In den letzten Jahren mussten viele Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil ihre Verfahren zu lange dauerten. Der Personalmangel in der Justiz könnte ein Grund dafür sein.
Weil die Strafverfahren zu lange dauern, müssen laut Deutschem Richterbund (DRB) immer mehr Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Im vergangenen Jahr waren es nach Angaben des DRB mindestens 69 Fälle, im Jahr davor 65 und 2017 noch 51 Fälle, das berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Dienstag. Damit seien in den vergangenen fünf Jahren insgesamt mehr als 250 Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil Gerichte gegen das Beschleunigungsgebot für Haftsachen verstoßen hätten.
"Die Justizstatistiken machen sehr deutlich, dass die Strafjustiz nach wie vor am Limit arbeitet", sagte DRB-Budnesgeschäftsführer Sven Rebehn den Zeitungen. Zum einen seien Strafverfahren oft aufwendiger als in der Vergangenheit. Zum anderen sei die Personaldecke der Strafjustiz "immer noch deutlich zu kurz".
Gerichtsüberlastung ist kein Argument
Bereits letztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass eine Überlastung der Gerichte keine Haftfortdauer rechtfertigen könne. Verdächtigen dürfe nicht zugemutet werden, nur deshalb einen längeren als den verfahrensangemessenen Haftbefehl in Kauf zu nehmen, weil die Gerichte personell zu schlecht ausgestattet sind. Das verletze sie in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG).
Insbesondere in Brandenburg gab es Diskussionen zu diesem Thema, nachdem ein Tatverdächtiger wegen zu langer Verfahrensdauer aus der U-Haft entlassen und dann nach seiner Verurteilung wegen Mordes wieder ins Gefängnis musste. Ebenfalls in Brandenburg sorgten Forderungen des Ex-NPD-Politikers Schneider auf eine Entschädigung für seine Zeit in der U-Haft für Schlagzeilen. Auch er rügte die Länge der Verfahrensdauer für ein gegen ihn anhängiges Verfahren wegen Brandstiftung an einer geplanten Asylbewerberunterkunft.
Demgegenüber wehrte sich der ehemalige Justizminister Brandenburgs Stefan Ludwig (Die Linke) gegen den Vorwurf, die Justiz würde unter Personalmangel leiden und so zu Haftentlassungen beitragen. Die genauen Gründe für die Verzögerungen in den genannten Verfahren, die zu den vorzeitigen Haftentlassungen führten, seien für ihn nicht erkennbar.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Richterbund kritisiert Überlastung der Justiz: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42663 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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