Auch wer aus einem Risikogebiet kommt, darf wieder Urlaub in Baden-Württemberg machen. Während der dortige VGH das Beherbergungsverbot vorläufig außer Vollzug setzte, hob Sachsen es gleich ganz auf.
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit Beschluss von Donnerstag einem Antrag gegen das baden-württembergische Beherbergungsverbot für Gäste aus sog. Risikogebieten stattgegeben. Das Verbot ist damit mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt (Beschl. v. 15.10.2020, Az. 1 S 3156/20). Nach Ansicht der Richter ist das Beherbergungsverbot nach summarischer Prüfung voraussichtlich verfassungswidrig, weil es in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingreife.
Hintergrund ist der Fall einer Familie aus Recklinghausen, die in den Herbstferien einen Urlaubsaufenthalt im Landkreis Ravensburg gebucht hatte. Am 10. Oktober 2020 wurde im Kreis Recklinghausen die sog. Sieben-Tage-Inzidenz von 50 neu gemeldeten Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner überschritten. Damit fiel die Familie unter das in Baden-Württemberg geltende Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikogebieten. Eine Ausnahme von diesem Verbot gilt nur, wenn die Gäste einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden ist.
Die Familie aus NRW hatte argumentiert, die Regelung mache einen Aufenthalt in der gebuchten Unterkunft unmöglich und diskriminiere Gäste aus Regionen mit schlechten Testkapazitäten und Familien. Es sei der Familie bei vorausgegangenen Tests nicht gelungen, ein Ergebnis in weniger als 72 Stunden zu erhalten.Zudem seien die Kosten für die Tests der Familie mit drei Kindern mit 774,55 Euro (154,91 Euro pro Test) erheblich.
Kein Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben
Die Richter haben dem Antrag der Familie stattgegeben. Die Landesregierung habe nicht dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe, dem mit so drastischen Maßnahmen begegnet werden müsste. Denn derzeit seien trotz steigender Fallzahlen in Deutschland keine Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben bekannt.
Die Landesregierung hatte argumentiert, dass Verbot sei verhältnismäßig und auf die guten Erfahrungen mit dem Beherbergungsverbot in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verwiesen.
Dies haben die Richter jedoch nicht als Argument gelten lassen. In Beherbergungsbetrieben treffe nicht zwangsläufig eine große Zahl fremder Menschen aufeinander, sondern Gäste, deren Kontaktdaten hinterlegt seien, übernachteten in ggf. überschaubarer Personenanzahl in abgeschlossenen Räumlichkeiten. Das Gericht sah keine Anahltspunkte für ein höheres Risiko als in den weiterhin geöffneten Gasstätten und Bars.
Auch sei es für Gäste nicht zumutbar, auf die Möglichkeit eines Corona-Tests verwiesen zu werden. Denn es sei derzeitig nicht hinreichend gewährleistet, dass man einen solchen kurzfristig erlangen könnte.
Sachsen hebt Beherbergungsverbot auf
Ebenfalls am Donnerstag wurde bekannt, dass das Bundesland Sachsen sein Beherbergungsverbot unabhängig von einer gerichtlichen Prüfung aufheben wird. Dieses gilt ab kommenden Samstag, 17. Oktober nicht mehr, wie das Sozialministerium des Landes auf Anfrage von LTO bestätigte.
"Gut, dass sich NRW auf diese unwirksame und unhaltbare Regelung gar nicht erst eingelassen hat", kommentierte FDP-Landeschef und Vize-Ministerpräsident in NRW, Joachim Stamp, via Twitter die aktuellen Entwicklungen.
vbr/LTO-Redaktion / der gesamte Artikel wurde am Tag der Veröffentlichung um 14:01 Uhr aktualisiert und überarbeitet (pl)
Beherbergungsverbot: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43115 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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