wurde das Vorhaben jetzt aufgeteilt – in einen nicht zustimmungsbedürftigen Teil und eine zustimmungspflichtige Ergänzung, die den Anwendungsbereich auf Landesbeamte erweitert. Mo-taz (Christian Rath) und netzpolitik.org (Tomas Rudl) informieren über den zweiten Anlauf.

Schwangerschaftsabbruch: Die aktuelle Debatte um mögliche Änderungen im Abtreibungsrecht beleuchtet jetzt auch zeit.de (Simon Kerbusk/Anna-Lena Scholz u.a.). Dabei wird auch ein Blick auf die Rezeption der Diskussion im Ausland geworfen.

Massenverfahren/Flugrechte: Der Deutsche Richterbund verlangt angesichts der nach der Coronaunterbrechung wieder steigenden Zahl von Klagen wegen Flugverspätungen bzw. -ausfällen und der damit verbundenen Belastung von Gerichten eine "Abhilfe von der Politik", so spiegel.de. Es seien flexiblere Vorschriften im Zivilprozessrecht nötig, betonte Hauptgeschäftsführer Sven Rebehn. Vorschläge der Richterschaft für sinnvolle Rechtsänderungen lägen seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch.

BVerfG-Richterwahl: Die Neue Richtervereinigung (NRV) warnt, dass bei der anstehenden Nachfolge von Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz die derzeit bestehende Geschlechterparität am Bundesverfassungsgericht enden könnte. Die SPD, die im Bundesrat das Vorschlagsrecht für diese Stelle hat, favorisiere Lars Brocker,  den Präsidenten des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts, der auch den Verfassungsgerichtshof des Landes führt. Die Sa-FR (Ursula Knapp) berichtet. 

Justiz

EuGH – Thermofenster/Schadensersatz: Am Dienstag könnte der Europäische Gerichtshof ein Urteil fällen, das die bisherige restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Schadensersatz für Thermofenster bei der Abgasreinigung von Diesel-PKW auf ein "sehr viel käuferfreundlicheres Gleis hebt". Generalanwalt Rantos war in seinen Schlussanträgen der Auffassung gewesen, dass die Regeln zur Typengenehmigung nicht nur allgemein der Ordnung im Zulassungswesen dienten, sondern auch dem Schutz der Käufer. Sollte der EuGH den Anträgen folgen, würde das heißen, dass die bisher auf § 826 BGB basierenden Klageansprüche zu § 823 II BGB wanderten, der Schadenersatz für die Verletzung solcher "Schutzgesetze" gewährt. Die Klagehürden würden damit erheblich gesenkt, erläutert die Mo-SZ (Wolfgang Janisch) in einem Vorabbericht.

BVerfG – anstehende Entscheidungen: zdf.de (Jan Henrich) gibt einen Überblick über anstehende Verfahren beim Bundesverfassungsgericht. Unter anderem wird es um den strafrechtlichen Umgang mit Canabis, die Berlin-Wahl und das Bundestagswahlrecht gehen. Außerdem wird sich Karlsruhe mit der Frage befassen, wer die Kosten für Polizeieinsätze bei Risiko-Fußballspielen zu tragen hat.

BVerfG – Klimaschutz: Im Verfassungsblog erinnert Rechtsprofessor Thomas Groß an den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. März 2021. Er zieht eine nüchterne Bilanz: Die unmittelbare Wirkung des Beschlusses sei denkbar gering gewesen, vor allem werde er aber von der Politik, von den Verwaltungsgerichten und sogar vom Bundesverfassungsgericht selbst nicht umgesetzt. Das Problem, wie effektiver Klimaschutz durchgesetzt werden könne, sei nach wie vor nicht gelöst.

BGH zu WEG/Swimming Pool: Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum müssen mit den anderen Eigentümern abgesprochen werden, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Das Sondernutzungsrecht für den Gartenanteil berechtige gerade nicht zu einer "grundlegenden Umgestaltung", so das Gericht. Der Bau eines Swimmingpools gehe deutlich über die übliche Nutzung hinaus. Sa-FAZ (Marcus Jung), zdf.de (Gianna Pagliaro/Christoph Schneider) und LTO berichten.

BayObLG - Wirecard/KapMuG: Die FAS (Bettina Weiguny) beschreibt, wie das Bayerische Oberste Landesgericht den Kapitalmarktexperten Kurt Ebert als Musterkläger für seinen Kapitalanleger-Musterprozess gegen u.a. die Wirecard-Wirtschaftsprüfer von EY auswählte. Ebert werde nicht von einer der üblichen Anlegerkanzleien vertreten, sondern von der Kanzlei Mattil und dem "schillernden" Anwalt Elmar Vitt. 

OVG NRW zu Corona-Hilfen: Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat die Rückforderungen von Corona-Soforthilfen für Soloselbstständige durch das Land Nordrhein-Westfalen für rechtswidrig erklärt. Zur Begründung hieß es, wie tagesschau.de (Phillip Raillon) schreibt: Das Land habe schon bei der Auszahlung bestimmte Bedingungen festgesetzt und "an diese Vorgaben musste das Land sich dann auch halten, als es später abgerechnet und zurückgefordert hat".

LG München I zu WEG/Grillen: Vor dem Landgericht München I hat ein Kläger Recht bekommen, der sich gegen das häufige Grillen seines Nachbarn und die damit verbundene Geruchsbelästigung zur Wehr setzte. Das Gericht sah einen Verstoß gegen das Wohnungseigentumsgesetz als gegeben an. Der Nachbar darf nun nur noch vier Mal pro Monat grillen, bei Verstoß droht ihm ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. spiegel.de berichtet.

