Subsidiärer Schutz wird Menschen gewährt, denen in ihrer Heimat ernsthafte Gefahren drohen. Ein mangelhaftes Gesundheitssystem und keine angemessene psychologische Betreuung begründen darauf aber keinen Anspruch, so der Generalanwalt.
Nach Ansicht von Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Yves Bot hat eine Person, die in der Vergangenheit in ihrem Herkunftsland gefoltert wurde, nicht schon deshalb einen Anspruch auf subsidiären Schutz, weil es in diesem Land keine angemessene psychologische Betreuung gibt. Das geht aus seinen Schlussanträgen zu der Rechtssache C353/16 hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurden.
Die Richtlinie 2004/83/EG legt Mindestnormen für den subsidiären Schutz fest, um den durch die Genfer Flüchtlingskonvention verbürgten internationalen Schutz zu ergänzen. Subsidiärer Schutz wird jedem gewährt, der nicht als Flüchtling anerkannt wird, dem aber in seinem Herkunftsland ernsthafte Gefahren wie die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen.
2009 stellte ein Sri Lanker bei den britischen Behörden einen Antrag auf subsidiären Schutz. Er habe der Organisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" angehört, sei von sri-lankischen Sicherheitskräften inhaftiert und gefoltert worden und laufe bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Gefahr, erneut misshandelt zu werden. Die Behörden lehnten seinen Antrag aber ab, da ihm bei einer Rückkehr keine Gefahr mehr drohe.
Selbstmordgefahr begründet keinen Anspruch
Ein britisches Gericht gab seiner Klage dagegen teilweise statt. Dem Mann drohe zwar keine Gefahr mehr in Sri Lanka, eine Abschiebung verstoße jedoch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), da der Mann aufgrund der früher erlittenen Folter an einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen litt. Wenn er in sein Heimatland zurückgeschickt würde, könne er keine angemessene Behandlung seiner Erkrankungen erhalten.
Der britische Supreme Court legte den Fall dem EuGH vor und möchte nun wissen, ob ein Drittstaatsangehöriger, der an den Folgen von in seinem Herkunftsland verübter Folter leidet, bei einer Rückkehr dort aber keine solchen Misshandlungen mehr zu befürchten hat, deshalb Anspruch auf subsidiären Schutz hat, weil das Gesundheitssystem dieses Landes keine angemessene Behandlung seiner psychischen Erkrankungen bieten kann.
Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands oder gar des Selbstmords, die allein darauf beruht, dass in Sri Lanka keine angemessene Behandlung möglich ist, reicht nach Auffassung des Generalanwalts nicht aus, um die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus diesen Gründen zu gewähren.
Auch die Auslegung der Richtlinie anhand der EMRK könne die Zuerkennung nur in absoluten Ausnahmefällen erlauben. Würde jedem, der in der Vergangenheit Misshandlungen erlitten hat, ein Recht auf subsidiären Schutz gewährt werden, würde das die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des subsidiären Schutzes erheblich ausweiten. Eine solche Auslegung ginge weit über das hinaus, was der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie erreichen wollte, heißt es in den Schlussanträgen.
acr/LTO-Redaktion
Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25195 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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