Dürfen Künstler mit einer Sinfonie gegen die AfD ansingen? Ja, wenn sie deren Demo nicht vereiteln, sondern bloß stören wollen, meint die StA Mainz. Die Musiker hätten ihre Meinung sagen und ein Zeichen setzen wollen.
Der Protest des Mainzer Staatstheaters mit einer lautstark vorgetragenen "Ode an die Freude" gegen eine AfD-Kundgebung ist nach Ansicht der zuständigen Staatsanwaltschaft (StA) Mainz nicht strafbar. Allerdings könnten gegen den Intendanten und die Ensemble-Mitglieder Bußgelder verhängt werden, teilten die Mainzer Strafverfolger am Montag mit.
Sänger und Musiker des Theaters hatten im November vergangenen Jahres so laut Beethovens Hymne für Freiheit und Vielfalt gesungen, dass sie damit eine Kundgebung der AfD mit dem Titel "Gegen das Asylchaos" störten. Sowohl die AfD als auch die Polizei von Amts wegen hatten Strafanzeige wegen Störung einer genehmigten Versammlung (§ 21 Versammlungsgesetz, VersG) sowie Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch, StGB) gestellt (Az. 3111 Js 35567/15*).
Für beide Delikte sieht die StA aber keinen hinreichenden Tatverdacht. Allerdings könnte es sein, dass die lautstarken Teilnehmer bis zu 511 Euro für eine Ordnungswidrigkeit zahlen müssen. Dies prüft nun die Stadt Mainz als zuständige Bußgeldbehörde.
Absicht nicht nachweisbar, die Versammlung zu vereiteln
Intendant Markus Müller hatte in einer E-Mail die Mitglieder des Staatstheaters dazu aufgerufen, sich gegen die AfD-Kundgebung zu positionieren. Sie sollten "gemeinsam ein Zeichen setzen", zitiert die Staatsanwaltschaft aus seiner E-Mail. Sänger und Musiker versammelten sich daraufhin auf dem Balkon des Theaters und intonierten viermal die "Ode an die Freude". Die Musik war so laut, dass der Redner der AfD seinen Vortrag unterbrechen musste. Letztlich wurde die Veranstaltung aber trotz der Unterbrechungen durch Musik und Gesang insgesamt planmäßig und mit allen vorgesehen Programmpunkten auf dem Gutenbergplatz durchgeführt.
Zwar hätten die Musiker mit Musik und Gesang keine geeigneten Nötigungsmittel i.S.v. § 240 StGB eingesetzt, aber doch die Versammlung i.S.v. § 21 VersG grob gestört, so die Mainzer StA. Die nötige Absicht aber, die Versammlung zu vereiteln, könne man dem Intendanten nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisen. Dessen Angaben, dass es ihm nicht darum gegangen sei, die Veranstaltung zu verhindern oder ihren Ablauf unmöglich zu machen bzw. zu vereiteln, seien nicht zu widerlegen.
Er habe vielmehr laut seiner Mail ein Zeichen setzen wollen und auch im Nachgang stets hervor gehoben, dass jeder das Recht habe, seine Meinung frei zu äußern. Die Ausübung dieses Rechts habe er nicht vereiteln wollen, die Veranstaltung habe letztlich auch durchgeführt werden können. Man habe eine Botschaft vermitteln und dabei auch stören wollen.
AfD will sich wieder vor dem Staatstheater versammeln
Die Stadt Mainz als zuständige Bußgeldbehörde soll nun noch prüfen, ob der Intendant oder die Mitglieder des Ensembles Ordnungswidrigkeiten nach § 29 VersG (Störung von Versammlungen u.ä.) begangen haben.
Die AfD Rheinland-Pfalz will die Entscheidung in Ruhe im Landesvorstand besprechen. Sie schließt aber nicht aus, erneut vor das Staatstheater zu ziehen. "Da lassen wir uns nicht von einschüchtern", sagte ein Sprecher.
Die Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz jubelten mit "Freude, schöner Götterfunken!". Die Mitarbeiter des Staatstheaters hätten mit ihrer Gesangseinlage Zivilcourage bewiesen und einen mutigen Protest gegen Menschenfeindlichkeit artikuliert, heißt es in einer Mitteilung.
pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
*Anm. d. Red: Aktenzeichen nachträglich eingefügt am 03.05.2016, 10:37 h.
StA Mainz stellt Verfahren ein: . In: Legal Tribune Online, 02.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19272 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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