Mit der Eskalation des Israel-Hamas-Konflikts nimmt insbesondere antisemitisch motivierte Diskriminierung an deutschen Schulen zu. Der SSW möchte den Betroffenen auf Landesebene Schadensersatzansprüche gewähren.
Der Südschleswigsche Wählerbund (SSW) will den Schutz vor Diskriminierungen in Schleswig-Holstein gesetzlich verankern. Die Fraktion hat dazu einen Entwurf eines Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG-E) in den Landtag eingebracht. "Kein Mensch darf im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen und antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit oder Volksgruppe, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden", heißt es darin.
Im Vergleich zum bundesweit geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das vornehmlich im arbeitsrechtlichen Kontext gilt, sind in den Katalog der Merkmale insbesondere das ausdrückliche Verbot antisemitischer Diskriminierung, der Minderheitenschutz sowie das Verbot der Diskriminierung wegen des sozialen Status hinzugefügt worden. Der Aufbau des Entwurfs ähnelt ansonsten den Vorschriften des AGG, so zum Beispiel hinsichtlich der verbotenen Diskriminerungsformen, möglicher Rechtfertigungen und der Verbandsklage.
Muss der Staat bei Judenhass im Klassenzimmer zahlen?
Das Gesetz soll gelten für die Verwaltung, öffentlich-rechtliche Körperschaften inklusive Schulen, Anstalten und Stiftungen, für den Landesrechnungshof, die Gerichte und Staatsanwaltschaften, das Landesverfassungsgericht und den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Auch juristische Personen des Privatrechts, an denen das Land mindestens mittelbar mehrheitsbeteiligt ist, sollen erfasst sein.
Der Gesetzentwurf differenziert im Wesentlichen zwischen zwei Anspruchsgrundlagen: Erstens sieht der Entwurf einen Anspruch der diskriminierten Person auf Ersatz von Vermögensschäden bzw. auf angemessene Geldentschädigung vor (§ 6 Abs. 1 und 2 LADG-E), zu zahlen von der öffentlichen Hand. Dafür muss die Diskriminierung laut Entwurf lediglich im "Verantwortungsbereich" der öffentlichen Stelle erfolgen – ein Verschulden fordert der Entwurf nicht und lässt zudem offen, wer den Verstoß begangen haben muss. Danach wäre denkbar, dass die öffentliche Hand schon dann zahlen muss, wenn ein Mitschüler einen anderen Mitschüler im Klassenraum antisemitisch beleidigt.
Zweitens sollen Betroffene einen Anspruch darauf haben, dass die öffentliche Stellen bei dem Verstoß "durch einen Dritten" in ihrem Verantwortungsbereich darauf hinwirken, dass dem Betroffenen der Schaden ersetzt wird (§ 6 Abs. 3 LADG-E). Hier bleibt offen, wer konkret den Schaden ersetzen muss. Unklar ist auch das Verhältnis dieser beiden Anspruchsgrundlagen zueinander. Eine Anfrage dazu beim SSW blieb urlausbedingt unbeantwortet.
Neben den Anspruchsgrundlagen schreibt der Gesetzentwurf die "Förderung einer Kultur der Wertschätzung und Vielfalt (…) als durchgängiges Leitprinzip bei allen Maßnahmen der öffentlichen Stellen" fest.
SSW: AGG für Mobbing in Schulen unzureichend
Der SSW verweist unter anderem darauf, dass es bisher weder auf Landes- noch auf Bundesebene ein Gesetz gibt, das zum Beispiel Schüler:innen effektiv vor Mobbing und Diskriminierung schützt. Wenn Bildungsministerin Karin Prien (CDU) die Schulen dazu auffordere, konsequent gegen antisemitische Anfeindungen an Schulen vorzugehen, dann fehle hierfür genau genommen die rechtliche Handhabe, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SSW-Fraktion, Christian Dirschauer.
Der Schutz des AGG greife nämlich nur an Schulen in privater Trägerschaft, in denen das Bildungsangebot auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages erbracht wird. Schüler:innen an öffentlichen Schulen seien nicht durch das Gesetz geschützt, da die Gesetzgebungskompetenzen in Schulangelegenheiten den Bundesländern zukämen. Auch das Grundgesetz kenne kein ausdrückliches Recht auf diskriminierungsfreie Bildung, erläuterte Dirschauer. Eine Ausnahme bilde Berlin, wo es bereits ein Landesantidiskriminierungsgesetz gebe. Daran lehnt sich der SSW-Entwurf stark an, der noch um Regelungen für die im Norden ansässigen autochthonen Minderheiten ergänzt wurde.
"Antisemitismus ist mitnichten nur ein arabisch-muslimisches Phänomen in Deutschland, sondern ein gesamtgesellschaftliches", sagte Dirschauer. "Schülerinnen und Schüler verdienen schon deshalb einen besonderen Schutz, weil sie sich Diskriminierungen aufgrund der Schulpflicht gar nicht entziehen können."
lst/dpa/LTO-Redaktion
Forderung der Minderheitenpartei SSW: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53018 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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