Der Humanistische Verband NRW hat seine Klage vor dem OVG Münster am Mittwoch zurückgezogen. Er gibt sein Begehren nach Einführung eines Fachs zur humanistischen Weltsicht als Alternative zum Religionsunterricht damit vorerst auf. Das Gericht hatte konkrete Zahlen zu den an dem Fach interessierten Schülern gefordert. Die dafür notwendige Mitgliederbefragung lehnt der Verband ab - aus seiner Sicht läge darin eine Bevormundung.
Der Humanistische Verband NRW hatte bereits 2011 vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf erfolglos auf die Einführung eines Fachs zur humanistischen Weltsicht geklagt. Seine Berufungsklage vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster zog er nun zurück, nachdem der Senatsvorsitzende angedeutet hatte, dass eine Entscheidung nach gegenwärtigem Verfahrensstand zuungunsten des Verbands ausgehen würde (Az. 19 A 496/11).
Denn das Grundgesetz, so der Senatsvorsitzende, knüpfe die Einführung eines Unterrichtsfaches unter anderem daran, dass der Verband durch seine Verfassung und die Zahl seiner Mitglieder die Gewähr für eine dauerhafte Durchführung des Unterrichts biete. Dieses Erfordernis sei wegen des Planungs-, Organisations- und Kostenaufwands unverzichtbar, der mit der landesweiten Einführung eines neuen Unterrichtsfachs für den Staat verbunden sei. Um zu gewährleisten, dass tatsächlich hinreichend viele Schüler über einen längeren Zeitraum den Unterricht in dem Fach wahrnehmen würden, wäre daher eine Befragung unter den Vereinsmitgliedern nötig gewesen.
Mitgliederbefragung würde "gegen ureigenste Prinzipien verstoßen"
Diese lehnt der Verein allerdings ab. Wenn man die Vereinsmitglieder hinsichtlich der gegenwärtigen oder künftigen Präferenzen ihrer Kinder befragte, würde man sie in die Situation bringen, ihre Kinder in weltanschaulich-religiösen Fragen zu bevormunden. Dies sei mit den humanistischen Überzeugungen des Vereins, nach denen jeder Mensch selbst frei über seine Religion bzw. Weltanschauung bestimmen soll, aber nicht vereinbar. Der Verein würde damit "gegen [seine] ureigensten Prinzipien verstoßen", erklärte der Präsident des Humanistischen Landesverbandes NRW, Jürgen Springfeld, in Münster.
Die Frage, ob und unter welchen Umständen Anspruch auf Einführung eines weltanschaulichen Unterrichtsfachs als Alternative zum Religionsunterricht besteht, bleibt damit ungeklärt. Der Vorsitzende Richter Bernd Kampmann hatte diese zuvor als eine der spannendsten Verfassungsfragen überhaupt bezeichnet, die das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich klären müssten. "Wenn es nur darum ginge, die Frage zu untersuchen, ob Religionsunterricht auch Weltanschauungsunterricht sein kann, würde der Senat mit Sicherheit die Revision zulassen", sagte Kampmann.
Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) begrüßte die Rücknahme der Klage. "Wir haben in NRW ein breites Unterrichtsangebot, das neben dem Religionsunterricht der verschiedenen Glaubensrichtungen auch praktische Philosophie und Philosophie umfasst", teilte sie in Düsseldorf mit. Die Klage des Humanistischen Verbands NRW war ausdrücklich nicht auf die Einführung eines weltanschaulich neutralen Faches als Alternative zum Religionsunterricht gerichtet, sondern auf Einführung eines solchen, welches sich an den humanistischen Werten und Sichtweisen orientiert.
dpa/cvl/LTO-Redaktion
Klage auf neues Schulfach zurückgezogen: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10656 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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