LG Schwerin – Kindesmissbrauch/verlorene Beweismittel: Dem Landgericht Schwerin ist ein USB-Stick abhandengekommen, der unverschlüsselte Video-Aufnahmen von Kindesmissbrauch enthielt. Gespeichert sein sollen auf dem Speichermedium sowohl Filmaufnahmen des Kindesmissbrauchs als auch die Vernehmung des Opfers. Die Daten sollten per Post an einen Gutachter in Berlin geschickt werden, seien dort aber nicht angekommen. Laut LTO hat der Landesdatenschutzbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern Ermittlungen aufgenommen.

VG Köln – Facebook-Fanseite der Bundesregierung: Das Bundespresseamt hat vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen den Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber erhoben. Dieser hatte das Amt vor einem Monat angewiesen, den Betrieb der Facebook-Fanpage der Bundesregierung einzustellen, weil er die Auffassung vertritt, dass der Betrieb einer solchen Seite für eine Behörde datenschutzkonform nicht möglich sei. Das Bundespresseamt meint dagegen, dass für die von dem Beauftragten angesprochenen Datenschutzfragen allein Facebook als Plattform zuständig sei – und nicht die Regierung als Inhaberin der Seite. Es berichten Sa-SZ und spiegel.de.

Stealthing-Rechtsprechung: Den bisherigen Umgang der Gerichte mit dem so genannten Stealthing, bei dem ohne Kenntnis der Sexualpartner:in ein Kondom entfernt wird, beschreibt spiegel.de (Henrik Bahlmann). Wiederholt habe es in den vergangenen Jahren Urteile gegeben. Zuletzt habe der BGH klargestellt, dass dabei sogar eine Verurteilung wegen Vergewaltigung in Betracht komme.

Klimaklagen: Wolfgang Janisch (Mo-SZ) stellt das neue Buch der Rechtsanwältin Roda Verheyen vor, die 2021 den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erwirkte. "Wir haben alle ein Recht auf Zukunft – Eine Ermutigung", heißt das Buch, in dem Verheyen gemeinsam mit der Journalistin Alexandra Endres über dieses und andere Verfahren berichtet, mit denen mehr Klimaschutz vor Gericht durchgesetzt werden soll. Ein Fazit lasse sich aus ihrem, im optimistischen Tonfall gehaltenen Buch ziehen, resümiert Janisch: Der Klimaschutz werde aus den Gerichtssälen nicht verschwinden, ganz im Gegenteil.

Jurist:innen vor Gericht: Mit Richtern, Anwälten und Staatsanwält:innen , die sich selbst vor Gericht verantworten mussten, befasst sich Verena Mayer (Sa-SZ) in ihrer Kolumne "Vor Gericht". Sie berichtet u.a. von einem Richter, der wegen Zuhälterei angeklagt war, weil er nicht nur regelmäßig Sexparties veranstaltet hatte, sondern dabei auch mehrere Frauen, die mit seinen Besuchern Sex haben sollten, beschäftigte. Der Fall sei auch deshalb außergewöhnlich gewesen, weil der Richter im Prozess fast exhibitionistisch aus seinem Leben erzählt habe.

Recht in der Welt

Großbritannien – Heiratsverbot für Mörder: Nachdem ein Mehrfachmörder in Großbritannien staatliche Rechtshilfe beantragt hatte, um zu heiraten, will Justizminister Dominic Raab das Gesetz jetzt ändern, um die Hochzeit zu verhindern. Dass Verbrecher heiraten, die wegen Kapitalverbrechen eine lebenslange Haft verbüßen, sei falsch, wird der Tory-Politiker auf spiegel.de zitiert. Ein Gesetz wie das jetzt geplante könnte allerdings der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen.

Juristische Ausbildung

Klimarecht: Die Jurastudentinnen Paula Schindler und Martje Köppen stellen auf LTO-Karriere Initiativen vor, durch die mehr Lehrangebote zum Klimarecht an die Universitäten gebracht werden soll. Klimarechtsinitiativen seien ein Sprachrohr für Studierende, um konstruktiv den Wunsch nach Lehrangeboten zu äußern und dadurch eine neue Form des Klimaengagements entstehen zu lassen.

Im Interview mit LTO-Karriere (Katharina Uharek) beschreiben mehrere Student:innen und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen die Climate Clinic, eine bundesweite studentische Rechtsberatung für Klimarecht.

Sonstiges

Unterlassen und Strafrecht: In seiner Kolumne auf spiegel.de erläutert Ex-Bundesrichter Thomas Fischer, wann ein Nichtstun strafrechtlich relevant werden kann und wie hier ein Versuch rechtlich einzuordnen ist.

ChatGPT und Arbeitsrecht: Im Expertenforum Arbeitsrecht geben die Rechtsanwältinnen Patricia Jares und Inka Knappertsbusch einen Überblick über die arbeitsrechtlichen Aspekte, die beachtet werden sollten, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer ChatGPT in Zukunft gewinnbringend und rechtssicher nutzen können. Aktuell allerdings eigne sich ChatGPT aus Arbeitgebersicht (noch) nicht, um es in größerem Maße in den Betriebsablauf zu integrieren. Auch vor dem Hintergrund, dass ChatGPT derzeit auf Daten aus dem Jahr 2021 beruhe, hielten sich die Einsatzmöglichkeiten noch in Grenzen, meinen die Autorinnen.

Optimismus und Recht: Martin Rath wirft auf LTO einen "Blick in die Rechtsprechung zum Optimismus". Er stellt u.a. fest, dass es dabei "in der Willkür der Gutachter und Richter" liege, "ob etwa Optimismus ein günstiger Aspekt im Charakterprofil öffentlicher Bediensteter ist oder dazu dient, das Urteil über die Psyche eines Angeklagten im Strafverfahren einzufärben".

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pf/chr

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. bis 20. März 2023: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51346 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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