Der ehemalige bayerische Justizminister Winfried Bausback soll Richter des Bundesverfassungsgerichts werden. Darauf haben sich CDU und CSU geeinigt. Die Wahl soll in einer Woche stattfinden. Christian Rath stellt den Kandidaten vor.
Der 58-jährige Winfried Bausback ist habilitierter Jurist und war von 2013 bis 2018 Justizminister in Bayern. Seitdem ist er Landtagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU im bayerischen Landtag.
Bausback soll im Zweiten Senat Nachfolger von Richter Peter Müller werden. Der ehemalige saarländische CDU-Ministerpräsident war 2011 zum Verfassungsrichter gewählt worden. Müllers Amtszeit endete bereits Ende September, weil er die Altersgrenze von 68 Jahren erreicht hatte. Wie so oft schaffte es die Politik aber nicht, rechtzeitig einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu wählen.
Müller, der kein bisschen amtsmüde wirkt, dürfte über die Verzögerung bei der Suche nach einem Nachfolger auch froh sein, denn er hatte in diesem Jahr noch mehrere große Senats-Verfahren, die er gerne abschließen wollte. Das Urteil zum Bundestagswahlrecht von 2020 wird am 29. November verkündet. Auch die Verfahren zur Teilwiederholung der Bundestagswahl 2021 in Berlin und zum Ausschluss der NPD von der Parteifinanzierung sind weitgehend abgeschlossen.
In einem Interview mit der Welt am Sonntag erklärte Müller, dass Politiker:innen dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wegen ihrer spezifischen Erfahrung durchaus gut tun. "Nicht zu viele, aber einzelne schon. Die Dosis macht das Gift." Tatsächlich wird sein Nachfolger wohl wieder ein Politiker.
Krings oder Bausback
Das Vorschlagsrecht für Müllers Posten hat die CDU/CSU. Anfang November waren laut Passauer Neue Presse noch zwei Kandidaten im Rennen. Die CDU setzte sich für den Bundestagsabgeordneten und versierten Rechtspolitiker Günter Krings ein. Die CSU machte sich für Bausback stark.
Auf den ersten Blick schien das Problem leicht zu lösen, da die CDU/CSU Ende des Jahres noch ein Vorschlagsrecht am Zweiten Senat hat. Zum 31. Dezember endet nach zwölf Jahren die Amtszeit von Richterin Sibylle Kessal-Wulff. Dort muss aber nach gesetzlicher Vorgabe ein Bundesrichter oder eine Bundesrichterin gewählt werden. Dagegen ist die Müller-Position eine sogenannte "freie" Stelle, auf die nicht nur Richter:innen, sondern auch Politiker:innen oder Professor:innen gewählt werden könnnen. Sowohl Krings als auch Bausback sind also nur als Nachfolger von Müller wählbar.
Nach LTO-Informationen hat die CSU nun Bausback durchgesetzt. Ihr zentrales Argument: Derzeit gibt es am Bundesverfassungsgericht keinen von der CSU nomminierten Richter. Im Januar schied Peter M. Huber am Zweiten Senat aus. Auf ihn folgte jedoch der von der FDP nominierte Thomas Offenloch, um den Proporz der Vorschlagsrechte (je drei für SPD und CDU/CSU, je einen für Grüne und FDP) auch im Zweiten Senat umzusetzen. Da die Stelle von Huber ebenfalls eine freie Stelle ist, wollte die CSU nun wieder eine freie Stelle haben.
Die Zustimmung der SPD-regierten Länder zu Bausback dürfte nur noch Formsache sein. Die Wahl soll dann am nächsten Freitag, dem 24. November, im Bundesrat stattfinden. Die Ernennung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinemeier erfolgt üblicherweise wenige Wochen später.
Bausback und das BVerfG
Anders als viele Verfassungsrichter:innen war Bausback nie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht. Allerdings hatte auch Bausback bereits einige Berührungspunkte mit Karlsruhe.
Gemeinsam mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) drohte Bausback Anfang 2016 der Bundesregierung von Angela Merkel (CDU) mit einer Verfassungsklage, um die Schließung der deutschen Grenzen für Flüchtlinge durchzusetzen. Seehofer sprach damals sogar von einer "Herrschaft des Unrechts", verzichtete später aber auf eine Verfassungsklage.
2017 gab Bausback gemeinsam mit dem BVerfG-Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof der FAZ ein Interview zu den Gefahren des Islamismus. Das Doppelinterview sorgte damals für gewisses Erstaunen, da es sich nicht um ein Streitgespräch handelte, sondern Verfassungsrichter und Politiker als Vertreter der gleichen konservativen Seite zu Wort kamen. Sicher hat Kirchhof in Bausback damals schon den späteren Verfassungsrichter gesehen.
Ein zupackender Justizminister
Als Justizpolitiker bezeichnete sich Bausback als "wertkonservativ". Er vertrat die übliche konservative Agenda: Für die Bestrafung von Schwarzfahrer:innen, gegen ein Unternehmensstrafrecht, für die Vorratsdatenspeicherung, gegen Kopftücher bei Rechtsreferendarinnen.
