Weil Eltern die Lehrkräfte einer Waldorfschule wegen der Corona-Maßnahmen bedrohten, kündigte die Schule die Verträge der Kinder. Das OLG Stuttgart hat die Kündigung jetzt im einstweiligen Verfügungsverfahren bestätigt.
Eltern, die die Lehrkräfte einer Privatschule wegen der Umsetzung der Corona-Maßnahmen bedrohen, riskieren eine Kündigung des Schulvertrags der Kinder. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt und eine Kündigung der Schulverträge für die Töchter der Antragsteller durch den Schulverein einer Freien Waldorfschule in Göppingen im einstweiligen Verfügungsverfahren bestätigt (Beschl. v. 07.09.2022, Az. 4 W 75/22).
Die Eltern hatten in einer E-Mail an die Lehrkräfte und die Geschäftsleitung der Schule Drohungen, Unterstellungen und Vorwürfe im Hinblick auf die schulische Umsetzung der staatlichen Corona-Maßnahmen ausgesprochen. Sie warfen der Schule unter anderem vor, "alle menschenverachtenden Maßnahmen und Verordnungen durchzusetzen", "Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen" und hegten den Verdacht, dass es einzelnen Lehrkräften Freude bereite, "Kinder zu erniedrigen und zu belehren".
Daraufhin kündigte der beklagte Schulverein die Schulverträge für die Töchter. Er stützte die Kündigung auf eine Regelung in der Schulvereinbarung mit den Eltern, wonach die Kündigung bei einem unzureichenden Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien mit einer Frist von drei Monaten zum Schuljahresende ausgesprochen werden kann. Ein Eilantrag der Eltern dagegen wies das Landgericht (LG) Ulm zurück.
Eltern können sich nicht auf Meinungsfreiheit berufen
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Eltern blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Das Schulvertragsverhältnis sei durch die ordentliche Kündigung wirksam beendet worden. Die Kündigungsklausel im Schulvertrag sei wirksam und stelle keine unangemessene Benachteiligung dar. Die Eltern könnten sich auch nicht auf § 90 Abs. 6 des baden-württembergischen Schulgesetzes berufen, der einen Schulausschluss nur bei einem Fehlverhalten der Schüler und nicht der Eltern vorsehe. Diese Regelung gelte laut OLG nicht für Schulen in freier Trägerschaft, da diese sich im Rahmen des grundgesetzlichen Rechts zur freien Schülerwahl nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz von Schülern auch wieder trennen können müssten.
Das OLG wog dabei die Interessen der Töchter an der Fortsetzung des Schulvertrages zum Erreichen ihres Ausbildungszieles mit dem Interesse der Privatschule an der effektiven Verwirklichung ihrer Bildungsziele ab. Beruhe das Konzept auf einer intensiven individuellen Betreuung und Förderung der Schüler:innen, so liege es auf der Hand, dass bei Schüler:innen und deren Eltern die Bereitschaft zur Einordnung und Mitarbeit unerlässliche Voraussetzung sei. Fehle oder entfalle diese Voraussetzung, bestehe ein billigenswertes Interesse der Schule, sich vom Vertrag lösen zu können.
Bei einer solch nachhaltigen Beschädigung des Vertrauensverhältnisses könnten sich die Eltern auch nicht auf ihre Meinungsfreiheit berufen. Die Kündigung sei nicht erfolgt, um einen kritischen Diskurs zu unterbinden, "sondern aufgrund des in Art und Maß völlig haltlosen und unangemessenen Verhaltens" der Eltern, das verschwörungstheoretische Anleihen nehme und sich auf konkrete Drohungen und Unterstellungen erstrecke. Entschuldigt hätten sich die Eltern bis heute nicht, hieß es.
Der Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig. Die Eltern können die Wirksamkeit der Kündigung aber noch in einem Hauptsacheverfahren gerichtlich klären lassen.
acr/LTO-Redaktion
OLG Stuttgart zu aggressiver Anti-Corona-Mail: . In: Legal Tribune Online, 08.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49569 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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