Jüngst hat das OLG Schleswig entschieden, der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont sei nur wegen Untreue, nicht aber wegen Rebellion auszuliefern. Nun macht die spanische Justiz einen Rückzieher - und spart nicht mit Kritik.
Die spanische Justiz verzichtet auf eine Auslieferung des in Deutschland festgenommenen katalanischen Separatisten-Führers Carles Puigdemont. Der zuständige Ermittlungsrichter am Obersten Gericht in Madrid, Pablo Llarena, habe sich entschieden, den europäischen Haftbefehl gegen den früheren Regionalpräsidenten zurückzuziehen, teilte das Gericht am Donnerstag in der spanischen Hauptstadt mit.
Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hatte jüngst eine Auslieferung des Politikers nach Spanien wegen des Verdachts der Veruntreuung für zulässig erklärt, nicht jedoch wegen Rebellion, dem Hauptvorwurf der spanischen Justiz. Das Strafverfahrensrecht sieht vor, dass eine Auslieferung nur dann möglich ist, wenn die vorgeworfene Straftat auch in Deutschland eine Entsprechung hat.
Das sah das OLG aber im Fall des spanischen Straftatbestandes nicht als gegeben an, die Initiierung des Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens erfülle weder den deutschen Straftatbestand des Hochverrats (§ 81 Strafgesetzbuch) noch den des Landfriedensbruchs (§ 125 Strafgesetzbuch). Hierzu fehle es an Puigdemont zurechenbaren Gewalthandlungen.
Spanien könnte auf neue Gelegenheit warten
Dr. Nikolaos Gazeas, Anwalt mit Schwerpunkt internationales Strafrecht, hatte gegenüber LTO daraufhin bereits prognostiziert, dass die Spanier nun auf eine Auslieferung verzichten könnten, um eine Gelegenheit für einen neuen Haftbefehl abzuwarten. Hätte man die Auslieferung aus Deutschland durchgeführt, so hätte man Puigdemont nur wegen der Untreue-Vorwürfe, nicht aber wegen Rebellion vor Gericht stellen können. Dem stünde der Spezialitätsgrundsatz im europäischen Strafverfahrensrecht entgegen.
Bereist Puigdemont aber ein anderes Land, könnte Spanien dort ein neues Auslieferungsersuchen vorbringen, um möglicherweise doch noch eine Überstellung wegen des Vorwurfs der Rebellion zu ermöglichen. Dieser ist mit bis zu 30 Jahren Haft strafbewehrt.
Das Oberste Gericht in Madrid hatte erst Ende Juni die Eröffnung von Prozessen gegen Puigdemont und 14 weitere separatistische Politiker wegen Rebellion, Veruntreuung und zivilen Ungehorsams bestätigt.
Spanisches Gericht wirft OLG "Mangel an Engagement" vor
Richter Llarena zieht den amtlichen Angaben zufolge auch die europäischen Haftbefehle gegen die fünf weiteren Separatisten zurück, die sich ins Ausland abgesetzt hatten. Die nationalen Haftbefehle würden aber alle aufrechterhalten, hieß es. Damit können die Betroffenen nicht in ihre Heimat zurückkehren.
In einer Mitteilung des Obersten Gerichts heißt es, das OLG in Schleswig-Holstein habe die Handlungsfähigkeit von Llarena als Ermittlungsrichter untergraben. Der Richter wirft der deutschen Justiz unter anderem "Mangel an Engagement" vor. Auf eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg gegen die Entscheidung der deutschen Justiz will Llarena aber verzichten.
Update, 15:20 Uhr: Der schleswig-holsteinischen Generalstaatsanwaltschaft ist die Entscheidung in Sachen Puigdemont noch nicht offiziell mitgeteilt worden. "Eine Rücknahme des Europäischen Haftbefehls durch die spanischen Behörden kann ich derzeit nicht offiziell bestätigen", sagte eine Sprecherin am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. (Update Ende)
Puigdemont hatte sich im Herbst 2017 im Zuge des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien nach Brüssel abgesetzt. Bei der Rückfahrt von einer Skandinavienreise war er am 25. März in Schleswig-Holstein nahe der dänischen Grenze an einer Autobahnraststätte festgenommen worden. Der 55 Jahre alte frühere Journalist kam damals kurzzeitig in ein Gefängnis in Neumünster, wurde aber später unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Harsche Kritik am OLG Schleswig: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29865 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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