Allerdings war es auch vor allem Bausback, der 2014 einen problematischen Gesetzentwurf des damaligen Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) ausbremste. Danach hätten sich Eltern bereits strafbar gemacht, wenn sie ihr Kind nackt im Planschbecken fotografieren. Die SPD wollte damals nach der Nacktbilder-Affäre des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy drastische Gegenakzente setzen. Bausback verwies jedoch auf die fehlende Verhältnismäßigkeit.
Einflussreich erwies sich Bausback 2015 auch bei der Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Generalbundesanwalt Harald Range. Der jetzige Amtsinhaber Peter Frank kam aus Bayern und war von Bausback vorgeschlagen worden.
In Bayern galt Bausback als durchaus erfolgreicher Macher. Er richtete staatsanwaltschaftliche Zentralstellen für Cybercrime (in Bamberg) und für Extremismusbekämpfung (in München) ein.
Das Ende als Minister
Dennoch musste Bausback nach der Landtagswahl 2018 seinen Posten räumen. Grund war CSU-typischer Regionalproporz: Weil die Unterfränkin Judith Gerlach Digitalministerin wurde, musste der Unterfranke Bausback aus dem Kabinett weichen. Einer seiner drei Söhne soll ihn danach getröstet haben: "Du Papa, jetzt hast du wieder mehr Zeit und kannst mich besser kennen lernen!". So berichtete es jedenfalls die Bayerische Staatszeitung.
Als Landtagsabgeordneter war eine seiner wichtigsten Aufgaben der Vorsitz im Untersuchungsausschuss zur bayerischen Corona-Maskenaffäre. Nach 44 Sitzungen stellte Bausback für die CSU-FW-Mehrheit fest, die Beschaffung von Corona-Masken sei in Bayern nach Recht und Gesetz erfolgt, frei von parteipolitischen Erwägungen oder politisch motivierten Weisungen. Die Opposition sah hingegen Filz und Günstlingswirtschaft.
Bausback als Wissenschaftler
Doch Winfried Bausback ist nicht nur Politiker, sondern auch Wisssenschaftler. Er hat einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Wuppertal (einer ehemaligen Gesamthochschule). Der Lehrstuhl ruht seit Bausbacks erster Wahl in den bayerischen Landtag 2008.
Sein akademischer Lehrer war der sehr konservative Rechtsprofessor Dieter Blumenwitz, der sich stark für die Interessen der Vertriebenenverbände in Osteuropa einsetzte. Bei Blumenwitz arbeitete Bausback als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Blumenwitz betreute auch Bausbacks Dissertation über Wahlrechtsfragen. Bausbacks Habilitation beschäftigte sich mit Rechtsfragen von Wirtschaftsembargos.
Für sein neues Karlsruher Amt ist natürlich vor allem die Disseratation über "Verfassungsrechtliche Grenzen des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag" von Interesse. Zwar wird Bausback von Peter Müller nicht dessen Zuständigkeit für Wahlrechtsfragen übernehmen, denn die Dezernate im Zweiten Senat sind nicht stabil. Aber Bausback wird im Zweiten Senat sitzen, der die Wahlrechtsklagen entscheidet und wird als Person mit politischer Erfahrung besonders einflussreich sein.
Bausback als Retter der CSU?
Nun hat zufällig die CSU gerade gegen das im Juni beschlossene neue Bundestagswahlrecht Verfassungsklage erhoben, ebenso die bayerische Staatsregierung. Beanstandet wird die Abschaffung der Grundmandatsklausel, die der CSU den Einzug in den Bundestag auch dann gesichert hätte, wenn sie bundesweit weniger als fünf Prozent der Wählerstimmen erzielt (2021 waren es nur noch 5,2 Prozent). Es könnte nach der Neuregelung also sein, dass die CSU in allen bayerischen Bundestagswahlkreisen die meisten Stimmen erzielt und dennoch keinen einzigen Bundestagsabgeordneten stellen darf, weil sie bundesweit unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt und die Grundmandatsklausel nicht mehr existiert. Die CSU würde so zur reinen Regionalpartei. Da scheint es gut zu passen, dass der von der CSU als Verfassungsrichter vorgeschlagene Winfried Bausback in seiner Dissertation auch zur Frage der Grundmandatsklausel geforscht hat.
Doch wer nun glaubt, die CSU will im Moment existenzieller Not einen potenziellen Helfer im Verfassungsgericht platzieren, kennt die über jeden Zweifel der Trickserei erhabene CSU nicht gut genug. Tatsächlich kommt Bausback in seiner Dissertation nämlich zu dem Schluss, dass eine Grundmandatsklausel "grundsätzlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar" ist. "Die besonderen regionalen Probleme rechtfertigen keine Ungleichbehandlung bei der Mandatsvergabe nach Zweitstimmen für das unitarische Staatsorgan des Bundestags." Das ist deutlich.
Da Bausback schon die Existenz der bisherigen Grundmandatsklausel für verfassungswidrig hielt, dürfte er die jetzige Abschaffung der Klausel kaum verfassungsrechtlich bedenklich finden - auch wenn die Klausel damals nur der Linken half und von der Abschaffung jetzt auch die nicht mehr so starke CSU betroffen ist.
Nachfolge von Peter Müller: . In: Legal Tribune Online, 17.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53197 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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