Wie reagiert man auf den Terror und was ist juristisch überhaupt möglich? Um diese Fragen ging es am Donnerstag in der Anhörung des Untersuchungsausschusses zum Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz.
Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 hat den islamistischen Terrorismus nach Deutschland gebracht. Doch veränderte sich damit nicht nur das Bedrohungsgefühl vieler Bürger, auch die sicherheitspolitische Diskussion gewann plötzlich an neuem Schwung.
Der Untersuchungsausschuss im Bundestag, der die Vorkommnisse rund um den Anschlag und die mangelhafte Überwachung des Terroristen Anis Amri aufarbeiten soll, befasste sich in einer Sachverständigenanhörung am Donnerstag nun mit der Frage: Wie kann so etwas künftig verhindert werden?
Die Meinungen darüber gingen, nicht zuletzt juristisch, deutlich auseinander. So erklärten einige der geladenen Experten eine stärkere Zentralisierung für geboten und auch verfassungsrechtlich machbar. Der Mainzer Staatsrechtler Matthias Bäcker sah zum Beispiel keine allzu hohen Hürden für eine Ausweitung der Bundes-Befugnisse. Es gebe für eine striktere Koordinierung zwischen Bund und Ländern und sogar "partielle Zentralisierung" der Terrorabwehr "erhebliche Spielräume", erklärte Bäcker.
Juristen uneins über verfassungsrechtliche Zulässigkeit weiterer Zentralisierung
Die Strafverfolgungsbefugnis von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft bietet nach seiner Ansicht eine ausreichende Handhabe, um strafrechtliche Instrumente "sehr weit beim Bund zu zentralisieren". Doch auch im Bereich der Prävention könnten die Kompetenzen des Bundeskriminalamtes gegenüber den Landesbehörden ausgeweitet werden. Ein einheitliches Verfahren zur Identifizierung von Gefährdern sei länderübergreifend mittlerweile vereinbart, doch auch eine reine Bundeskompetenz sei hier denkbar, so Bäcker.
Anders sah dies sein Bayreuther Kollege Heinrich Amadeus Wolff, der meinte, die Gesetzesnovellen der vergangenen Jahre hätten die Befugnisse des Bundes schon "bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen" ausgeweitet. Nach Ansicht des Freiburger Staatsrechtlers Benjamin Rusteberg indes lagen die Gründe für das Versagen der Sicherheitsbehörden bei dem Anschlag in Berlin ohnehin ganz woanders. So sei vor allem die völlig unterschiedliche IT-Ausstattung der Bundes- und Landesbehörden eine gefährliche Fehlerquelle bei der Übertragung von Daten.
In die gleiche Kerbe schlug auch der ehemalige Vizepräsident des Bundeskriminalamts Jürgen Maurer. Zudem lobte er die Grundprinzipien des Förderalismus, an denen auch in einer solchen Krise nicht gerüttelt werden dürfe.
Ein anderer renommierter Vertreter der Sicherheitsbehörden, der ehemalige Chef der Berliner Landespolizeischule Otto Dreksler, trat dem entgegen und plädierte für die Abschaffung der Verfassungsschutzbehörden auf Landesebene, die eine "enorme Bremswirkung" bei der Ermittlungsarbeit hätten. Die förderale Sicherheitsstruktur sei den modernen Anforderungen von radikalislamischem Terrorismus nicht mehr gewachsen.
mam/LTO-Redaktion
Untersuchungsausschuss im Bundestag zu Anschlag auf Breitscheidplatz: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28691 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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