Sie wollten den Bundesgesundheitsminister entführen, die Regierung absetzen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen. Wegen dieser Umsturzpläne müssen sich nun fünf Personen vor dem OLG Koblenz verantworten.
Eine halbe Stunde später als geplant begann am Mittwoch der Prozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe "Vereinte Patrioten" vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. In Handschellen, begleitet von Justizmitarbeitern betraten die fünf Angeklagten den Sitzungssaal.
Über Telegram soll die Gruppe die Absetzung der Bundesregierung geplant haben, bürgerkriegsähnliche Zustände sollten hergestellt werden, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft. Teil dieses Plans sei die Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) gewesen.
Bei den Angeklagten soll es sich um den Kern der extremistischen Chatgruppe handeln. Vier Männer im Alter von 44 bis 56 Jahren und eine 75-jährige Frau müssen sich vor Gericht verantworten. Ihr Plan bestand laut Anklage aus drei Elementen.
Ein Umsturzplan in drei Akten
Ein "Silent Night" genannter Teil des Vorhabens soll laut Bundesanwaltschaft aus Anschlägen mit Sprengstoff auf die Strominfrastruktur in Deutschland bestanden haben. Ziel sei ein deutschlandweiter Stromausfall gewesen. Der Gruppe sei bewusst gewesen, dass ein solcher Blackout zu erheblichen Schäden und zu Toten führen könnte, hieß es in der Anklageschrift.
Mit einer "Klabautermann" genannten Aktion soll die Entführung Lauterbachs vor laufenden Kameras aus einer Talkshow heraus vorgesehen gewesen sein. Seine Personenschützer sollten "ausgeschaltet" werden. Ziel sei gewesen, mit der Entführung eines nach Auffassung der Gruppe derart gehassten Politikers wie Lauterbach in der Bevölkerung Zustimmung für die Einsetzung einer neuen Regierung zu bekommen.
In einer finalen "False-Flag"-Aktion sei darüber hinaus geplant gewesen, bei einer "konstituierenden Versammlung" in Berlin die Regierung abzusetzen und neue Führungspersonen zu bestimmen. Hierzu sollte ein Schauspieler den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier oder Bundeskanzler Olaf Scholz imitieren und die Absetzung der Bundesregierung sowie die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches von 1871 verkünden.
Der Prozess beginnt mit einer Botschaft
Die Gruppe soll sich laut Anklage in einen administrativen und einen militärischen Arm aufgeteilt haben. Der 55-jährige Angeklagte Sven B. aus Neuruppin soll eine Führungsrolle im militärischen Arm eingenommen haben. Noch vor Beginn der Verhandlung verkündet er eine Botschaft. Auf einem Zettel, den er hochhielt, stand in kyrillischer Schrift: "Mit unserem Bruder. Für Frieden und Freundschaft. Krieg gegen den Faschismus." Dazu waren eine blaue Taube und ein rotes Herz gemalt. An wen diese Botschaft adressiert ist, bleibt sein Geheimnis. Laut Anklage wollte die Gruppe aber den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Anerkennung der von ihnen geplanten neuen Regierung bitten.
Als "politische Vordenkerin" der Gruppe sieht die Anklage die 75-jährige Frau. Der ehemaligen Lehrerin war aufgrund ihres "Reichsbürger"-Gedankenguts die Pension aberkannt worden, wogegen sie sich vergeblich juristisch wehrte. Während des Prozesses liegt sie meist mit Arm und Kopf auf dem Tisch über einen Mülleimer gebeugt. Der wurde ihr gebracht, weil sie zu Beginn der Verhandlung sagte, sie habe Angst, sich erbrechen zu müssen. Zuvor war sie von zwei Justizmitarbeiterinnen gestützt in den Saal gekommen. In einem Beschluss des Bundesgerichtshofs hieß es, die Angeklagte sei "gesundheitlich nicht relevant" beeinträchtigt.
Die vier Männer waren im April 2022 festgenommen worden, nachdem ein verdeckter Ermittler einem der Angeklagten Waffen zum Kauf angeboten hatte. Die Festnahme der angeklagten Frau erfolgte im Oktober 2023. Bei bundesweiten Durchsuchungen waren Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt worden.
Ein langer Prozess soll Fragen klären
In dem Verfahren wird es in den kommenden Monaten auch darum gehen, wie weit die Pläne fortgeschritten waren und wer eine führende Rolle in der Gruppe hatte. Der Anwalt B.s, Philip Grassl, sagte nach dem Auftakt, sein Mandant habe die Vorwürfe teilweise bereits eingeräumt. Er bestreite aber, die Absicht gehabt zu haben, jemanden zu töten. Ziel sei ein unblutiger Umsturz wie 1989 in Ostdeutschland gewesen.
Der von der Gruppe laut Anklage ins Visier genommene Lauterbach sagte zum Prozessbeginn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Verfahren und Vorgeschichte haben mein Vertrauen in unseren Rechtsstaat gestärkt. Dafür bin ich den Beamten, die an der Verhaftung beteiligt waren, und meinen Personenschützern, die auf mich aufpassen, sehr dankbar. Sie riskieren ihr Leben für uns." Dem Spiegel sagte er: "Ich wünsche mir harte, gerechte Urteile." Nur harte Urteile könnten Nachahmer abschrecken.
Die Verhandlung wird am kommenden Mittwoch (24. Mai) fortgesetzt, nach der Anklageverlesung und einigen Anträgen war am ersten Prozesstag zunächst Schluss.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Umsturzplan in drei Akten: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51804 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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