VG Köln zu Junge Alternative: Ver­fas­sungs­schutz darf AfD-Jugend als gesi­chert ext­re­mis­tisch ein­stufen

06.02.2024

Der AfD-Nachwuchs mache Stimmung gegen das Demokratieprinzip und verstoße gegen die Menschenwürde. Das VG Köln lehnte einen Eilantrag der Jungen Alternative ab. Mit Folgen für die Diskussion um ein Verbotsverfahren?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD) als gesichert extremistische Bestrebung einstufen und behandeln. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Köln am Montag und lehnte damit einen Antrag der AfD und der Jungen Alternative (JA) auf vorläufigen Rechtsschutz ab (Beschl. v. 05.02.2024 - 13 L 1124/23).

Bereits 2019 stufte das BfV die JA als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus ein. Eine dagegen gerichtete Klage der AfD und JA wies das VG Köln ab. Nach vier Jahren Beobachtung der Organisation gab das BfV im April 2023 bekannt, die Junge Alternative als gesichert rechtsextremistisch einzustufen. Auch gegen diese Entscheidung klagten die AfD und die JA und stellten einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz.

In seinem Beschluss vom Montag bestätigte das VG Köln nun vorläufig die Einschätzung des Verfassungsschutzes und lehnte den Eilantrag der AfD und JA ab. Das Gericht erklärt in seiner Pressemitteilung: "In der Sache handelt es sich bei der JA um eine gesichert extremistische Bestrebung."

Völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff

Das Gericht begründet diese Einschätzung in einer 70 Seiten langen Entscheidung. Seit der Ablehnung der Klage gegen die Einstufung der JA als Verdachtsfall, hätten sich die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen zur Gewissheit verdichtet.

Grund dafür sei einerseits, dass die Junge Alternative einen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff vertrete. Eine zentrale politische Vorstellung der Jugendorganisation sei der Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand und der Ausschluss "ethnisch Fremder". Dieses Ziel verstoße gegen die Menschenwürde, so das Gericht. Art. 1 Grundgesetz (GG) umfasse die Gleichheit aller Menschen. Durch rassistisch motivierte Diskriminierung und die Behandlung von Personen als Menschen zweiter Klasse werde dieser Grundsatz beeinträchtigt.

VG: JA bezeichne Einwanderer allgemein als Schmarotzer

Zudem führe die Junge Alternative nach Einschätzung des Gerichtes eine "massiv" ausländer- und insbesondere islam- und muslimfeindliche Agitation. Die Organisation verdächtige Asylbewerber und Migranten pauschal und würdige sie herab. Konkret habe die Junge Alternative Einwanderer "allgemein als Schmarotzer und kriminell bezeichnet oder in anderer Weise verächtlich gemacht und dadurch in ihrer Menschenwürde missachtet", führt das VG in seiner Pressemitteilung aus.

Die JA mache außerdem Stimmung gegen das in der Verfassung verankerte Demokratieprinzip, insbesondere indem sie die Bundesrepublik Deutschland mit diktatorischen Systemen wie dem NS-Regime und der DDR gleichsetze.

Verbindungen zur Identitären Bewegung

Letztlich halte die JA Verbindungen zu Gruppierungen wie der Identitären Bewegung, die als verfassungsfeindlich eingestuft sind. Dies spreche ebenfalls für das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen in der Jugendorganisation.

Die Junge Alternative Brandenburg und Sachsen sind von ihren jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Die JA Nordrhein-Westfalen (NRW) wird vom dortigen Landesverfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet. 

Gegen den Beschluss können die AfD und die JA Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) einlegen. Über die Berufung gegen die abgewiesene Klage gegen die Einstufung als Verdachtsfall will das OVG NRW am 12. März mündlich verhandeln.

Folgen für mögliches Verbotsverfahren?

Die JA ist als Verein organisiert und könnte deshalb mit einem Vereinsverbot belegt werden. Allerdings ist juristisch umstritten, ob für das Verbot einer Parteijugendorganisation dann allein vereinsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, oder die hohen Voraussetzungen eines Parteiverbots. Zuständig wäre für ein Vereinsverbot das Bundesinnenministerium.

Die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich bislang zu einem Verbot der JA nicht geäußert. Am Dienstag sagte sie: "Die heutige Entscheidung benennt deutlich, dass wir es mit einer massiven Menschenverachtung, mit Rassismus, mit Hass gegen Muslime und mit Angriffen auf unsere Demokratie zu tun haben", sagte die Ministerin am Dienstag nach Angaben ihres Ministeriums. "Dagegen werden wir auch weiter mit den Mitteln des Rechtsstaats vorgehen", fügte sie hinzu.

Update: Die Junge Alternative hat am 07.02.2024 Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln beim nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt.

hes/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Köln zu Junge Alternative: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53811 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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