Auch unter Berücksichtigung eines in AGB enthaltenen Vorbehalts kann die Vorverlegung des Rückflugs um zehn Stunden einen Mangel begründen, der den Reisenden grundsätzlich auch zur Selbstabhilfe und zur Erstattung der mit dem selbst organisierten Rückflug entstandenen Kosten berechtigt. Dies hat der X. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom Dienstag entschieden.
Voraussetzung sei jedoch, dass der Reisende zuvor dem Reiseveranstalter eine Abhilfefrist gesetzt hat oder eine solche Fristsetzung entbehrlich war, so die Karlsruher Richter. Letzteres könne sich bereits aus den Umständen ergeben, etwa wenn der Reiseveranstalter den Reisemangel bewusst verursacht und ihn als unvermeidlich darstellt (Urt. v. 17.04.2012, Az. X ZR 76/11).
Damit bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die Auffassung des Berufungsgerichts. Indes hoben die Richter das Urteil insoweit auf, als ein in Allgemeinen Geschäfstbedingungen (AGB) enthaltenes Abtretungsverbot bei einem Reisevertrag für wirksam angesehen wurde. Ein Abtretungsverbot benachteilige den Reisenden unangemessen. Da es sich auf Gewährleistungsansprüche beschränke, seien die Interessen des Reiseveranstalters nur von geringem Gewicht. Hingegen hätten die Reisenden nicht selten das Bedürfnis, solche Ansprüche an einen ihrer Mitreisenden abzutreten, der wirtschaftlich anteilig die Kosten der Reise mitgetragen hat.
Im Streitfall verlangte die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Lebensgefährten die Rückzahlung eines gezahlten Reisepreises und Schadensersatz. Ihr Lebensgefährte buchte für beide eine einwöchige Pauschalreise in die Türkei mit einem Rückflug am 1. Juni 2009 um 16.40 Uhr. In ihren AGB behielt sich der Reiseveranstalter die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird, und wurde die Abtretung von Ansprüchen, die auf Leistungsstörungen beruhen, ausgeschlossen. Der Rückflug wurde am Vortag auf 05.15 Uhr des 1. Juni 2009 vorverlegt, wozu die Reisenden um 01.25 Uhr am Hotel abgeholt werden sollten. Das Paar bemühte sich um einen anderen Rückflug, den sie an dem vorgesehenen Rückflugtag um 14.00 Uhr antraten und selbst bezahlten.
Der BGH erkannte hier jedoch keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise. Die Reisenden hätten dem Reisemangel im Wesentlichen selbst abgeholfen, so dass eine erhebliche Beeinträchtigung, die zur Kündigung oder einer Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit berechtigen würde, nicht mehr zu erkennen sei.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, das nun prüfen muss, ob das Paar dem Reiseveranstalter eine Frist zur Abhilfe gesetzt hatte oder diese nach den Umständen entbehrlich war, sowie in welcher Höhe Kosten für den Rückflug tatsächlich angefallen waren.
plö/LTO-Redaktion
BGH zu Flugreisen: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6022 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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