Eine Aussegnungshalle mitten im Wohngebiet, brummende Rasenmäher und tobende Kinder neben der Trauerfeier – der Gerichtshof hat Zweifel, ob sich Wohnen und Totengedenken so dicht beieinander vereinbaren lassen. Das Interesse der Nachbarn überwiege, der Bau wurde mit dem am Dienstag bekanntgegebenen Eilbeschluss vorerst gestoppt.
Die einem privaten Bestattungsunternehmer erteilte Baugenehmigung zum Umbau einer Schreinerwerkstatt in eine Aussegnungshalle verletze möglicherweise die Rechte benachbarter Grundstücks- und Wohnungseigentümer. Der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) hat damit den Baustopp des Verwaltungsgerichts Stuttgart bestätigt (Beschl. v. 07.06.2011, Az. 8 S 507/11).
Es sei zwar offen, ob die Widersprüche der Nachbarn am Ende Erfolg hätten. Das sei aber auch nicht ausgeschlossen, weil ihre Rechte auf Rücksicht auf ihre angrenzende Wohnnutzung möglicherweise verletzt würden. Eine tatsächliche Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme könne aber nur im Einzelfall und in der Hauptsache unter Besichtigung der Örtlichkeiten festgestellt werden.
Für den Eilrechtsschutz genügt es, die Interessen der Beteiligten abzuwägen - der VGH entschied zum Vorteil der klagenden Nachbarn. Wie die Richter bereits feststellen konnten, stehen die Gebäude in dem Wohngebiet dicht an dicht. Wenn in dieser unmittelbaren Nachbarschaft Beerdigungen stattfänden, würde das Wohnen unzumutbar eingeschränkt.
Denn zum Schutz des Totengedenkens, der Würde der Toten und des Pietätsgefühls der Hinterbliebenen müsse auf Kinderspiel, Toben, Lachen, Rasen mähen und Feiern oder andere alltägliche Lebensäußerungen verzichtet werden. Daran änderten auch Auflagen nichts, die Trauerfeiern auf Werktage bis 17 Uhr beschränken.
Der Beschluss ist unanfechtbar, der Bestattungsunternehmer muss nun mindestens bis zum Abschluss des Hauptverfahrens den Bau stilllegen.
ssc/LTO-Redaktion
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VGH Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3457 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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