Ein junger Mann flieht von Syrien über Ungarn nach Deutschland und stellt einen Asylantrag. Laut EU-Verordnung wäre Ungarn zuständig. Doch der Flüchtling klagt gegen seine Abschiebung - und bekommt Recht.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat entschieden, dass ein syrischer Asylantragsteller zur Durchführung eines Asylverfahrens nicht nach Ungarn überstellt werden darf (Urt. v. 05.07.2016, Az. A 11 S 974/16).
Der allein stehende Kläger, ein heute 28-jähriger Syrer, war im Jahre 2014 u.a. über Ungarn nach Deutschland eingereist und hatte hier einen Asylantrag gestellt. Auf ein entsprechendes Ersuchen der Bundesrepublik Deutschland hatte der an sich zuständige Mitgliedstaat Ungarn im Rahmen des Dublin-Mechanismus einer Überstellung des Mannes zur Durchführung des Asylverfahrens zugestimmt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge(BAMF) hatte daraufhin seinen Asylantrag als unzulässig abgelehnt und dessen Abschiebung nach Ungarn angeordnet. Das Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen hatte dem Flüchtling bereits Recht gegeben und den Bescheid aufgehoben.
Der VGH hat nun die Berufung des BAMF zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat darauf abgestellt, dass schon im Jahre 2014, als der Mann nach Ungarn eingereist war und sodann den Asylantrag in Deutschland gestellt hatte, das ungarische Abschiebungshaftsystem in rechtlicher wie auch tatsächlicher Hinsicht in erheblichem Maße mängelbehaftet gewesen sei. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, in Ungarn ein Asylverfahren durchzuführen. Dort wäre er ein beachtliches Risiko gelaufen, willkürlich inhaftiert zu werden, ohne sich hiergegen effektiv zur Wehr setzen zu können, teilte das Gericht am Montag mit. Hinzu sei gekommen, dass die Unterbringungsbedingungen in den Haftanstalten teilweise in baulicher wie hygienischer Hinsicht sehr schlecht gewesen seien.
Schließlich sei die Behandlung durch das Anstaltspersonal durch besondere Härte und Brutalität geprägt gewesen. Jedenfalls aus einer Gesamtschau aller Aspekte ergebe sich, dass der Syrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit habe rechnen müssen, im Falle der Stellung eines Asylantrags in Ungarn unmenschlich bzw. erniedrigend behandelt zu werden. Infolge dessen sei die BRD mit der Einreise und der Asylantragstellung zuständiger Mitgliedstaat geworden, nachdem es keinen weiteren nach dem Dublin-Mechanismus (vorrangig) zuständigen Mitgliedstaat mehr gegeben habe. Selbst wenn sich die Verhältnisse in Ungarn mittlerweile verbessert hätten, wäre dadurch die Zuständigkeit Deutschlands nicht entfallen, entschied der Senat.
acr/LTO-Redaktion
VGH BaWü zu Abschiebung in Mitgliedsstaat: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20037 (abgerufen am: 25.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag