Im Streit mit dem Bundesverkehrsministerium konnten die Seenotretter des Vereins Mare Liberum erneut einen Erfolg für sich verbuchen: Das VG Hamburg gab ihrem Eilantrag gegen die Festsetzung zweier im Mittelmeer eingesetzter Schiffe statt.
Die Behörden dürfen zwei Schiffe der Flüchtlingshilfsorganisation Mare Liberum nicht länger festsetzen. Laut einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Hamburg vom Freitag sind die sogenannten Festhalteverfügungen rechtswidrig. Das Gericht gab damit einem Eilantrag des Berliner Vereins Mare Liberum, der die Menschenrechtslage für Migranten an der türkisch-griechischen Seegrenze beobachtet, statt und stellte die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Verfügungen wieder hier (Beschl. v. 02.10.2020, Az. 5 E 3819/29).
Damit unterliegt das Bundesversministerium (BMVI) im Streit mit den Seenotrettern zum zweiten Mal. Bereits 2019 wurde dem Schiff "Mare Liberum" die Weiterfahrt untersagt. Die Begründung damals lautete, dass dem Schiff das erforderliche Schiffsicherheitszeugnis fehle. Da es nicht zu Sport- und Freizeitzwecken eingesetzt werde, sei es weder als Sportboot noch als Kleinfahrzeug im Sinne des Schiffssicherheitsrechts privilegiert, so die Behörden im vergangenen Jahr. VG und Oberverwaltungsgericht entschieden damals aber, dass der Begriff Freizeitzweck vor allem in Abgrenzung zu beruflichen Zwecken verstanden werden müsse. Nach Auffassung der Gerichte sei daher davon auszugehen, dass die "Mare Liberum" zu Freizeitzwecken verwendet werde.
Verordnungsänderung verstößt gegen EU-Recht
Im September dieses Jahres untersagten die Behörden die Weiterfahrt der "Mare Liberum" sowie eines weiteren Schiffes, der "Sebastian K", erneut und ordneten die sofortige Vollziehung der Festhalteverfügungen an. Der Vorwurf lautete auch diesmal wieder, dass die Schiffsicherheitszeugnisse fehlten. Allerdings war die Rechtslage eine andere: Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hatte den Begriff des Sportbootes und Kleinfahrzeuges durch die Neunzehnte Schiffsicherheitsanpassungsverordnung im März 2020 nämlich zwischenzeitlich so gefasst, dass darunter nur noch Schiffe fallen, die zu Erholungs- und Sportzwecken genutzt werden.
Da sowohl die "Mare Liberum" als auch die "Sebastian K" aber zur Seenotrettung und nicht für Sport- und Erholungszwecke genutzt würden, brauchten die beiden Schiffe nach Auffassung des Ministeriums ein Sicherheitszeugnis. Der Verein warf Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor, mit der Änderung gezielt humanitäre Einsätze verhindern zu wollen. Aus dem Ministerium hieß es hingegen im August: "Der Rechtsänderung liegen ausschließlich schiffssicherheitsrechtliche Erwägungen zugrunde."
Doch auch dieses Mal seien die Festhalteverfügungen rechtswidrig, so das VG in einer Mitteilung am Freitag. Die in der Verordnung geänderte Begriffsbestimmung von Sportbooten und Kleinfahrzeugen bleibe unanwendbar, da sie gegen EU-Recht verstoße. Das BMVI habe die Änderungen nämlich nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - gemäß der Notifizierungsrichtlinie bei der Europäischen Kommission notifiziert, erklärte ein Gerichtssprecher. Nach der Richtlinie müssen die EU-Staaten die Kommission über jeden Entwurf einer technischen Vorschrift vor deren Erlass unterrichten. Dies sei nicht geschehen und "führe zur Unanwendbarkeit der geänderten Vorschriften", so das Gericht in einer Mitteilung.
Gegen die Entscheidung kann das BMVI Beschwerde bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erheben.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
VG Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42998 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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