Ein Schüler wird angegriffen und verteidigt sich. Dabei verletzt er den Angreifer lebensgefährlich. Die Schulentlassung deshalb war rechtswidrig, so das OVG NRW - auf die Feststellung hat er einen Anspruch, auch wenn er auf eine andere Schule geht.
Ein Schüler einer Gesamtschule im Kreis Wesel, der im August 2019 von einem Mitschüler tätlich angegriffen wurde und sich mit einem Faustschlag zur Wehr setzte, durfte wegen dieses Vorfalls nicht von der Schule entlassen werden. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, wie am Mittwoch mitgeteilt wurde (Beschl. v. 22.09.2020, Az. 19 E 477/20).
Der seinerzeit 14 Jahre alte Schüler wurde von seinem Mitschüler an einer Bushaltestelle vor dem Schulgelände mit mehreren Faustschlägen angegriffen. Der Schüler wehrte sich mit einem Schlag, der den Mitschüler so am Kopf traf, dass dieser zu Boden fiel und einen Schädelbruch mit massiven Gehirnblutungen erlitt. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen schwerer Körperverletzung stellte die Staatsanwaltschaft später ein, weil sie von einer Notwehrsituation ausging. Dennoch verfügte die Schule wegen des Vorfalls die Entlassung des Schülers.
Obwohl der mittlerweile eine andere Schule besucht und nicht mehr an die Gesamtschule zurückkehren will, wehrte er sich vor Gericht gegen die Entlassung. Dazu beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die ihm vom Verwaltungsgericht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage aber nicht gewährt wurde. Seine dagegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OVG nun jedoch Erfolg.
Keine Erledigung trotz neuer Schule
Das OVG entschied, dass sich die Schulentlassung nicht dadurch erledigt habe, dass der Schüler an seiner neuen Schule bleiben wolle. Auf sein subjektives Interesse komme es nicht an. Das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtung der Schulentlassung besteht laut Gericht vielmehr fort, da negative Auswirkungen der Ordnungsmaßnahme auf die weitere Schullaufbahn möglich seien.
Ohne vorherige Androhung sei eine Entlassung nur verhältnismäßig, wenn zu einem schweren wiederholten Fehlverhalten des Schülers weitere erschwerende Umstände wie insbesondere gewalttätiges Handeln oder schweres kriminelles Tun hinzu kämen. Solche Umstände habe die Schule jedoch nicht festgestellt, so das OVG. Der Schüler habe in einer Abwehrsituation gehandelt, die das Gewicht seines Fehlverhaltens auch schulordnungsrechtlich nicht unerheblich gemindert habe.
Tatsächliche Erkenntnisse für ein gravierendes Fehlverhalten, das eine Entlassung ohne Androhung rechtfertigen könnte, lägen laut Gericht nicht vor. Außerdem, so das OVG, habe die Schule den Hergang der Schlägerei nicht berücksichtigt und dem Schüler ein Mitverschulden vorgehalten, ohne dafür konkrete tatsächliche Erkenntnisse hierfür zu benennen. Damit habe die Schule gegen ihre Pflicht verstoßen, den Sachverhalt umfassend und zeitnah aufzuklären und ihre Ermittlungen sorgfältig zu dokumentieren.
acr/LTO-Redakton
OVG NRW zum Rauswurf aus Schule: . In: Legal Tribune Online, 23.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42883 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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