Die AfD-Politiker Ulbrich und Maier wollten vor dem VG Dresden erreichen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz keine Informationen über sie speichern darf und ihre Namen aus den Verfassungsschutzberichten löschen muss - ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat am Mittwoch die Klagen von zwei AfD-Politikern gegen gegen das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) abgewiesen. Der ehemalige Richter und Bundestagsabgeordnete der AfD Jens Maier hatte die Unterlassung und den Widerruf von Aussagen in den Verfassungsschutzberichten für die Jahre 2020 und 2021 verlangt. Doch das Dresdner VG entschied am Mittwoch in beiden Fällen, dass der Verfassungsschutz rechtmäßig gehandelt habe (Urt. v. 22.05.2024, Az. 6 K 753/21 und 6 K 620/22).
Sachsens Verfassungsschutz hatte Maier bereits 2020 als rechtsextrem eingestuft. In der Folgezeit durfte Maier nach einem Urteil des Landgerichts (LG) Leipzig Ende 2022 nicht mehr als Richter in die sächsische Justiz zurückkehren. Denn für das Dienstgericht erschien er unter anderem wegen seiner "rassistischen und menschenverachtenden Aussagen" als für das Richteramt offensichtlich ungeeignet. Maier sei als Richter nicht mehr tragbar, heißt es in den Urteilsgründen. Es sei der Eindruck entstanden, Maier werde sein Amt nicht verfassungstreu, unparteiisch, uneigennützig und ohne Ansehen der Person führen. Nur durch eine Versetzung in den Ruhestand könne das - schwer beeinträchtigte - allgemeine Vertrauen in eine gerechte und unabhängige Rechtspflege gewahrt werden, heißt es im Urteil des Dienstgerichts.
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte im Oktober 2023: Jens Maier darf nicht mehr als Richter arbeiten.
Maier verlangte nun, dass das Landesamt für Verfassungsschutz es unterlässt, ihn in den Verfassungsschutzberichten für die Jahre 2020 und 2021 zu nennen und über ihn zu berichten. Nach Auffassung des VG Dresden erfolgte dies jedoch rechtmäßig.
Keine Nennung mehr nach Auflösung des AfD-"Flügels"?
Maier wird in diesen Berichten jeweils im Kapitel "Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen" im Unterkapitel Rechtsextremismus erwähnt.
Er wird im Bericht für das Jahr 2020 etwa als Obmann des AfD-"Flügels" genannt. Da der "Flügel" aufgelöst sei, frage er sich, welches Interesse es daran gebe, dass die Nennung bestehen bleibe, argumentierte Maier in seiner Klage. Dirk Belling, Leiter der Abteilung Auswertung Rechtsextremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz, entgegnete dem, der Bericht stelle die Situation im jeweiligen Jahr dar.
Auch im Bericht des Jahres 2021 wird Maier namentlich aufgeführt. Hier weil er neben Björn Höcke als Redner auf einer Veranstaltung der als rechtsextrem eingestuften Bewegung "Pegida" aufgetreten war. Auch diese namentliche Nennung wollte er löschen lassen. Maier erschien zum Auftakt am Mittwoch selbst vor Gericht. Die namentliche Nennung in den Berichten "kränkt mich in meiner Ehre", sagte er zu Beginn der Verhandlung. Die Klage blieb jedoch ihne Erfolg (Az. 6 K 620/20).
Persönlichkeitsrecht vs. Information der Öffentlichkeit
Die Kammer stellte klar, dass der Bürger einen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleiteten Unterlassungsanspruch gegen unrichtige oder das Persönlichkeitsrecht verletzende staatliche Behauptungen hat. Dem stehe allerdings die Verpflichtung des Verfassungsschutzes gegenüber, (auch) die Öffentlichkeit zu informieren, wenn "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen [einer Person oder Gruppe] gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" vorlägen. Dafür dürften im Rahmen des jährlichen Verfassungsschutzberichts personenbezogene Daten bekannt gegeben werden, wenn dies für die Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich sei und das Informationsinteresse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiege.
Diese Voraussetzungen sah das Gericht hier als gegeben an. Seine namentliche Erwähnung erscheine insbesondere für die Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich. Es überwiege das Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber schutzwürdigen Interessen des Klägers. Dieser sei in Sachsen prominenter Vertreter des "Flügels" gewesen. Es bestehe ein öffentliches Interesse an seiner Person als ehemaligem Bundestagsabgeordneten und pensioniertem Richter. Er sei demgegenüber weniger schutzwürdig, weil er seine Zugehörigkeit zum "Flügel" freiwillig öffentlich offenbart und sich außerdem im öffentlichen politischen Meinungskampf exponiert habe.
Speicherung personenbezogener Daten rechtmäßig
In einem weiteren Verfahren, das am gleichen Tag verhandelt wurde, verlangte der Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich, dass der sächsische Verfassungsschutz keine Informationen über ihn sammelt und auswertet sowie sämtliche gespeicherten Erkenntnisse löscht. Die Sammlung personenbezogener Informationen greife in die Rechte als Abgeordneter ein und verletze sein Recht zur unbehinderten Ausübung des freien Mandates, hieß es in der Klage des Abgeordneten, der Ende Januar die AfD-Landtagsfraktion verlassen hat. Auch diese Klage wies das VG am Mittwoch ab (Az. 6 K 753/21).
Das LfV habe sich im Rahmen seiner ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabenerfüllung bewegt. Danach dürften personenbezogene Daten gespeichert und genutzt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Tätigkeiten des Betroffenen vorliegen oder dies für die Erforschung und Bewertung solcher Bestrebungen erforderlich ist. Hierbei müsse auch keine Ausnahmen für Mitglieder des Bundestags oder eines Landtags gemacht werden. Der besonderen Schutzwürdigkeit von Abgeordneten werde dadurch Rechnung getragen, dass eine Beobachtung dieses Personenkreises verhältnismäßig sein müsse. Diese Voraussetzungen lägen sämtlich vor.
Das Landesamt habe den "Flügel" der AfD, dem der Kläger zuzurechnen gewesen sei, zu Recht als Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingestuft. Insbesondere lägen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der "Flügel" darauf gerichtet gewesen sei, das Mehrparteiensystem und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte außer Geltung zu setzen.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig, die Beteiligten können jeweils binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen stellen.
dpa/cho/LTO-Redaktion
Ergänzt um Passagen aus den Urteilsgründen am 23.05.2024, 12:37 Uhr (Red.)
Verfassungsschutzbericht "kränkt mich in meiner Ehre": . In: Legal Tribune Online, 22.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54597 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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