Die Ausweiskontrolle einer dunkelhäutigen Familie durch die Bundespolizei auf einer Zugfahrt war rechtswidrig. Die Richter ließen sich nicht davon überzeugen, dass die Hautfarbe nicht das entscheidende Kriterium für die Kontrolle war.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Kontrolle einer dunkelhäutigen Familie in einem Zug durch Beamte der Bundespolizei rechtswidrig gewesen ist (Urt. v. 21.04.2016, Az. 7 A 11108/14.OVG). Der zuständige Senat war nicht davon überzeugt, dass die Auswahl der betroffenen Personen gerade nicht wegen ihrer Hautfarbe erfolgt ist.
Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige und haben eine dunkle Hautfarbe. Sie fuhren mit ihren beiden Kindern – damals fünf und eineinhalb Jahre alt – in der regionalen Mittelrheinbahn, die zwischen Mainz und Koblenz verkehrt. Während der Fahrt wurden sie von Beamten der Bundespolizei angesprochen und aufgefordert, ihre Ausweise vorzuzeigen. Nachdem die Familie der Aufforderung nachkam und ihre Daten abgeglichen wurden, stiegen die Polizisten, ohne weitere Personen zu kontrollieren, wieder aus.
Ermessensfehler bei Anwendung von § 22 Abs. 1a BPolG
Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage machte die Familie geltend, die polizeilichen Maßnahmen seien rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Kontrolle in Zügen, die zur unerlaubten Einreise genutzt würden, hätten nicht vorgelegen. Die Polizeikontrolle habe insbesondere gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Erstinstanz gab der Klage mit der Begründung statt, ein Regionalzug, der – wie vorliegend – seinen Ausgangs- und Endpunkt im Bundesgebiet habe, könne nicht zur unerlaubten Einreise genutzt werden.
Das OVG wies die hiergegen gerichtete Berufung nun zurück. Die Kontrolle fände ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG). Danach könne die Bundespolizei eine solche Maßnahme in bestimmten Zügen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet ergreifen.
Zwar befand das OVG, dass die Mittelrheinbahn nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen sei. An ihrer Verfassungsmäßigkeit hatte der Senat ebenfalls keine Bedenken. Allerdings sei die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall jedoch ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig gewesen.
Erfolgsquote bei Kontrollen: Ein Prozent
Nach Würdigung des Sachverhalts konnte der Senat nicht davon überzeugt werden, dass die Hautfarbe der Familie für ihre Kontrolle nicht zumindest ein mitentscheidendes Kriterium gewesen sei.
Eine Auswahl der Personen bei Kontrollen zur Unterbindung unerlaubter Einreisen, für die die Hautfarbe der Personen das alleinige oder zumindest ein ausschlaggebendes Kriterium sei, verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz, so das Gericht. Zwar dienten Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG der Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise und damit der Bekämpfung von illegaler Migration, Schleusungskriminalität und Menschenhandel, also einem durchaus gewichtigen öffentlichen Interesse. Angesichts der geringen Zahl festgestellter unerlaubter Einreisen im Verhältnis zur großen Zahl der Befragungen von nur rund einem Prozent, komme dieser Befugnis keine so große Bedeutung zum Schutz der genannten öffentlichen Interessen zu, dass sie ausnahmsweise eine Ungleichbehandlung wegen der Hautfarbe rechtfertigen könne.
Liege der Auswahl der befragten Person ein Motivbündel zugrunde und sei dabei die Hautfarbe ein die Entscheidung zur Durchführung der Kontrolle tragendes Kriterium unter mehreren, sei ebenfalls ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot anzunehmen, entschied der Senat. Eine Kontrolle in Anknüpfung an die Hautfarbe sei unzulässig. Die genaue Motivlage der kontrollierenden Bundespolizeibeamten habe sich nicht mehr feststellen lassen. Der im Anschluss an das Ausweisverlangen telefonisch durchgeführte Abgleich der Personalien der Kläger mit dem Fahndungsbestand sei folglich ebenfalls rechtswidrig.
acr/LTO-Redaktion
OVG Rheinland-Pfalz zu Kontrolle im Zug: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19182 (abgerufen am: 02.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag