Rechtskräftig freigesprochenen Mordangeklagten* droht künftig ein Wiederaufnahmeverfahren: Eine entsprechende Gesetzesänderung wollen SPD und CDU/CSU im März auf den Weg bringen. Das BMJV hatte eine solche Initiative abgelehnt.
Rechtskräftig freigesprochene Mordangeklagte* können sich künftig ihrer Freiheit nicht mehr sicher sein. Nach Informationen von LTO planen die Koalitionsfraktionen, bereits im März eine Gesetzesinitiative auf den parlamentarischen Weg zu bringen, wonach Mörder nach einem rechtskräftigen Freispruch unter bestimmten Voraussetzungen doch noch verurteilt werden können.
Umgesetzt werden soll das mit einer Reform in der Strafprozessordnung (StPO): Derzeit ist eine Wiederaufnahme zu Ungunsten eines rechtskräftig Freigesprochenen nach § 362 Strafprozessordnung (StPO) neben den in den Nummern 1 bis 3 geregelten Manipulations- und Amtspflichtverletzungen im Grunde nur dann zulässig, wenn der Freigesprochene nach § 362 Nr. 4 StPO vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubhaftes Geständnis ablegt.
In Bezug auf schwerste Straftaten, die wie Mord und Völkermord nicht verjähren, möchte die große Koalition das jetzt ändern. Bereits im Koalitionsvertrag hatte sie sich daher auf eine Ergänzung von § 362 StPO verständigt. Dort heißt es: "Wir erweitern die Wiederaufnahmemöglichkeiten zu Ungunsten der oder des freigesprochenen Angeklagten in Bezug auf die nicht verjährbaren Straftaten".
CDU: "Das BMJV ist dazu nicht bereit"
Ursprünglich war das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs beauftragt gewesen und prüfte seit 2019 eine Änderung. Doch nach Angaben des rechtspolitischen Sprechers der Unions-Bundestagsfraktion Jan-Marco Luczak lehnt das BMJV inzwischen eine Änderung der StPO ab. Deshalb, so Luczak gegenüber LTO, hätten sich nunmehr die GroKO-Fraktionen im Bundestag auf eine eigene Gesetzesinitiative verständigt. Damit stellt sich die SPD-Bundestagsfraktion gegen das SPD-geführte Justizministerium.
"Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion fühlen wir uns der materiellen Gerechtigkeit verpflichtet. Für uns ist es nicht hinnehmbar, wenn ein Mörder weiter frei herumlaufen kann, obwohl er aufgrund neuer Beweismittel sicher überführt werden könnte. Deswegen wollen wir für diese Fälle die Wiederaufnahme von Verfahren im Strafprozessrecht ermöglichen. Das SPD-Justizministerium ist dazu nicht bereit, deswegen bringen wir das als Fraktionsinitiative auf den Weg", so Luczak.
Der CDU-Rechtspolitiker kündigte für März die Einbringung eines Gesetzentwurfs an. Derzeit würden noch die verfassungsrechtlichen Details der Neuregelung "abgeklopft".
DAV: StPO-Änderung wäre Verfassungsbruch
Indes: Die Anwaltsverbände wird die Koalition offenbar genauso wenig wie das BMJV von ihrer Initiative überzeugen können. Stefan Conen, Mitglied des Strafrechtsausschusses im Deutschen Anwaltverein (DAV), sieht in dem Vorhaben einen klaren Verfassungsbruch:
"Ein derartiges Vorhaben verstößt gegen Art. 103 Abs. 3 GG, der nach allgemeiner Auffassung auch die Doppelverfolgung nach einem Freispruch verbietet", so der Strafverteidiger. Im Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit habe sich das GG "eindeutig für die Rechtskraft entschieden".
*Anmerkung d. Redaktion: Die Formulierung "Mörder" wurde durch "Mordangeklagte" ersetzt (korrigiert am 30.1.20, 8.00 Uhr)
Wiederaufnahme zu Ungunsten des Angeklagten: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44139 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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