Syrischen Flüchtlingen droht bei der Rückkehr in ihr Heimatland keine Verletzung grundlegender Menschenrechte durch die dortige Regierung, entschied das OVG NRW. Das Gericht bestätigt damit die Auffassung des BAMF.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfahlen hat entschieden, dass einem 48-jährigen syrischen Familienvater aus Aleppo nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (Urt. v. 21.02.2017, Az. 14 A 2316/16.A). Es sei nicht davon auszugehen, dass zurückkehrende Asylbewerber allein wegen ihres Asylantrags, ihres Aufenthalts in Deutschland oder wegen illegalen Verlassens ihres Heimatlands vom syrischen Staat als politische Gegner verfolgt würden.
Der Kläger floh im September 2015 aus dem seinerzeit belagerten Aleppo über die Türkei und die Balkanroute nach Deutschland und beantragte dort Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewährte ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Asylgesetz, versagte aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein Familiennachzug ist damit nicht möglich, eine Abschiebung nach Syrien aber auch nicht. Das Verwaltungsgericht (VG) Münster hatte noch im Sinne des Syrers entschieden und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
Das OVG hat das erstinstanzliche Urteil nun aber geändert und die Klage abgewiesen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfordere, dass dem 48-jährigen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner politischen Überzeugung oder Religion eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte drohe. Entgegen der Annahme des VG könne das aber nicht festgestellt werden.
OVG: Regime würde Realitätsblindheit unterstellt
Das OVG änderte damit seine bisherige Rechtsprechung. Noch im Jahr 2012 ging das Gericht für jeden zurückkehrenden Asylbewerber von der Gefahr aus, unter Folter zu seinen Kenntnissen über die Exilszene verhört zu werden. Das könne unter den heutigen Bedingungen nicht länger angenommen werden und würde ohnehin nur zum bereits gewährten subsidiären Schutz führen, entschied der Senat nun. Es gebe keine Erkenntnisse, dass zurückkehrende Asylbewerber wegen ihres Asylantrags und Aufenthalts hier und eventuell noch wegen illegalen Verlassens Syriens vom syrischen Staat als politische Gegner angesehen und verfolgt würden.
Dies sei auch angesichts Millionen syrischer Flüchtlinge und der mehreren hunderttausend syrischen Asylbewerber in Europa auszuschließen. Wer annehme, dass das syrische Regime nicht erkennen würde, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Krieg fliehe, unterstelle diesem ohne greifbaren Anhalt Realitätsblindheit, so das Gericht in seiner Mitteilung. Schließlich könne eine Gefahr asylrechtlich relevanter Verfolgung auch nicht aus den Umständen gefolgert werden, dass der Kläger Sunnit sei, aus einer umkämpften Stadt stamme und materielle Verluste durch Kriegshandlungen seitens des syrischen Staats erlitten habe.
Die Frage nach der Flüchtlingseigenschaft ist bundesweit streitig und wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet. Während die ersten Instanzen dazu tendieren, den Syrern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, entscheiden nun immer mehr Gerichte im Sinne des BAMF. So hat z.B. auch das OVG Schleswig-Holstein die Entscheidungspraxis des Amts bestätigt.
Das Urteil hat Signalwirkung: Beim OVG NRW sind zurzeit weitere 38 Verfahren syrischer Asylbewerber anhängig, in einem Fall ist die Berufung zugelassen worden. Bei den sieben Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen sind mehr als 12.000 Syrien-Verfahren anhängig.
acr/LTO-Redaktion
OVG NRW zu Asylklagen: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22167 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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