Es ist die meisterwartete Gerichtsentscheidung des Jahres – und mit 5:4 Stimmen denkbar knapp im Sinne der Befürworter des Heiratsrechts gleichgeschlechtlicher Paare ausgegangen. Diese können fortan in allen amerikanischen Bundesstaaten heiraten.
Die Entscheidung des Supreme Courts, des amerikanischen Pendants zum deutschen Bundesverfassungsgericht, markiert den Endpunkt eines jahrzehntelangen Kampfes gleichgeschlechtlicher Paare um Gleichstellung im Eherecht. Erst in der jüngeren Vergangenheit hatten Umfragen belegt, dass eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung das oft als „Homoehe“ bezeichnete Heiratsrecht befürwortet.
Dieser Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich bereits in der Gesetzgebung zahlreicher amerikanischer Bundesstaaten niedergeschlagen – insgesamt 36 von ihnen haben das Recht zur gleichgeschlechtlichen Heirat inzwischen eingeführt. Der Supreme Court selbst hatte sich in einem früheren Verfahren im Jahr 2013 jedoch bedeckt gehalten: Damals drückten sich die Richter unter Hinweis auf prozessuale Hindernisse um eine Sachentscheidung.
Trotz günstiger Vorzeichen knappes Urteil
In einem weiteren Urteil aus 2013 entschied das höchste amerikanische Gericht jedoch, dass es verfassungswidrig sei, wenn gleichgeschlechtlichen Paaren, die in einem derjenigen Staaten geheiratet hatten, in denen dies legal ist, nicht die gleichen (steuer)rechtlichen Vergünstigungen zukämen wie heterosexuellen Paaren. Seit Oktober vergangenen Jahres begann der Supreme Court zudem, mehrere Widerspruchsverfahren von Gegnern der schwulenfreundlichen Gesetzgebung einzelner Bundesstaaten nicht zur Entscheidung anzunehmen – Beobachter deuteten dies als Vorzeichen für seine eigene Entscheidung.
Im Ergebnis zu Recht. Mit dem Urteil von Freitag steht nun endgültig fest, dass gleichgeschlechtliche Paare überall in den USA das Recht haben, miteinander die Ehe einzugehen. Die Entscheidung ging allerdings denkbar knapp aus – vier der neun Richter stimmten gegen das Heiratsrecht, fünf dafür. Richter John Roberts, eine der vier Gegenstimmen, äußerte, dass sich die Antwort auf die Frage seiner Ansicht nach nicht aus der Verfassung ergebe: "Celebrate the opportunity for a new expression of commitment to a partner. Celebrate the availability of new benefits. But do not celebrate the Constitution. It had nothing to do with it."
Debatte neu entfacht - auch in Deutschland
Die heutige Entscheidung folgt nur wenige Wochen, nachdem in Irland das Heiratsrecht gleichgeschlechtlicher Paare per Volksabstimmung mit großer Mehrheit eingeführt worden war. Die Debatte um die Situation in Deutschland, wo Homosexuellen bislang nur die eingetragene Lebenspartnerschaft als eheähnliches Institut zur Verfügung steht, wird vor dem Hintergrund des Urteils sicherlich erneut entflammen.
Eine vollständige Angleichung des Eherechts ist hierzulande bislang maßgeblich am Widerstand der Union gescheitert.
Constantin Baron van Lijnden, Haarscharfe Entscheidung des Supreme Courts: . In: Legal Tribune Online, 26.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16019 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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