Ein Bewerber für die Berliner Schutzpolizei darf erst einmal weiter am Auswahlverfahren teilnehmen, obwohl er mehrere große Tattoos hat. Das Beamtenrecht in der Hauptstadt gebe keine Rechtsgrundlage, um ihn deswegen abzulehnen, so das VG.
Große sichtbare Tätowierungen sind nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin gegenwärtig kein Hindernis bei einer Bewerbung als Polizist in der Hauptstadt (Beschl. v. 23.07.2018, VG 5 L 248.18). Die Polizei dürfe Bewerber nicht aufgrund solcher Tattoos ablehnen, entschied die 5. Kammer im Eilverfahren. Die Dienstvorschrift, die derzeit den Umgang mit Tätowierungen regelt und die Ablehnung von Bewerbern im Einzelfall ermöglichen soll, reiche nicht aus. Gegen die Entscheidung kann die Polizei Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) einlegen.
Ein 26-jähriger Bewerber war wegen der Größe und Vielzahl seiner sichtbaren Tätowierungen von der Polizei abgelehnt worden. Der Mann ist am linken Arm und rechten Unterarm sowie an der linken Schulter und am Handgelenk tätowiert mit zum Teil großen Bildern, Symbolen und einem Spruch. "Die Tätowierungen zeigen u.a. Fußballvorlieben oder weisen familiäre Bezüge auf", beschrieb sie das Gericht.
Die Richter argumentierten, eine Regelung könne nicht der Polizei oder der übergeordneten Behörde überlassen werden. Darüber müsse der Gesetzgeber, in diesem Fall das Berliner Abgeordnetenhaus, entscheiden.
Grenze sind strafbare und verfassungsfeindliche Motive
Bis zu einer solchen Entscheidung seien Beamte in Berlin aber berechtigt, jedenfalls solche Tätowierungen zu tragen, die "nicht gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen", bspw. bei strafbaren Inhalten und solchen Tattoos, die Zweifel an der Verfassungstreue wecken könnten.
Die Berliner Verwaltungsrichter bezogen sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Ende 2017 (Urt. v. 17.11.2017, Az. 2 C 25.17). Dort war es im Verfahren zu einem Berliner Polizisten, der Tattoos mit rechtsextremen Inhalten trug, unter anderem auch um die Notwendigkeit einer Regelung in den Beamtengesetzen gegangen.
In ihrer Entscheidung haben Deutschlands höchste Verwaltungsrichter auch die veränderte Einstellung in der Gesellschaft zu Tätowierungen angesprochen. Nach einem Bericht des Umfrageinstituts Allensbach von 2014 haben inzwischen 24 Prozent der 16- bis 29-Jährigen in Deutschland ein Tattoo. In Ostdeutschland sind es sogar 41 Prozent in dieser Altersgruppe. Bei den über 60-Jährigen sind es nur drei Prozent in ganz Deutschland.
Polizei unter dem Druck des Wertewandels und Personalbedarfs
Diesem "gesellschaftlichen Wandel" müsse der Dienstherr Rechnung tragen, entschied bereits das VG Düsseldorf im vergangenen Jahr im Fall eines Polizeibewerbers, der ein großflächiges Tattoo in Gestalt eines Löwenkopfes auf dem Unterarm trug und deswegen abgelehnt worden war (Beschl. v. 24.08.2017, Az. 2 L 3279/17).
Die Berliner Polizei hatte die Vorschriften daher in den vergangenen Jahren immer weiter gelockert. Sichtbare Tätowierungen waren ursprünglich ganz verboten. Vor rund einem halben Jahr hatte die Senatsinnenverwaltung durch eine Änderung der Dienstvorschriften für Polizisten entschieden, dass auch sichtbare Tattoos teilweise zulässig seien. Sie müssten aber mit den Anforderungen an das Auftreten und die Neutralität der Polizei in der Öffentlichkeit vereinbar sein. Ziel der Lockerungen war es auch, möglichst nicht zu viele der dringend gesuchten Bewerber für den Polizeinachwuchs aussortieren zu müssen.
In jedem Fall verboten sind aber Tätowierungen mit extremistischen, entwürdigenden, sexistischen oder gewaltverherrlichenden Bildern. So war etwa ein Bewerber für den Objektschutz der Polizei abgelehnt worden, weil er auf einem Unterarm die Göttin Diana mit nackten Brüsten zeigte. Der Mann klagte dagegen vor dem Berliner Arbeitsgericht (ArbG) und verlor dort schließlich (Beschl. v. 03.04.17, Az. 58 Ga 4429/18).
dpa/mam/LTO-Redaktion
VG Berlin gibt Eilantrag von Bewerber statt: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29999 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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