Vor einem halben Jahr wurde das Sommermärchen-Verfahren rund um die Fußball-WM in Deutschland 2006 eingestellt. Mit einem Urteil war nicht mehr zu rechnen. Doch nach einem Beschluss des OLG Frankfurt geht das Verfahren nun weiter.
Das Verfahren um die drei ehemaligen DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt geht nun doch weiter. Nachdem der Prozess im vergangenen Jahr durch das Landgericht (LG) Frankfurt am Main eingestellt wurde, hob das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main den Beschluss der Vorinstanz nun auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin wieder auf (Beschl. v. 20.04.2023, Az. 7 Ws 294/22). Der Aburteilung der Angeklagten stehe nicht das Doppelbestrafungsverbot entgegen, da das schweizerische Verfahren nicht dieselbe Tat, sondern ein Vortatgeschehen betreffe, begründete das OLG die Entscheidung.
Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten Steuerhinterzierhung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung für das Jahr 2006 vor. Im Jahr 2002 hatte Franz Beckenbauer in seiner Funktion als WM-Organisationskomitee-Chef ein Darlehen von dem inzwischen verstorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus in Höhe von 6,7 Mio Euro erhalten. Drei Jahre später wurde eine Summe in gleicher Höhe an den Unternehmer zurückgezahlt. Die Angeklagten sollen hierbei bewirkt haben, dass diese Zahlung in den genannten Steuererklärungen zu Unrecht als Betriebsausgabe des DFB im Jahr 2006 ertrags- und steuermindernd verrechnet worden sei. Es soll angegeben worden sein, dass es sich um eine Beteiligung des DFB an den Kosten einer Gala zur WM 2006 handelte. Diese Gala fand allerdings nie statt.
Ursprünglich hatte das LG die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Sportfunktionäre abgelehnt, da es an einem hinreichenden Tatverdacht fehle. Auf die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte sofortige Beschwerde hatte das OLG die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren vor dem LG Frankfurt am Main eröffnet. Das OLG bejahte den hinreichenden Tatverdacht.
In der Schweiz hatte die Sommermärchen-Affäre ebenfalls zu strafrechtlichen Ermittlungen geführt. Gegen die drei Angeklagten wurde dort von der schweizerischen Bundesanwaltschaft wegen Betrugs Anklage erhoben. Da aber spätestens im Jahr 2020 Verfolgungsverjährung eingetreten sei, wurden die Verfahren im Mai 2021 eingestellt.
OLG sieht keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot
Im Oktober 2022 hatte das LG Frankfurt am Main auch das hiesige Strafverfahren eingestellt. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei den angeklagten Taten um dieselbe Tat handele, die in der Schweiz angeklagt wurde und dass einem Urteil daher das Doppelbestrafungsverbot (Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens) entgegen stünde.
Das OLG sah dies nun anders und hob den Einstellungsbeschluss auf. Der Aburteilung der Angeklagten stehe das Verbot der Doppelbestrafung nicht entgegen. Mit dem Verbot solle erreicht werden, dass ein Beschuldigter wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne nicht mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren überzogen werde. Die Verfahrenseinstellung im schweizerischen Strafverfahren betreffe aber nicht dieselbe Tat in diesem Sinne.
Die streitigen Steuerstraftaten im Jahr 2007 bauten zwar auf der in der Schweiz angeklagten Betrugstat im April 2005 auf. Die Anklagen beziehen sich demnach beide auf einen "zusammenhängenden historischen Gesamtkomplex". Es handele sich bei wertender Gesamtbetrachtung aber gerade nicht um einen Komplex "unlösbar miteinander verbundener Tatsachen"; die Umstände im schweizerischen Verfahren stellten vielmehr das "Vortatgeschehen" für die späteren Steuerstraftaten dar.
Zudem soll die Betrugstat in Köln begangen worden sein; die Steuerstraftaten dagegen in Frankfurt am Main. Im schweizerischen Verfahren sei den Angeklagten zur Last gelegt worden, dass sie aus Mitteln des DFB einen Betrag von 6,7 Mio. € zur Befriedigung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs gegenüber des Fußballers verwendet haben sollen. Zu diesem Zweck seien Mitglieder des OK-Präsidialausschusses über den Anlass der Zahlung getäuscht worden. Außerdem sollen die ehemaligen DFB-Funktionäre die Überweisung an die FIFA zur Weiterleitung an den Darlehensgeber veranlasst haben. Im hiesigen Verfahren werde den Angeklagten dagegen zur Last gelegt, die Zahlung in Höhe von 6,7 Mio. € unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung des DFB einbezogen zu haben.
Zwanziger gibt sich unberührt von der jüngsten Entwicklung
Der Ex-DFB-Präsident Zwanziger reagierte gelassen auf diese Entscheidung. "Seit fast vier Jahren wird die Anklage zum Nachteil der Betroffenen zwischen den Gerichten hin- und hergeschoben. Darüber kann man nur den Kopf schütteln", sagte der 77-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Seiner Ansicht nach gehe es bei dem Fall "nur um die Bewertung, ob 2006 überhaupt eine Steuerhinterziehung stattgefunden haben kann. Das kann nicht der Fall sein, weil es keine Verkürzung der Steuer gegeben hat", bekräftigte Zwanziger seine Unschuld. Der ehemalige DFB-Generalsekretär Schmidt und Ex-DFB-Boss Niersbach hatten ebenfalls stets alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Bezüglich der Begründung des OLG sagte Zwanziger: "Mir ist die Bewertung des Schengener Abkommens völlig egal". Viel wichtiger sei ihm, dass das Verfahren nun zu einem baldigen Abschluss komme. "Es liegt mir sehr viel daran, dass es jetzt schnell zu einer mündlichen Verhandlung vor einem Gericht kommt", bekräftigte er.
Die Entscheidung ist des OLG ist unanfechtbar. Das Verfahren ist nun vor dem LG Frankfurt am Main fortzuführen.
lmb/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
OLG Frankfurt am Main hebt Einstellungsbeschluss auf: . In: Legal Tribune Online, 22.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51826 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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