Bis zu den Plädoyers war André E. noch ein freier Mann. Doch die Bundesanwaltschaft weitete die Vorwürfe gegen ihn deutlich aus. Wegen Fluchtgefahr sitzt nun auch der dritte Angeklagte im NSU-Prozess in U-Haft.
Der mutmaßliche NSU-Unterstützer André E. muss in Untersuchungshaft. Das Münchner Oberlandesgericht (OLG) erließ am Mittwoch Haftbefehl gegen den 38-Jährigen, dem die Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess Beihilfe zum versuchten Mord vorwirft. Das teilte das Gericht nach mehrstündigen nicht-öffentlichen Beratungen am Abend mit. Die Richter sahen unter anderem Fluchtgefahr beim Angeklagten.
André E. galt bis zuletzt als einer der engsten Vertrauten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Die Bundesanwaltschaft bezeichnete ihn in ihrem Plädoyer als loyalsten Helfer des NSU. Er soll im Dezember 2000 Beihilfe zum Bombenanschlag des NSU Ende auf ein Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln geleistet haben, indem er das Wohnmobil mietete, mit dem die Täter - laut Anklage Zschäpes Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt - nach Köln fuhren.
StA weitete Vorwürfe gegen André E. deutlich aus
Er saß in den vergangenen Jahren, anders als die Hauptangeklagte Zschäpe und der mutmaßliche Terrorhelfer Ralf Wohlleben, nicht in Untersuchungshaft. In ihrem Plädoyer weiteten die Ankläger ihre Vorwürfe gegen ihn allerdings deutlich aus. Am Dienstag forderte Bundesanwalt Herbert Diemer eine überraschend hohe Haftstrafe von zwölf Jahren für den mutmaßlichen Unterstützer und beantragte die sofortige Untersuchungshaft.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte André E. nach Abschluss des Anklage-Plädoyers noch im Gerichtssaal in Gewahrsam nehmen lassen, bis zur Entscheidung über den Haftbefehl. Nach der Eröffnung des Haftbefehls muss er nun bis auf Weiteres in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft hatte am Dienstag ihre Strafmaßforderungen für Zschäpe und die insgesamt vier Mitangeklagten verkündet. Für Zschäpe will sie die Höchststrafe: lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung.
Die Anklage wirft ihr Mittäterschaft an allen NSU-Verbrechen vor, darunter zehn vorwiegend rassistisch motivierte Morde sowie zwei Bombenanschläge in Köln, einer davon mit Dutzenden Verletzten.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
OLG München erlässt Haftbefehl: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24525 (abgerufen am: 05.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag