SG zu ausgeschalteter Kamera: Sturz beim Home­schoo­ling zählt als Arbeit­s­un­fall

12.06.2023

Bei einem Unfall während des Unterrichts per Videoübertragung greift die gesetzliche Unfallversicherung, so das SG München. Dabei sei nicht entscheidend ist, ob Kamera und Mikrofon während der Veranstaltung eingeschaltet waren.

Während der Corona-Pandemie hatten Schulen zeitweise geschlossen, der Unterricht fand für die Schüler und Schülerinnen von zuhause aus statt. Während dieses sogenannten Homeschoolings wollte sich die in diesem Fall klagende Schülerin zum Bearbeiten einer Aufgabe ein Buch holen. Dabei stürzte sie und verletzte sich nicht unerheblich im Gesicht. Die beklagte gesetzliche Unfallversicherung war jedoch der Meinung, es liege kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII vor und lehnte es ab, einen Versicherungsschutz anzunehmen.

Zur Begründung führte die beklagte Unfallversicherung an, Schüler und Schülerinnen seien beim Besuch des Unterrichts zwar grundsätzlich unfallversichert (§ 2 Nr. 8b SGB VII). Bei Tätigkeiten im Rahmen einer "Stillarbeit", die selbständig zuhause ohne Beaufsichtigung und Anleitung durch die Schule durchgeführt wird, greife dieser Versicherungsschutz aber nicht. Während der fraglichen Unterrichtsstunde im Homeschooling waren die Kameras und Mikrofone der Schüler abgeschaltet. Daher hätte die Lehrkraft keine Aufsicht ausüben können, der gesetzliche Unfallversicherungsschutz greife damit nicht.

Mit dem Abschalten der Kamera endet der Versicherungsschutz nicht

Dieser Argumentation widerspricht das Sozialgericht (SG) München nun und gibt der klagenden Schülerin Recht (Urt. 22.05.2023, Az. S 9 U 158/22). Das Aufstehen und Holen eines Buches stehe in einem engen Zusammenhang mit dem Unterricht - und zwar auch im Homeschooling. Der Versicherungsschutz sei dadurch nicht unterbrochen worden. Ob die Kameras und Mikrofone während der Homeschooling-Veranstaltungen eingeschaltet sind, sei nicht entscheidend dafür, ob der gesetzliche Unfallversicherungsschutz greife oder nicht. Die Lehrkraft habe zudem zu jeder Zeit über einzelne Anweisungen in Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern treten können.

Durch die Ergänzung des § 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII habe der Gesetzgeber mittlerweile klargestellt, dass auch die Arbeit zuhause in gleicher Weise versichert sei wie die Arbeit im Betrieb. Aus diesem Grund sei auch der Unfall der Schülerin als Arbeitsunfall anzuerkennen, so das Gericht. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

SG zu ausgeschalteter Kamera: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51969 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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