Der Pflichtteilsergänzungsanspruch von Abkömmlingen setzt nicht voraus, dass diese auch schon zum Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt waren. Dies hat der BGH mit am Donnerstag bekannt gewordenem Urteil entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung aufgegeben.
Der unter anderem für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob Abkömmlinge nicht nur im Zeitpunkt des Erbfalls, sondern schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt gewesen sein müssen um einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu haben. Im Gegensatz zu seiner früheren Rechtsprechung entschied der BGH, dass ein Anspruch auch dann besteht, wenn die Schenkung bereits vor der Geburt der Abkömmlinge beschlossen wurde. Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts sei es, eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen (Urt. v. 23.05.12, Az. IV ZR 250/11).
Die 1976 und 1978 geborenen Abkömmlinge machten gegen ihre Großmutter Pflichtteils- und Plichtteilsergänzungsansprüche nach ihrem verstorbenen Großvater geltend. Die Großeltern hatten vier Kinder, unter anderem die 1984 verstorbene Mutter der beiden Enkel. Im Jahr 2002 errichteten die Großmutter und der Erblasser ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten.
In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BGH noch gefordert, dass die Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch der Schenkung vorliegt. Die so genannte Theorie der Doppelberechtigung hat der Senat nun aufgegeben. Für den Sinn und Zweck des § 2325 BGB sei es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht.
Die bisherige Auffassung führe zu einer mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers und mache das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig, ob die Abkömmlinge vor oder erst nach der Schenkung geboren waren.
Die Vorinstanzen hatten der Auskunftsklage überwiegend stattgegeben.
una/LTO-Redation
BGH zum Erbrecht: . In: Legal Tribune Online, 24.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6263 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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